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[OBF-410711-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 11. Juli 1941.

Mein liebes, teures Herz! Herzlieb! Geliebte mein!

Mein Herzlieb ist doch auf der Reise ganz mit dem Kalender durcheinandergekommen, ich meine jetzt mit dem Zettelkalender. Dein liebes Gedenken von der Station der Heimreise erreichte mich heute, datiert vom 5.6.41 (!) der Poststempel aber lautet vom 4.7.41. Ist meinem Weiberl eine 1 verrutscht. Nun ist es gewiss längst zu Hause, ganz schnell ist es gefahren, Du! Mein Herzlieb! Mein einziges! Flieht nach Hause! Flieht zum Mannerli! Du! Du!! Geliebte! Komm zu mir! Birg Dein liebes Köpfchen an meinem Herzen! Mein Rehlein! Mein Herzblümelein! Hier bist Du daheim! Hier bist du geborgen! Du!! Du!!!!!

Herzlieb! Ein ganz herrlicher, reifer Sommertag will zur Neige gehen in einem noch schöneren Abend. Warm war es, aber nicht schwül, und bei reiner, klarer Luft. Erst gegen 6 Uhr bin ich mit Kamerad H. losgezogen, durch die Anlagen in der Nähe unsrer Unterkunft. Auf einer Bank haben wir eine Weile dem Spiel der Kinder zugesehen. Dann sind wir stadtwärts weitergezogen. Und da überkam uns beide das Gelüsten, mal etwas Gutes zu pappeln. Heute hat es Geld gegeben. Und so haben wir mal was springen lassen. Eine feine Tomatensuppe mit Schinkenomelett und Bratkartoffeln – hat fein geschmeckt – und nun haben wir nocheinmal so froh in den herrlichen Abend geschaut bis hinüber zum Olymp, der sich seit langem wieder einmal zeigte.

Wir trennten uns nun. Kamerad H. zog es ins Kino – dazu hatte ich aber nicht ein bisschen Lust. So bin ich am Kai entlang geschlendert, durch die froh bewegte Menge, die hier des abends sich ergeht – in Gedanken bei meinem Herzlieb. Das kann ich, mitten in dem fremden Gewühle, und ich muß dann nur aufpassen, daß ich nicht vergesse zu grüßen. Alle Welt freute sich an diesem einzigen Abend. Des abends werden die Menschen hier erst recht lebendig. Die Griechen haben seit einigen Tagen Ausgang bis 24 Uhr, wir Matrosen aber nur bis 22 Uhr! Also scheinen die Griechen besser zu folgen als die Matrosen! Ei, ei!! Es liegen wieder ein paar französische Schiffe im Hafen, auch Kriegsschiffe darunter – und die Promenade da am Ufer war wieder ganz international: griechische, französische, italienische, bulgarische, deutsche Uniformen, alles einträchtig und bunt durcheinander, daß man sich kaum noch auskennt. Solch ein Abend vermag wieder einmal ein wenig auszusöhnen mit den Stunden, die uns alles schwerer erscheinen lassen. Wenn man in den Mittagsstunden durch die Stadt geht, dann spürt man, wie die Sonne mit ihrer größeren Wärmkraft lastet auf aller Kreatur, wie sie alle Schaffensfreude lähmt. Furchtbar, die Dünste und Düfte aus den Häusern und Gastwirtschaften: Duft von Obst, angenehm; widerlich der Gestank aus einem Wurstladen, einem Milchgeschäft. In dieser Hitze fängt doch alles gleich an zu stinken und zu faulen. Die Toten werden hier binnen 24 Stunden beerdigt. Als wir zum ersten Male unserem Bad zusteuerten, wurde der Hubo ganz rappelig als er einen Finkenmatz lustig schmettern hörte. Das war doch ein so heimatlich vertrautes Geräusch. Ich konnte aber den lieben Sänger nicht entdecken. Jetzt haben wir ihn ausfindig gemacht. Er sitzt eingesperrt in einem Käfig, der Schlauberger hat seine Freiheit aufgegeben, lässt sich füttern und schmettert dafür seine Weise. Ich habe ihm gleich mal geantwortet, und er hat den Wettstreit gleich aufgenommen, ein Junggeselle gegen einen, der es einmal war! Du!

Herzlieb! Du hast ihm das Panier der Freiheit geraubt – hast mein Herz bezwungen, daß es sich nun zu Deinem neigt. Du! Ich muß noch manchmal an das Stück Weges denken, das wir einsam bei dunkler Nacht miteinander gingen zum ersten Male – Du! Als Du mich abgefangen hast – Du! Geliebte! Daß wir nun immer zusammengehen dürfen – und nun ganz, ganz zusammengehören – es ist doch so wundersam, wie es sich fügte.

Du! Herzlieb! Immer näher rückt unser Festtag – noch zweimal schlafen, dann darf ich sie erbrechen, die roten Siegel! Geliebte!! Mitten auf der Straße musste ich heute an diesen Tag denken.

Du! Geliebte! Dieser Tag war kein Ziel, es fiel nicht eine Tür ins Schloß zu unser beider Erschrecken – oh nein, nein! Es war nur eine Pforte über unserem Wege! Den wir nun schon lange gehen Lieb um Lieb, Hand in Hand, froh und glücklich, den wir, geb’s Gott, noch lange, lange miteinander gehen wollen, Du!! Geliebtes Weib! Nicht ein Vertrag trat in Kraft mit diesem Tage, nicht Recht und Pflicht! Einander zu lieben und immer lieber zu gewinnen, dazu allein rief uns dieser Tag! Kein Ruhestand ist unser Ehestand, kein sattes, dumpfes Genügen und Genießen – bis zum Überdruß und Übersättigtsein – Herzlieb, Du!!! Ein frohes, lebendiges Liebhaben ist es!– oh, wie drängt es mich, mit Dir zu leben! um Deine[r] Liebe zu dienen und zu warten immer aufs neue!! Dich immer lieber zu gewinnen, Dir immer näher zu kommen, Dich immer lieber zu erfüllen. Herzlieb! Herzlieb! Unser Liebhaben ist ja so groß, ist so wert, will unser ganzes Sein umspannen. Wird immer größer und tiefer und glückhafter werden! Herzlieb! Eine ganze Strecke Weges liegt schon hinter uns – nicht die leichteste. Du! Herzlieb! Keinen Schritt habe ich noch bereut! Du, gar keine Spur von Reue ist mir gekommen! Und nur ganz froh und glücklich kann ich auf den zurückgelegten Weg zurückblicken! Und ich weiß es, wir werden nie anders zurückblicken müssen! Herzlieb! Und so drängt es mich froh und ungestüm, mit Dir zu gehen, daß ich mir keine Stunde zurückwünschen mag. Vorwärts, vorwärts! Zu Dir! Zu Dir!!! Keine Stunde zurück, auch die süßeste nicht – denn die künftigen Stunden werden uns froher noch und glücklicher finden!

Gott behüte Dich mir! Mein liebes, treues Weib! Ich habe Dich sooo sehr lieb! Ich bin ganz, ganz Dein! Oh Herzlieb! Wir beide sind doch sooo eng verbunden! Wir können doch gar nimmer voneinander lassen! Eines ist dem andern Heimat und Geborgenheit – überall anders aber Fremde. Du! Herzlieb! Ganz nah möcht ich Dir sein! Ganz lieb Dein Köpfchen an dem meinen fühlen, Dein Herzlein an dem meinen – Du!!! Du!!!!! Mein liebes Weib! Laß mich Dein Mannerli sein – sonst mag ich nichts! Du! Geliebte!!!!!!!!!!!!!

Dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946