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[OBF-410720-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 20. Juli 1941

Mein liebes, teures Herz. Geliebte! Mein liebes Weib!!

Du bist nun heute wieder sooo reich bei mir eingekehrt – und nun hat doch der Sonntag erst recht wieder seinen Glanz, und in meinem Herzen ist Eitel, Glanz und Sonnenschein. Und es ist ein ganz innerlicher rechter Glanz, der mich drängt, ganz allein zu gehen – mit Dir!, der mir alles andere so flach und gering erscheinen lässt! Meine liebe [Hilde]! Freude wollte ich Dir bereiten! Dich meines Glücks, meines Frohsinns, meiner Liebe versichern! Dir dankbar und tröstlich ganz nahe sein an unserem Hochzeitstag, der so leicht hätte schmerzliche Empfindungen wecken können. Und nun flutet alle Freude und Dankbarkeit und Liebe meines Weibes mächtig zurück – meine Liebesflut weckend – oh Geliebte! Daß wir nicht darin ertrinken! Keine glücklichere Gewißheit kann mir werden als die, daß ich Dich beglücken und erfüllen kann, daß Du wie ich es fühlst, wie unlöslich wir miteinander verbunden sind.

Herzlieb! Mir ist nicht bang um unser Glück. Wir sind ein wenig unruhig jetzt – und unser Liebhaben über die Ferne, es zehrt an unseren Kräften. Aber unser Glück ist kein schwächliches Schwärmen, ist kein glaszartes zerbrechliches Lieben – oh nein, Geliebte! In unseren Gebeten befehlen wir es Gott im Himmel – mit seinen Zielen und Aufgaben aber stellen wir es froh bejahend auf diese Erde – glückhafte Wirklichkeit. So haben wir bisher an ihm geschmiedet – so steht alles bereit, und nur der böse Krieg hemmt uns und hält uns auf. Und dieser Sinn für die Wirklichkeit und tatfrohes Schaffes verbindet uns doch ebensosehr wie die Sehnsucht und das Verlangen, dieses Leben zu erhöhen und wundergläubig zu schauen. Du! Wenn wir in unwirkliche Fernen uns verlieren wollten, dann dürfte Dein Mannerli nicht ei[n] so schönes, liebreizendes Weib zu Eigen haben und mein Weiberl nicht ein so sinnenfrohes Männchen!!! Und die Krönung unserer Liebe sehen wir in dem Kindlein; es ist kein köstlicheres Schenken, das wie dieses das Leben und die Wirklichkeit ganz bejaht.

Geliebte! Und nicht deutlicher und beglückender kannst Du mir Deine Liebe kundtun, als daß Du mir in Deinem lieben Boten von Montag von unserem Kindlein sprichst – oh, sooo lieb und herzinnig, daß es Deinem [Roland] ganz warm zum Herzen strömt!

Willst Du es denn wirklich von mir haben? Soll es neben Deinen lieben Zügen, neben Deinem geliebten Wesen die meinen tragen? Soll ich sie mitprägen dürfen? Soll ich es bilden helfen? Mitbestimmen Leib und Seele? Willst Deinen lieben Schoß mir weihen?– Oh Herzlieb!!! Wo ist ein größeres, schöneres Geschenk als dieses? Worin könnte Liebe vollkommener sich kund tun?

Und all mein Schenken scheint mir Kleie und Stückwerk vor dieser Hingabe, diesem Vertrauen, diesem Lieben!!! Oh, wie ich Dich lieben muß darum!!! Wie Dir danken mein ganzes Leben lang!!! Möchtest Du mich immer treu und lieb und dankbar finden!!! Und wundersam an diesem höchsten Geschenk, daß wir Schenkende und Beschenkte zugleich sind, uns fühlen! Geliebte! Es bewegt uns beide! Wie könnte es anders sein? Unser Lieben drängt zur Krönung! Eins möchten wir sein! Ein Eigenes darstellen! Unsre Liebe sichtbar werden lassen in unserem Heim, im Kindlein! Unsre Liebe drängt zu tatfrohem Schaffen und Bewähren! Unnatürlich wird ihr Strömen gestaut. Viel gutes Wollen und Kraft fühlen wir in uns, das eigne Nest zu bauen, soviel Verlangen auch. Leben möchten wir miteinander; Seit an Seite, jubelnd und dankbar zu Gott dieses Leben bejahen – am Liebsten in unserem Kindlein! Geliebte! Du weißt, in mir ist die Sehnsucht darnach so groß auch wie in Dir! Und manchmal ist sie doch so übermächtig, daß wir traurig und ungeduldig darüber werden möchten.

Herzlieb! Eines lebt in mir in wundersamer Gewißheit: Der Glaube, daß ich Dir heimkehre – daß Gott uns zusammenführte, nicht, daß wir voneinandergerissen werden, sondern miteinander dieses Leben bestehen – daß in unseren Kindlein sich etwas erfüllen soll – daß wir unser Bestes ihnen schenken sollen – daß Dein und mein Leben mit Gottes Segen zu einem Ganzen werden sollen[.]–

Herzlieb! Es wird mir unvergessen sein, was Du mir einmal lieb sagtest: „Wenn Du aber weit fort von mir gegen den Feind ziehen mußt, dann magst Du mir ein Kindlein zurücklassen!“ In gewißem Sinne leben wir fort in den Kindern – und es mag recht vielen Frauen ein Trost sein beim Verlust des geliebten Mannes; das Kindlein von ihm und mit ihm – und vielen mag es das Warten erleichtern, die Sorge um das Kind. Und diese beiden Gründe mögen wohl viele Paare bestimmen, trotz Not und Tod ringsher ein neues Leben anzuzünden. Herzlieb! Ich kenne Deine lieben, dunklen, tiefen Gedanken dazu – Du!!! Du!!! Gott helfe Deiner Schwachheit, es ist Deine übergroße Liebe zu mir – und führe uns nicht in Versuchung! Oh, ich bin nicht bange, ich vertraue so fest darein, daß er Dich mir zuführte, Dich zu führen und zu schützen. Geliebte! Und nicht das Mißtrauen gegen Gott, er möchte mein Leben auslöschen, kann mich bestimmen, Dir Deinen Herzenswunsch zu erfüllen, nein – niemals! Geliebte! Liebes Weib! Was dazu mich zu bestimmen vermag ist die Liebe zu Dir, das Verlangen, Dich ganz zu beschenken und Dein Warten und Sehnen zu erleichtern. Und dieselbe Liebe ist es, die sich nun Sorgen macht. Und Du liebes Weib, verschließt Dich ihnen nicht. Du hast recht: Wir nehmen es so ernst und wichtig und schwer. Wir können nicht anders! „Können wir es verantworten jetzt? Entbehrungen innerer und äußerer Art hätte es zu tragen. Würde es gar ein schwermütiges Kindlein werden? Leicht wäre es nicht – für mich, für das Kindlein – für Dich. Und das Schönste würde ihm fehlen, das Heim. Ein Kindlein wäre für mich eine große Freude – ohne Dich aber auch eine große Sorge.“ Herzlieb! Und ich möchte dazu noch fragen: Wird dann Dein Sehnen und Warten leichter zu tragen sein?

Und dann spricht mein liebes, hingebendes, tapferes Weib, und leuchtenden Auges, von seinem Glück, das auch mein Glück sein soll. Ich bin Dir sooo von Herzen dankbar für die lieben Worte, Zeichen Deiner endlosen Liebe! Ach Herzlieb, alle eifersüchtigen Regungen und eigennützigen Gedanken schwinden hin vor dem hohen Wollen unsrer Liebe! Ich bin gewiß: Du würdest mich auf das Allerliebste teilnehmen lassen an Deinem Glück, an Deinen Sorgen, würdest mein Bild unverrückbar im Herzen tragen und mit Deiner Liebe zu mir das Kindlein nähren – Du!!! Ich hätte gar keine Bange, daß es ein Mutterkindlein werden könnte – und ich wollte mit aller Kraft meines Herzens Dir meine Liebe bringen und Dir tragen helfen – ja, das wollte ich, Du!!!!!!!!!!!!! 

[*]

Tag [sic] wünsch ich mir auch dabei – warum, das verrate ich Dir jetzt nicht. Und ein paar prasselwarme [sic] dürfen auch dabei sein – vielleicht geht der Hubo mal mit zum Baden – aber nicht in Oberfrohna, wo sie ihn kennen; sonst lachen sie alle über die Schwimmkünste des Matrosen.

Ach Du!!! Jetzt bin ich ja schon bei Dir im Urlaub! Muß gleich mal rechnen und zählen! Montag, den 25. August könnte das Mannerli losfahren. Donnerstag, den 28. August könnte er dann daheim sein! Freitag, den 12. Au September müßte er wieder abreisen. Herzlieb! Hilf mir raten, wie wir den Urlaub am geschicktesten einteilen! Aber zuerst will ich zu Dir nach Hause kommen! Du!!!!!

Aber pssst, pssst – ganz leis erst daran rühren, Geliebte!!! Ach Du! Ist der Hubo heute unruhig! Erst ein Nix, nun ein Urlauber – vergißt doch ganz, daß sein lieber Bub neben ihm sitzt – ach[,] ich muß Dich doch erst einmal ganz lieb küssen und an mich drücken!!! Und das liebe Herzel kriegt ein Kussel extra, und das böse – ist's denn noch böse?– kriegt zwei – und die dicken Beinel kriegen einen Klatsch – und mein liebes Weiberl muß es geschehen lassen, sonst küsse ich es ganz sehr Du!!! Du!!!

Herzlieb! Zwei liebe, liebe Boten kommen zu mir heute vom Freitag und Sonnabend. Laß Dir recht lieb danken dafür! Weißt[,] was mir immer wieder ganz deutlich wird: wie Dein Tag dort ganz angefüllt ist mit Arbeit – und mit den Stunden Deines lieben Meingedenkens angefüllt ist bis zum Rande, bis zum Müdesein – und kaum, daß Dir ein Stündchen bleibt zum Bummeln und Müdesein? Wer sollte all die Arbeit tun, wenn nicht Du? Herzlieb, das müssen ja auch U.s und B.s sehen und bezeugen können. 

Daheim bei meinem Herzlieb! Du!!! Kein Schloß tauscht ich ein mit unserem Stübchen, mit unserem Kämmerlein – und auch unsre Möbel beim Möbelhändler mag ich nicht mehr hergeben – weil sie Zeugen sind unsres Glücks, Zeugen gemeinsamen Sorgens und Freuens. Und unser Stübel einmal, und unser Heim, das allerliebste und allerschönste wird es sein wie mein Herzensschatz! Und im Kämmerlein steht nun das Bild vom Hubo – wie früher schon! Was D[u] mir vom Bilderhubo erzählst! So ein schlimmer ist der?! So einen darfst in Deinem Kämmerlein gar nicht dulden! Ich denk, Du hast ihn unterdessen schon bestraft. Ob der neue Hubo besser ist? Du! Die haben doch gar nicht alle Platz auf dem Nachttischel, die neuen – vor den vielen Augenpaaren kann mein liebs Weiberl sich doch gar nimmer verhegen. Derweil es dem einen den Rücken zukehrt, guckt ihm der andre in die Herzeltasche, Du!!!!!

Du! Morgen werde ich mich mit Dir freuen dürfen an Deiner Freude – gleich noch einmal Hochzeitstag, und Du an der meinen!!! Geliebte!!! Geliebte!!!!!

An den Polterabend habe ich doch gar nicht richtig gedacht! Ach, damals stürmte noch zu viel auf mich ein – und fremde Menschen in unsrer Mitte – es ließ sich nicht vermeiden – unwillkommene auch – zu viel, vielzuviel Zeugen unsres Glückes. Erst mit dem Ständchen fühlte ich mich recht berührt – und die Bedeu-

[*]

Und wir würden über alle Ferne einander doch ganz nahe sein. Herzlieb! Auch ich vertraue Gottes Kraft und der Stärke Deiner Liebe! Aber die Sorge bleibt – wir sind schwache Menschen – und sie wird größer dann bei mir und bei Dir als bisher – und das Kind wird ein Sorgenkind – Herzlieb, und ich muß ferne sein – Geliebte! Und de es will mir nicht in den Sinn, daß ich nicht um Dich sein soll in dem schönsten und größten Erleben meines Weibes, daß es Mutter wird zum ersten Male! Dieses Erleben, das mi[t] seinem Hoffen und Sorgen, mit seiner Freude und Heimlichkeit, doch Mann und Weib ganz erfüllen und verbinden muss – uns beide zumal, die wir einander so lieb haben!!! Und es will mir nicht in den Sinn, daß ich dann nicht um Dich sein soll mit aller Liebe, Wärme und Zärtlichkeit, daß Du in den Stunden schönsten und schwersten Erlebens zugleich allein sein sollst! Oh Geliebte!!! Ich glaube, ich hielte es nicht aus! Ich glaube nicht, daß uns das bestimmt sein kann. Herzlieb! Bin ich eigennützig nur, wenn ich so empfinde und denke? Ach nein! Dein Glück ist mein Glück! Und mein ganzes Glück ist es, an Deiner Seite zu gehen – Dir ganz nahe zu sein – Dich ganz glücklich zu machen. Oh! Geliebte! Teilnehmen an Deinem Mutterglück! Geliebte!!!!!! Habe ich Dich recht lieb, wenn ich das mag? Lieber noch, als wenn ich Dir nur helfen will, die Trennung leichter zu tragen und alles Sehnen – als wenn ich Dich ganz lieb beschenken will?

Oh Herzlieb! Ich habe Dich sooo lieb! Ich hätte vielleicht sollen alles beschlafen erst. Aber es hat mich heute nur dieser Gedanke bewegt. Und Du möchtest aus allem nur meine große Liebe zu Dir spüren. Und meine Gedanken wollen nur lieb mit Dir beraten und klären – nichts soll damit entschieden sein!

Nun muß ich schlafen gehen. Meine Gedanken werden mir noch nicht Ruhe geben im Widerstreit der Empfindungen; denn unser Wollen, Geliebte, so erkennen wir, muß freudig und stark und ganz und ungebrochen sein zum Kindlein. An Gottes Segen ist alles gelegen, das wissen wir auch!

Geliebte! Daß wir einander bleiben, darauf steht mein Vertrauen demütig und fest! Möchtest auch Du von ihm beseelt sein!

Gott behüte Dich mir! Er bleibe bei uns mit seiner Gnade!

Geliebte! Es war noch einmal rechter Hochzeitstag heute! Und Dein liebes Päckchen ist gekommen! Hab Dank! Hab Dank! Oh Herzlieb! Ich will Dich lieben, lieben!! Ich muß Dich lieben, lieben, sooooo sehr!!!

Ich küsse Dich! Ich herze Dich! Ich bin immer bei Dir, ganz ganz Dein [Roland]!

 

[* = hier scheint eine oder mehr Briefseiten zu fehlen, da die Seiten inhaltlich nicht aneinander anschließen]

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Autor Roland Nordhoff
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946