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Briefkorpus

X [siehe Abbildung]    Freitag, den 25. Juli 1941

Herzlieb! Geliebte! Mein liebes, teures Weib!

Wer hat mich denn heut Nacht nicht schlafen lassen? Du!! Du!!! Ist mein Paket angekommen? Nun wirst Dich gewiß über den Urlaub am meisten gefreut haben! Der Hubo hat's nicht geschickt gemacht – geschickt oder nicht – viel Freude wollte ich Dir doch nur bereiten! Nun muss ich Dir erst meinen Traum erzählen. Der Matrosenhubo fuhr auf Urlaub – bepackt mit dem Seesack (hab keine Angst, den bring ich nicht mit) – früh im Morgengrauen kam er nach Hause. Dies Zuhause sah so großstädtisch aus. An einer Straßenecke mußte ich meinen Huckepack absetzen. Ich habe wohl daneben gekauert., kommt daher mein Mütterlein und Frau N. mit der Liesl – und gehen grüßend vorbei. Und ich bin ganz verdutzt und entrüstet – konnten sie mir nicht die Hand geben? – bin ich nicht mit ihr verheiratet? - Ja, mit wem bin ich denn verheiratet? – Du! Und nun hab ich doch wahrhaftig überlegt – Liesl – Käthe – und sooo eng war mir dabei, so eng! - mit wem ich verheiratet sei – und da – ich fühlte es noch – lichtete sich der Nebel des Bewußtseins, – allmählich und Freude und Weite und frohes Erwachen!!! Du!!! Du!!!!! Ach Herzlieb! Wie wenn man nach dem Irregehen wieder sich findet. Du bist doch mein liebes Weib! Bei Dir ist mir so wohl und weit! Bei Dir ist eitel Freude und Sonnenschein!!!

Es ist jetzt am Morgen, da ich schreibe, vor dem Dienst. Ich habe eben einen Einsatz gehabt. Hab doch vorgestern etwas Schönes für mein Herzlieb entdeckt. [Ich] darf es noch nicht verraten. Wenn Du diesen Brief bis Donnerstag erhältst, schick doch dem Kamerad R. durch Einschreibebrief 150 M  Geld in 10 M = und 20 M = Scheinen. Wenn dieser Brief Dich freilich erst am Freitag erreicht, wird es zu spät sein. Aber ich denke, die Post wird es schon schaffen. Also rasch handeln!

Heute halte ich mit Kamerad H. freien Nachmittag. Wir waren ganz solid die Woche bisher – und heute wollen wir uns etwas gönnen. Am Sonntag hat Kamerad H. Dienst – ist Dein Hubo ganz allein – freut er sich auch darauf, ganz sehr! Ganz allein ist er nie – und wenn er es ist – dann ist er seinem Herzensschatz am allernächsten.

Herzlieb! Jetzt sind wir unterwegs. Auf dem Lieblingsplätzchen s[in]d wir gelandet – ganz durchschwitzt von dem bissel Steigen – aber nun ist es doch wieder schön. Und nun sollst Du mithalten am freien Nachmittag. Er verstreicht ja immer so schnell. Vor 6 Uhr kann man kaum etwas unternehmen – um 8 Uhr geht die Sonne schon wieder unter. Und den Tagen merkt man die sommerliche Reife an, daß wir schon wieder über die Höhe des Jahres sind. In 5 Monaten ist 1. Weihnachtsfeiertag. Wo werden wir den verleben. Ich sehe den Hubo in – Saloniki. Aber soweit wollen wir [ein]mal nicht vorausrechnen. Heute hat der Urlaubsgeist wieder gespukt. Denk nur, 21 Tage Urlaub und Reisetage gibt es. Und die jetzt unterwegs sind, bekommen ihn verlängert. Werden die sich freuen! Und wir hier? Werden länger warten müssen? Vielleicht – vielleicht nicht – schön warten, Herzlieb! Und der Hubo hat eine Aussicht – daß er vielleicht schon eher kommt, Du! Vielleicht schon am 18. August! Wär das fein? Du!!! Du!!!!!

Da ist doch noch soviel am Tage! Und gar nicht so lang brauchten wir zu warten! Aber fein gedulden! Und wenn es eben später würde – daß wir doch nun überhaupt schon an den Urlaub denken dürfen! Kamerad K. kehrt nun erst am 13. August zurück! Also!!! Mein schlaues Weiberl wird schalten!  Du wirst nun ein wenig neugierig sein darauf, was wir uns gönnen wollen. Heut Mittag fing's schon an mit einem Pfund Wein – ist noch ein bissel unreif, die Beeren schon groß, aber noch festet, kostet 35 Pfennig. Und jetzt - sitzen wir in der Lustschenke bescheiden bei einer Limonade zu 10 Pfennig. Aber dann! - nun dann bummeln wir stadtwärts – zwei süße Schlecker – gibt's noch [et]was Süßes, dann nehmen wir dieses – ist es schon alle, dann essen wir warm, ich sag Dir noch, was. Ach Geliebte! Merkst Du es? Wie wenig diese kleinen Freuden bedeuten neben dem harten Krieg, dass wir einander ferne sein müssen? Wie wir sie unbesehen drangeben, sofort, wenn wir nur heimkönnten? Geliebte – Du vermagst zu ermessen, wieviel mir fehlt und was ich entbehren muß. Herzlieb! Es ist schon ein großes Opfer, das wir allein mit unserem Getrenntsein bringen müssen. Aber wir wollen stets dankbar bedenken, wie viele viel größere Opfer bringen müssen. Mit Kamerad H. vertrage ich mich sehr gut. Noch ruhiger ist es nun in uns[e]rer Stube geworden, aber nicht weniger herzlich. Unser Tag ist ja immer so schnell um. Und den kommenden Sonntag, an dem ich allein bin, will ich mit dazu benutzen, mich auf den Urlaub zu rüsten.

Geliebte! Nun sind wir wieder zu Haus[']. Schnell fährt man aus der engen Bluse – wäscht sich fein kühl ab – trinkt ein Schlückchen – und schwitzt schon wieder wie närrisch. Ganz klar und gerade sind wir heimgekommen. Die Süßigkeiten waren ausverkauft heute. In einem der Hotels am Kai haben wir gegessen, eine feine Tomatensuppe, Spiegelei mit Bratkartoffeln. Zu einem Glas Wein war es zu spät, da muß man bissel länger drüber sitzen können. Stockfinster ist es nun 10 Uhr bei uns. Was wird mein Feinslieb heute anzugeben haben? Freitag, Reinemach – und Badetag. Da ist das Mannerli immer und überall im Wege – wenn es nicht mit zupackt – im Wege tagsüber – abends kann es ja dann ruhig zum Vorschein kommen, ja? Heute ist kein Bote gekommen. Dafür kann ich morgen mit Sicherheit auf ihn zählen. Dein Bub ist müde heute und still – ach Du, er ist froh, daß er auch einmal still ist seit langem. Möchte doch nun ganz, ganz brav sein. Weißt, Herzlieb, was auch so neuartig an diesem Soldatenleben ist, daß man sich für den nächsten Tag gar nichts vornimmt, daß man gar nicht plant und demzufolge sich innerlich auch gar nicht spannt – so ganz anders als in meinem Beruf, in dem man immer gespannt ist und spannend plant: große Spannen, das Jahresziel im Auge – kleinere Spannen, ein Arbeitsgebiet in Geschichte od. Deutsch – kleine Spannen, Ziele, die man sich steckt für das Fortkommen und den Erfolg einzelner Schüler, für das Gelingen einzelner Stunden. Das sind viel, viel Spannungen, die den ganzen Menschen anspannen und einspannen, die n[ich]t wenig an den Kräften zehren – und die eine ganz andere Verteilung der Körperkräfte u. = säfte bedingen[,] eine gesundere. Nun behüt Dich Gott! Geliebtes Herz! Ich bin Dir doch sooo sooooo gut, auch wenn ich ganz still bin. Ich habe Dich sooooo sehr lieb! Gott segne uns[e]re Liebe! 2 in der Arbeit ruhige Tage liegen vor mir. Ich freue mich darauf, und daß ich mit Dir lange und viel allein sein kann. Herzlieb, Geliebte! Ich küsse Dich ganz lieb! Ich bin Dir so nahe und in Liebe und Treue unlöslich verbunden

ganz Dein [Roland]! Und Du bist mein!!!

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.410725-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946