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[OBF-410727-001-02]
Briefkorpus

Sonntag, den 27. Juli 1941

Mein Herzensschatz! Geliebte, Herzlieb mein, Du!!!

Nun ist die Stunde da, auf die ich mich gefreut habe: Mit Dir sein, ganz allein! Eine größere Freude in dieser Welt? Die gibt es nun nicht mehr für mich! So ist die Liebe: es tritt ein Menschenkind in unser Leben – es ergänzt unser Wesen – schließt es auf – erfüllt es – erlöst es – so seltsam und wundersam und glückvoll, daß der, dem dieses Glück wiederfuhr [sic] nun gar nicht mehr leben kann und möchte ohne dieses Glück. Ein Menschenpaar – das sind eben nicht nur zwei Menschen, sondern wie Schuhe und Strümpfe, zwei, die zusammengehören, zwei, die nur zusammen etwas bedeuten – ein linker und ein rechter – ein Menschenpaar, daß ist ein neues Ganze [sic]. Herzlieb! Mit Dir zusammen bin ich nur noch ein Ganzes! Alles Denken und Trachten, Sinnen und Planen für dieses Leben: Du bist darin einbezogen. Und nur für Dich und mit Dir zu planen gibt mir Mut und Freude zu diesem Leben. Herzlieb! In Dir wurde mir das geliebte Wesen geschenkt, zu dem ich das große, dunkle, tiefe, liebeheiße [sic] ‚Du' sprechen kann. Ach, der Herrgott schuf die Menschen so, Mann und Weib, daß sie einander ergänzen sollen. Ehe ich Dich fand, da war doch ein leerer Platz neben mir, in meinem Herzen ein leerer Thron, und tausend Fasern und Arme, die ins Leere gingen voll Sehnen und Verlangen, sich zu verbinden, zu verschlingen, anzukommen. Ach Herzlieb! Ich habe es mir nie erhofft, daß mein Wesen in Liebe sich neigen wollte zu einem anderen, daß ich allein ein unerlöster, unfroher Mensch sei. Ich bin ein Mann, der tief und heiß nach dem Weib verlangt, der tief berührt wird von den Spannungen männlichen und weiblichen Wesens. Mir Dir verbunden sein, innig und fest, umfangen und umfangen werden, schenken und beschenkt werden, erfüllen und erfüllt werden – und dies mehr als in grober Sinnlichkeit – dahin geht alles Sehnen und Lieben. Da tritt mir ein Widerspruch gar deutlich vor Augen. Den meisten Männern, denen ich nun hier begegne, die gehen zum Weib, um es zu benutzen, um sich seiner zu bedienen – und so wie sie handeln, so sprechen sie auch vom Weib, und ich kann mir auch nicht denken, daß das Verhältnis zu ihrem Weib daheim ein viel anderes ist. Vielleicht, – wie ich es oft beobachtete, – daß sie dann, wenn Kinder kommen, die Erinnerung an die eigene Mutter und der Hang der Kinder in ihrem Weibe etwas Höheres verkörpert sehen läßt, eben das Mütterliche, daß sie dann mit ihren Kindern selbst wieder Kinder werden. Sie reden vom Weibe roh, derb, bündig, geschäftlich, selbstbewusst, männlich und stark – und scheinen eben die männlicheren Männer zu sein so. Geliebte! Wenn ich an Dich denke, dann fühle ich mich gar nicht stark – dann will sich all mein Wesen neigen und anlehnen und sein Ichsein aufgeben. Das ist gar nicht klar und bündig – das ist so wundersam. Und davon mag ich zu gar niemandem reden, laut schon gar nicht, weil es etwas so Leises und Heimliches und Wundersames ist, sich an einen anderen Menschen zu verlieren. Ach Geliebte, und die Stunde, in der es sich am vollkommensten erfüllt, sie ist doch auch die leiseste und heimlichste! Und e – seltsam widerspruchsvoll, gar nicht die männlichste. Wenn das Urbild der Männlichkeit herausgestellt werden soll, dann bildet man einen Mann, der trutzig und bewährt  allein steht – nicht einen, der liebend sich zu einem Weibe neigt. Herzlieb, Du weißt, wie ich bin! Du kennst mich! Du! Daß ich so sagen kann!!! Was wäre uns[e]re Liebe ohne dieses Einanderkennen? Ohne das in höchstem Vertrauen Geborgensein? Ohne das Hingegebensein aneinander? Ohne das Verlangen, tief einander zu durchdringen und zu erfüllen? Herzlieb! Ich weiß, du liebst so wie ich! Wie glücklich bin ich darum! Wie sooo glücklich!!!!! Du liebst dein Mannerli so, wie es ist, oh, sooo sooooo sehr!!!!! Geliebte! Du kennst mich so, wie ich bin! Vor Dir mag ich mich nicht verbergen, ich liebte Dich dann nicht recht. Und ich schäme mich dann vor Dir nicht meines Mannseins – meines Sehens, meinens Verlangens – Du allein schaust es, zu Dir allein kann ich davon sprechen, Du allein kannst es stillen!!! Oh Geliebte! Vor Dir bin ich sooo glücklich und froh meines Mannseins, sooo glücklich und froh!!! Oh, Geliebte! Es zittert in mir vor Glück, wenn ich daran denke – an die Feierstunde uns[e]res Glücks – die wir einander schenken können – Du empfandest schon immer recht: Nacht muß sein, tiefe, dunkle, stille, feierliche Nacht – und Mondenhelle, nicht Tageshelle – Herzlieb, Geliebte! Geliebte!!! – und dann Du und ich – Mann und Weib – Du!!! Du!!!!! Liebst Du diese Stunde? Oh sag, liebst Du sie?!!! Du! Du!!! Empfindest Du auch das Geschenk dieser Stunde –  ganz recht auch? Oh Herzlieb! Alle Zärtlichkeit, alle Herzinnigkeit, alles Glückstrahlen, alle Seligkeit, alle Wertschätzung – die stehen dann mächtig auf in mir – ach Geliebte! Ich mag nicht mehr davon schreiben – Du!!! Du!!!!! Mein liebes, liebes Weib! Sollst mir nur sagen, ob Du diese Stunde liebst! Oh Geliebte!!!!!!!!!!!!! Du wirst sie mir schenken! Und sie soll Dir ein reiches Geschenk werden!!! Du!!! Du!!!!!

Ach Herzlieb! Schreibfreude ist in mir! Und so froh bin ich, daß ich ganz allein sein darf mit Dir. Einen schöneren Rahmen wünschte ich mir nur für all die Freude. Einen schöneren Raum – wie unsre Stube einmal, Du! – und auf dem Tisch eine schöne Decke und ein paar Blumen! Ach, auf meinem Tische hier sieht es gar bunt aus. Zeitungen und der ganze Hosentaschenplunder, Kamm und Bürste – liederlich. Vor mir steht ein Pappkarton und daran lehnen Deine lieben Bilder – und eines vom Mannerli dazu. Und die Tür hab ich gleich zugeschlossen, damit mich niemand stören kann in meiner Feierstunde. Der Hubo selber sieht gar nicht festlich aus: ist noch unrasiert – in der Arbeitshose und im kurzen Tropenhemd sitzt er da, die Leibbinde über das Bäuchl gezogen, das erkältet man sich zu leicht – es ist ja sooo heiß wieder draußen. Es sind die heißesten Tage jetzt. Man findet kaum Schlaf nachts – und plötzlich einmal bricht man in Schweiß aus. Ach ja – einen anderen Rahmen für all die Freude! Und wenn es hier sein müßte? Eine Kahnfahrt? Auf sanften Wellen ein glückliches Paar! – oder ein fröhliches Tummeln am Strande oder im Plantschewasser [sic] (wenn ich nur besser schwimmen könnte!). Zuhause? Ach Herzlieb! Wenn mein lieber Sonnenschein im schönen Kleidl mir gegenübersitzt, dann ist schon Feierstunde und Festtag! Zwei liebe Boten sind zu mir gekommen heute!!! Vom Sonntag und Montag. Nun ist doch alles wieder gut – ach, nun ist erst wieder recht Sonnentag geworden – nun bin ich doch wieder ganz Dein Hubo und Mannerli! Liebe und Gegenliebe, des Glückes Widerschein, des Herzens Widerhall, mit Freude und Mitgefühl – sie sind unser Glück!!! Wir haben es immer besser gelernt und erfahren – und wissen darum – und Deinem [Roland] ist es aufgegangen wie eine große, strahlende Sonne: Lieben! Geliebt werden! Oh Herzlieb! Herzlieb mein!!!!!

Wir müßten wohl bange sein um unser großes, reiches Glück, wenn wir nicht Gott es anbefehlen möchten. Er hat es uns geschickt. Wie anders könnten wir glauben? Ein Geschenk des Zufalls? Nimmermehr! Aus Gottes Hand empfangen wir es – seinem Schutz befehlen wir es. Wie könnten wir schöner es erheben – wie fester es gründen? Ihm, Gott, wollen wir leben – um den rechten Glauben wollen wir miteinander ringen – ringen darum, daß Gott unser Glück segne. In seinem Segen kann unsre Liebe reifen und gute Früchte bringen! Gott wird uns vergeben, daß unsre Liebe erst einmal so eng und eigensinnig und eigenmütig und heiß zueinander entbrannt und unsre Herzen entflammt. Oh, wenn wir nur seine Hand nicht lassen, dann werden wir den rechten Weg schon finden. Herzlieb! In einem Deiner lieben Boten steckt wieder eine so schöne Karte mit einem Huckepack ! „Vertraue sich den Blumen an" – – welcher ich mich anvertraue? – ach, es gibt wohl noch prächtigere in Form und Farbe – berauschendere im Duft – – aber die Rose tut es doch allen zuvor, sie sagt es am liebsten und beredtsten – die rote Rose – Geliebte!!! Und viele Pausbackengelchen und -bengelchen sind auf den Grüßen immer von meinem Herzlieb! Du! Du!!! Und Herzelein und Röselein. Ach, was ist es doch Schönes um die Liebe: Röselein und Herzelein und Engelein, Zeichen all ihrer himmlischen Glückseligkeit. Und wir beide stehen unter ihrem Wunderzauber, zwei Glückskinder. Herzlieb, und wir glauben, daß sie wohl sich ein wenig wandelt noch, unsre Liebe, aber daß sie darum nur tiefer und reifer wird, und daß sie ihren Wunderzauber behalten wird, so lange noch ein Fünkchen davon in uns glüht. Wie lange das sein wird? Oh, schenkt Gott uns nur ein langes Leben, lange, lange, bis an unser Ende, Geliebte! Ich fürchte mich nicht vor der Dauer des Lebens an Deiner Seite, fürchte mich nicht vor unserem Alltag, vor der Bewahrung unsrer Liebe – oh mein, mein! Ich sehne sie herbei! Oh so sehr, sooo sehr. Gott verhelfe uns in Gnaden dazu recht bald – daß alle Liebesnot und aller Schmerz des Sehnens ein Ende nimmt. Mein Herzlieb! Meine liebe [Hilde]! Nimm diesen Gruß aus meinem Sonntag, aus dem Feiertag mit Dir. Oh, all die reichen, seligen Stunden, alle Wärme und Sonnenschein des Herzens mitten hier in der Fremde – sie kommen von Dir und wollen zu Dir – mein Herz schlägt Dir in großer Dankbarkeit, in Liebe und Treue, unwandelbar! Ich küsse Dich ganz lieb! Ich habe Dich lieb über alles in dieser Welt! Du weißt es!

Ich bleibe ewig Dein [Roland] – ganz Dein! Geliebte!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946