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[OBF-410728-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 28. Juli 1941.

Herzallerliebster! Du mein herzliebes, liebstes Mannerli, Du!!!

Das war gestern ein schöner Sonntag. Und ich habe Dich ganz sehr herbeigewünscht, Geliebter! Wir waren abends noch im Kino. „Friedemann Bach"– Du kennst ja die Geschichte um diesen Großen der Musik. Und du warst es, der mich bewog, das Buch ‚Friedemann Bach' zu lesen. Ich war wieder ganz im Banne dieser Lebensgeschichte. Verfolgte klopfenden Herzens seinen Aufstieg [z]u Ruhm und Ehren, erlebte die Tage seines Glückes nach – und empfand sein Ringen mit um die echte Kunst – bis er dann zuletzt in Armut und Elend endet, der Lieblingssohn Johann Sebastian Bach’s [sic]. Über allem Spiel auf der Leinwand spannte sich aber die wunderbare, unvergängliche Musik dieses größten Meisters wie ein zarter Schleier. Und doch auch war sie so wuchtig, so eindringlich – so erhaben! Ach Du!! Mein Herzlieb! Ich habe weinen müssen – musikalisch war dieser Film großartig! Wenn Du ihn doch sehen könntest! Ich wünschte mir das soo sehr! Du!! Ich lege Dir das Programm mit in der Zeitungsendung „Münchner" bei, damit Du siehst, wer am Aufbau dieses schönen Filmes beteiligt war. Glaubst, es war mir wie ein Geschenk, daß ich diesen Film sah. So befriedigt ist man selten von einem Film.---

Und heute, am Montag, Herzlieb! Um 8 Uhr abends ist es schon, da komme ich erst dazu, Dir zu schreiben. Es kam so: Gleich nach dem Aufstehen ½ 7 [Uhr]! bin ich ins Waschhaus und weichte die Wäsche ein – wir können morgen erst waschen, weil Frau U. heute nicht da war und wir müssen doch heißes Wasser holen bei ihr! Das dauerte ungefähr 1 Stunde. Dann habe ich meine Zimmer in Ordnung gebracht. Kleider aufgeräumt. Hausordnung besorgt. Schuhe geputzt. Essen angesetzt.

Und dann habe ich mich auf meine Stickerei gestürzt!! Ich hatte mir eingebildet, ich müßte heute fertig werden! Und durch meine zähe Ausdauer wurde ich auch belohnt. Ich bin fertig mit dem Voile-Kleid sticken! Du!! Freust Dich da auch? War das eine Arbeit! Ich bin soo froh! Das glaubst ja nicht. Heute früh 2 Stunden dran gestickt und von mittags 1 Uhr bis ½ 8 Uhr andauernd gestickt! Die Mutsch war platt, daß ich's schaf[f]te in einem Tag. Aber sieh, ich komme in dieser Woche nicht wieder dazu. Die Wäsche wird mich bis Donnerstag in Anspruch nehmen und dann kommt das Reinemachen wieder – ist das Anstehen für 'was zu Essen noch garnicht eingerechnet – und am Sonnabend wollen wir nach Glauchau. Diese Woche kommt mein Herzlieb mal bissel schlechter weg! Du!! Bitte, bitte! Sei mir nur nicht böse darum, Herzallerliebster! [Du] Darfst Dir auch 100 ganz große Küssel gutschreiben für den Urlaub! Du!!! Ist das eine kleine Entschädigung? Du?!!! Du![!!!!] Ach! Und die anderen Schreibschulden stehen auch noch aus! Ich könnte mir doch gleich den Tag mit 36 Stunden wünschen! Da wär' ich aber schöne [sic] dumm! Müßte ich ja sooo lange mehr warten, bis mein Schätzel zu mir kommt! Du!! Du!!! Lieber nicht!

Du!! Nun sind es nur noch 29 Tage, daß Du mir ferne bist! In 29 Tagen setzt sich mein Herzlieb auf die Bahn! Ach! Du!!! Gebe Gott, daß alles gut geht! Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich mich auf Dich freue! Geliebter!!! Mein herzallerliebster [Roland] – Du!!! Geliebter! Du!!! Heute kam Dein lieber, lieber Bote vom Donnerstag zu mir. Du!! Sei viellieb bedankt dafür! Du hast von mir geträumt? Du!!! Und noch dazu solch seltenen Traum! Was Dir die Wirklichkeit noch nie bescherte, das bescherte Dir dieser Traum!

Ich habe vor Dir gesungen!? Vor vielen Leuten!? Da muß ich ja einen tollen Schwips gehabt haben! Du!!! Daß ich soviel Mut fand! Na – der Vortrag war ja auch danach! Zuerst gibt sie einen Vers zu! Wo gar keiner mehr ist! Und dann schnappt sie über – bleibt stecken! Pfui Schande!! ‚Kamerad, nun heißt’s marschieren' …. Du! Das kenne ich garnicht! Ich will mir's aber merken, Du!!! Und singe es am 26.!! Kamerad, nun heißt's reisen, reisen, nach der Heimat!! Das paßt besser für uns!! Du!!! Ach Du! Ich habe hellauf lachen müssen, als ich Deinen Traum las! Herzlieb? Weißt, ich bedaure, daß die Tanten und der Onkel dann dazu kamen, als wir uns nun endlich gesehen hatten! Wie schade!! Aber – es ist schon recht so. Warte Du mir fein, bis Du wirklich bei mir bist, damit! Ich kann auch nicht solche verlockende Träume träumen – ich muß auch schön artig warten! Du!!!!! Und – das kann ich Dir schon heute sagen: wenn wir dann beisammen sind und es kommt jemand, wenn's uns nicht behagt! Den lassen wir nicht herein! Kommt nicht in Frage! Hörst Du? Hierin sind wir uns doch einig?!!!

Und nun wunderst Dich noch über meine Hamsterfahrt nachträglich – wie ich habe alles fortgebracht? Nur mit meinen starken Armen! Na, das Ergebnis war ja auch darnach: 3 Tage eher krank! Freilich habe ich an Dich denken müssen! Dickerle!! Immer! Und daß wir die Erdbeeren kosten, steht schon längst fest! Das habe ich schon am ersten Tag des Besitzes mit Mutsch ausgemacht! Ich freue mich schon darauf, wie Dirs gut schmecken wird! Steckst mir denn auch mal einen Löffel voll in den Schnabel??

Du willst mir Konkurrenz ansagen?, willst zu den Ringern[,] Gewichthebern, Ruderern, Turnern, Keglern gehen und Deine Muskeln stählen! Ach Du! Da ist ja immer noch ein Tag frei in der Woche, da kannst gleich noch Skaten geh[e]n, denn an dem einzigen Abend will ich Dich dann garnicht bei mir zuhause sehn! Du Böser!!

Na – ich gehe da eben jeden Abend schwimmen – und im Winter Schneeschuhlaufen! Denke nur nicht, daß ich alleine daheim bleibe! Fürchten tät ich mich nicht – Du! Bloß ein bissel! Ach, Herzlieb! Wollen wir denn nicht lieber zusammen bleiben? Sag? Kannst ja auch mit mir ringen, (bei der Wäsche!)  rudern (beim Baden) Gewichtheben (wenn ich vom Hamstern komme) turnen, (im Hemdel, früh!)[,] kegeln (meinetwegen mit Mottenkugeln!) ach! Mit mir kannst Du noch viel Schöneres machen als das! Ich weiß viel, viel Schöneres! Aber das sag, [sic] ich Dir erst wenn Du mir versprichst, mich nicht jeden Abend allein zu lassen! Du!!! Du!!!

Und daß Du mich nicht auf Händen tragen kannst? So wörtlich genommen?, darum bin ich Dir garnicht böse! Tue es nur weiter im tieferen Sinne!! Das ist viel mehr wert! Ein mancher Mann kann seine Frau wörtlich auf Händen tragen und in Wirklichkeit hält er garnicht zu ihr! Das gibt's auch! Ach mein Hubomannerli! Bleibe nur so wie Du bist!

So habe ich Dich doch am allerallerliebsten! Ja, ja Du!!!!! Ich bin heute so ausgelassen froh! Geliebter! Ich möchte am allerliebsten bei Dir sein jetzt!! Du!! Ich tät' ja etwas mit Dir anstellen heute! Du!!! Du!!! Ich hab Dich sooo lieb! Aber dann hätte ich morgen keine Kraft zum Waschen!

Nun gute Nacht, Schätzelein! Gott behüte Dich mir! Ich bin sooooo froh und glücklich in Deiner Liebe! Sei Du es mit mir! Geliebter!!!

In Ewigkeit immer Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946