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[OBF-410801-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 1. August 1941

Herzelein! Mein liebes Herzelein! Geliebte, Holde mein!

Du! Ich muß doch gleich zum frühen Morgen mal zu Dir kommen heute, und Dich ganz lieb drücken und küssen: Du!! Du!!! Heute ist doch der 1. August! Und nun hilft uns der Kalender zählen!, [sic] dem Weiberl bis 31, hu, das ist noch lang, da muß ich Dir noch ein bisserl mit drüberweghelfen – Du! Wir nehmen einander doch täglich ganz lieb bei der Hand! Und das Mannerli zählt bis 28 – kann doch manchmal nicht bis dreie [sic] zählen und nun bis 28 – muß mir mein Herzlieb helfen! Will es das? Du!!!!! Brauchst nur noch 22 Boten zu schicken – Du!!! Dann endlich wird das Mannerli den Lockungen folgen. Ist doch ein zähes, hartes Mannerli! Und ich muß ja noch 26 Boten schicken – und der letzte, der soll es Dir sagen: „Ich komme, ich komme!!!!!“ Oh Herzlieb! Wer wird noch sooo gern kommen, wer sooo gern und froh auf Urlaub fahren wie Dein Mannerli? Und wen wird noch soooviel Jubel, Freude, Glückstrahlen und Liebe empfangen – wen wird die Heimat lieber umfangen als mich? Oh Du! Du!! Sooviel Reichtum und Glück!!! Zu Dir komme ich! Soooviel Jubel und Freude ist darum in mir! Wir haben noch kein Heim, noch kein Nest – aber ich habe Dich! Du!!!!! Die Seele allen Heimglückes! Die Heimat meines Herzens!!!

Ach Herzlieb, dieser Herzensjubel und diese Freude waren mit mir den ganzen Tag heute. Laß Dir erzählen, wie er verlief. War doch unser Freinachmittag heute. Auch Zahltag. Haben wir beide erst mal gut ausgeschlafen – wir wollten doch ganz munter sein heute zum Einkaufen. Ja, einkaufen wollten wir. Gleich nach dem Essen sind wir losgezogen – die Stoffgeschäfte haben nämlich nur noch über Vormittag bis ½ 2 Uhr geöffnet. Kamerad H. wollte eine[n] Blusenstoff kaufen für seine Frau und ein paar [sic] Schuhe für seine schulpflichtige Tochter. Na, erst mal Blusen kaufen.

Seide, einfarbig, rosa, gelb oder grün – so hat sich Frau H. gewünscht. Unsre Wahl vfiel auf eine in der Farbe ganz herrliche Seide, marmoriert, Natur- und Kunstseide gemischt. Du! Nun hat das Mannerli gespitzt  und geguckt – und da hat es eine schöne Farbe gesehen – und hat sich ein feines Kleidel gedacht mit seinem Herzlieb drin – und da hat es doch gleich eins gekauft und hat den Faltenrock ganz vergessen. Aber ich denk schon noch an ihn. Kann doch mein Weiberl nicht nur in Blusen rumlaufen lassen! Du! Nun hab ich wieder was zum Auspacken, wenn ich auf Besuch komme. Ach Herzlieb! Uns zwei Männer packte doch die Kauflust - und wenn wir nur viel Geld gehabt hätten – Du!!! Nun sind wir ins Schuhgeschäft. Mußt wissen, Schuhfabriken gibt es hier nicht, sind alles handgearbeitete Schuhe. Das Leder ist auch hier knapp – die Auswahl ist beschränkt – 15 M! haben [sic] wir für ein paar [sic] Halbschuhe anlegen müssen. Nun sind wir ja zu unserem Bad gegangen. Die gute Badesitte lassen wir nicht wieder fallen – sie hilft uns auch die Wochen zählen. Vom Baden sind wir in unser Quartier gefahren – ein Schläfchen nach Tisch – nach dem Wecken gab es Kaffee und Kuchen: Kuchen aus H.s Päckchen. Nun haben wir uns in Wichs geworfen und sind losgeschlumpert in die Stadt. Ein ganz prachtvoller Sommertag war ja heute wieder. Etwas von dieser Sonne in ihrer verschwenderischen Fülle liegt auch auf den Menschen. Es ist eine gewisse Sorglosigkeit und Mühelosigkeit in allen Gesichtern. Wenn man bei uns durch die Straßen einer Großstadt geht, da sieht man so verschieden geprägte Gesichter – geprägt von Sorgen, vielen Gedanken, von den Beschwerden des Lebens überhaupt. Bunter, interessanter ist es bei uns – und eine gewisse Monotonie liegt über dem [Le]ben hier.

Und immer wieder wundert man sich über die tatenlos herumsitzenden Männer, junge und alte, die meisten an ihrer Kette spielend. Viele Männer sieht man mit solchen Perlenketten gehen. Sie haben keine Bedeutung, sind nur ein Spielzeug, Blitzableiter für die Nervosität vielleicht.

Einen Plan hatten wir nicht für unseren Bummel. So sind wir dann bei ΜΛΟKA [sic] = Floka, gelandet, weißt, das ist unser Kaffeehaus. 2 Gläser gekühlte Schokolade haben wir uns geleistet, eins für Dich, und eins für mich, ja? Du!! Unentschlossen sind wir weiter geschlendert, mal durch ein paar Straßen, die wir noch gar nicht gingen. Da entdeckten wir in einem Geschäft Sultaninen. Ich habe mich erkundigt. Es werden davon bald mehr auf dem Markt erscheinen!

Die Kinoreklamen haben wir uns beguckt: „Die Unwiderstehliche“, „Die Geliebte“, „Blumen von Nizza“ – mit Erna Sack, das lockte mich des Gesanges wegen. So sind wir nach langer Zeit wieder mal ins Kino gekommen. Die Handlung war unbedeutend und belanglos, war so gebaut, daß man die Sängerin ins rechte Licht setzen konnte. Sie gab dann auch ein paar glänzende Proben ihrer Virtuosität, daß man seine Freude daran haben konnte. Draußen hatte unterdessen der Mond die Sonne abgelöst. Frau Sonne huscht schon ¾ 8 ins Bettl. Aber eine unheimliche Wärme hat sie zurückgelassen und kein Lüftchen gingen, sie zu mindern. Soll ich ein paar von den schönen warmen Abenden mitbringen? Und den Mond? Ach der ist ja auch zu Hause. Und einmal, wenn ich bei Dir bin, ist er auch voll. Gucken wir mal zusammen hin, nach dem Oberfronaer Mond. Ach weißt, Herzlieb! ein Programm machen wir nur im groben. Und das liebste wäre mir ja, auf einem Fleck zu sitzen. Aber wenn es bei den Tagen so bleibt, dann müssen wir um die Geburtstage meiner Eltern ein [pa]ar Tage nach Kamenz fahren. Programmpunkt Nr.1 ist doch mein Herzensschatz ganz allein – früh und mittags und abends – und nachts ist’s finster, Du!!!

Schlafen müssen wir auch einmal, Du! Und wenn der Hubo gar nicht einschlafen will, muß mein Herzlieb ihn in Schlaf singen und wiegen. Ach, wenn wir zusammen schlafen gehen, werden es schon ein paar Stunden werden. Ach Du, Du!!! Wir dürfen doch dann wieder alles zusammen tun, Herzensschätzelein! Und rausstecken? – wirst den Hubo mal rausstecken? Ich weiß noch, wann Du ihn zum letzten Male rausgesteckt hast – sag mir’s mal! Du!!! Ist schon lange her. Aber das Weiberl tut schon recht daran – und das Mannerli ist ja überhaupt nicht neugierig, kein bissel! wie das Weiberl auch! ja? Du!!!!! Und wenn das nicht stimmt – dann ist eben das Mannerli mehr zur Neugier geschaffen – aber das stimmt dann!

Ach Herzlieb, Du! Ich schau doch im Geist schon das liebe, liebe Köpfchen, das ich ganz lieb umfassen will, mein!!! Ach Du, Du!!! Wang an Wange, Herzlieb!!! Das ist so lieb – dann weiß ich Dich ganz nahe bei mir – oh, ich muß Dich sooooooooooooo lieb haben, sooooooooooooo lieb!!!

Gott behüte Dich mir! Er schenke uns ein frohes Wiedersehen! Du! Ich freu['] mich ja so! Daß ich zu Dir kommen darf! Endlich! endlich!! wieder Dein Mannerli sein – Du mein tapferes, liebes, treues Weib! Oh Du!!! Du!!!!! Bewachst mir die Heimat, daß ich sooo froh und glücklich heimkehren kann – Oh Du!!! Ich liebe Dich!!!!! Du, mein liebes Weib!!!!! Dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946