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[OBF-410803-001-01]
Briefkorpus

Sonntagmorgen, den 3. Aug. 41

Schätzelein! Herzelein! Geliebte! Meine liebe [Hilde], Du!

Ganz leise hab ich mich in Dein Kämmerlein gestohlen – schläft doch noch, mein Herzensschatz. Nun sitz ich am Rande vom Bettlein und schau ihm zu, wie es schläft! Und das darf ich doch eigentlich nicht – und wenn es erwacht, wird mein Lieb mich bestrafen. Aber bevor er bestraft wird, da stiehlt der Dieb. Und jetzt bin ich der Dieb. Du!!! Du!!!!! Herzlieb! Ich muß Dich doch sooo liebhaben! Und jetzt könnt ich mir doch gleich ein Stückchen abbeißen vor Liebe – ach Du! lange könnt ich Dir nicht zuschauen beim Schlafen. Dann wollt ich es küssen, die Stirne, und wollt die Wänglein an den meinen fühlen, und wollt Dich am Näschen zupfen und am Kinnchen krabbeln – und dann wollt ich sehen, was das für ein Erdbeben ist; dort beim Herzelein – und sehen, zu wem das Beinchen gehört – und dann wollt ich wissen, um wen Du Deine Arme sooo lieb verschränkst – ach, und unterdessen wär es ja längst schon munter – und der Dieb ertappt: „ich wollt doch bloß sehen, ob Du schon munter bist.“ Herzlieb!

Viel Arbeit war gestern. Einer von meinen Schreibergehilfen fährt auf Ernteurlaub: Und nun war ich gestern abend ein bissel abgespannt, heiß war es noch am Abend im Zimmer. Wir haben auf dem Balkon gesessen. Haben uns erst unterhalten von unserem Leben hier. Haben diesmal die Seiten beleuchtet, die den Wunsch der Rückkehr in die Heimat, in die eigene Arbeit, besonders laut werden lassen. Sind dann still geworden vor dem Frieden des Abends. Die Silberbrücke des Mondes zitterte auf dem Wasser, es bewegte sich kaum, und Boote mit singenden Menschen waren noch unterwegs – und darüber sind wir beide eingenickt. Nun bin ich dafür heute früh bei meinem Herzlieb, Du! mit allen lieben Gedanken! Wieviele sind das? Oh Herzlieb! Viele, viele!!! Und so lebendig sind sie nun, da wir auf den Urlaub zählen können.

Geliebte! Daß ich wieder einmal bei Dir sein darf, Dir ganz nahe sein – ach, das wird doch das größte Erlebnis sein! Mein Liebstes schauen – und selig umschließen und bei mir fühlen – einssein mit Dir!!! Oh Geliebte!!!!! Soooviel Liebe und Zärtlichkeit, sooo [vie]l Glück und Freude wollen sich kundtun – soooviel war es noch nimmer! Ach Du! ich fühle es, ich habe Dich immer lieber gewonnen! Und das Bächlein meiner Liebe, so hat es noch gar nicht gedrängt – zu Dir! all zu Dir!! Du bist darüber sooo glücklich wie ich! Wie hast du mich nur so liebhaben können von Anbeginn! Du!!!!! !!!!! !!! Du! Mit 16 Jahren darf man doch noch gar nicht liebhaben! Du!!!!! !!!!! !!! das wird noch ein gerichtliches Nachspiel haben können! Du!!! Und ein so altes Mannerli dazu! Du! Aber scheiden lassen wir uns deshalb nicht mehr – und wenn wir bis zu den Eskimos ausreißen müssen – dort muß ich doch mein Weiberl immer wärmen! Fein!!! Du! Ich geb Dich gar nimmer heraus! Ich halte Dich gefangen, ich schließe Dich ein – mit meiner Liebe! Ach Herzlieb, ich schrieb Dir schon – ich spür ihn doch gar nimmer, den Altersunterschied – warum? Mein Weiberl ist doch so groß wie ich und beinah so breit und stark – und ist do[ch] so gescheit und so dumm wie ich – und hat doch das Herz so weit und den Sinn so grad und den Mut so jung – ach, weil wir eben so gut zusammen passen, Du!!! Du!!!!! Und weil es mein Herz erkennt und aufschließen kann wie kein anderes Weib – und nur Du kannst es mit der ganzen Eigenart Deiner Natur – so schwer ist das zu sagen – mit Deinem lieben Verstehen und der Herzhaftigkeit Deines Wesens – ach, mit Deinem Lieben, dem großen, starken, gläubigen, wundersamen – weil bei dem Klang Deines Herzens das meine mitschwingt – ach, wer wollte das Geheimnis unsrer Liebe erklären? – Du entdecktest es, Du fandest den Brunnen unsres Liebesglückes – aber vorhanden war er schon – und unterirdisch ist er schon geflossen der Strom der Liebe – und mein Herzlieb war der Wünschelrutenmann, der ihn fand. War doch ein Mannerli, das sein Herz zittern machte, das es aus seinen Kinderträumen weckte, das zum erstenmal der Liebe Lust und Schmerz es fühlen ließ, das seine Liebe erwachen ließ, diese große, tiefe, gläubige Liebe! Wer hat sie denn angezündet diese Liebe? Das Mannerli hat es doch kaum gespürt – und mein Herzlieb konnt sich doch gar nicht wehren dagegen: Die Liebe ist eine Himmelsmacht! Oh Herzlieb! Wie glücklich und dankbar halte ich die Himmelsblume ganz selig – zart umschlossen – Geschenk des Himmels, Deine Liebe!!! Du bist mein für dieses Erdenleben – und ich bin Dein! Oh Herzlieb, Du weißt, was Du mir bist: Haushälterin in meines Herzens Kammern; weißt, welchen Platz Du einnimmst in meinem Sinn: meines Herzens Königin, thront in meinem Herzen, und dieser Thron ist meine Liebe und Treue, und um ihn her dient aller Herzensseifer und alle Herzenskraft, und ihn schmücken die liebsten und heimlichsten Gedanken, und ihn trägt ein hoher, guter Wille. Oh Herzlieb, Du bist Ergänzung und Erfüllung meines Wesens, mein Weib, nach dem es in mir so heiß und tief verlangt, nach dem Weib, oh Geliebte!!! Du bist ein Stück von mir, mein bestes Teil, Geliebte!!! Und ich weiß und fühle es, wie glücklich Du bist darum; Haushälterin zu sein in meinem Herzens, als Königin darin zu thronen, wie glücklich Du bist, daß Dein Mannerli Dich in so hohe Ämter einsetzte, daß es so viel Liebe vom Weibe braucht, daß Du Deine große, reiche Liebe all betätigen kannst. Ach Herzlieb! Laß uns die Hände falten in Dankbarkeit zu Gott – er segne unser Glück!

Und heute werden wieder Deine lieben Boten kommen! 2 Tage blieben sie jetzt aus! Wirst doch ganz wohlauf sein! So Gott will, in 4 Wochen will ich bei Dir sein, will zu Dir kommen, ein Sonntagsbub! Du!!! Ach, und wenn er müde ist, dann läßt er sich liebhaben wie ein richtiges Büblein – dann darfst ihn herzen und küssen und füttern und baden. Aber wenn er munter ist – dann will er doch alles mitmachen – dann ist er doch ein richtiges Mannerli – und dann bist Du doch gar nicht sein Mütterlein, sondern sein liebes Weib, das soviel Gewalt über ihn hat – und dem es wieder Gewalt antun muß – muß Dich wiederherzen, und wiederküssen und wiederliebhaben – und wiederbaden? – Du! Das ist aber eine besondere Gunst – da muß das Mannerli ganz brav oder ganz unartig gewesen sein, ja? Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Mein liebes, teures Weib! Leben wird in der Kaserne und ob ich will oder nicht – ich muß mittun, muß Deine lieben Händlein jetzt lassen – aber in meinen Gedanken halte ich Dich noch ganz fest eine Weile – und in meinem Herzen wohnst Du ja immer! Da hör ich Dich schalten und walten und umgehen – oh, wie lieb, wie lieb!!! – ich bin nicht mehr allein, Du bist immer, immer bei mir!

Gott behüte Dich mir! Herzlieb, ich bin sooo froh und glücklich mit Dir!!! Du bist mein Ein und Alles!!!!! Du weißt es! Und bald, bald will ich es Dir zeigen – liebhaben wollen wir einander und miteinander leben! Du, mein Herzensschatz! Mein liebes Weib! Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946