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[OBF-410804-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 4. August 1941

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Endlich sind wieder zwei liebe Boten gekommen, die von Montag und Dienstag. 3 stehen also noch aus: die vom 23.[,] 26. und 27. Juli. Weißt, wenn ich denke, es könnte jemand unsre Post stehlen, bei Dir zu Haus, oder unterwegs, oder hier bei uns, da könnte mich eine mächtige Wut packen. Aber zunächst haben wir dafür keinerlei Anhaltspunkt und zu dieser Annahme gar keinen Grund – wir müssen warten. Nimm nur nicht mehr die geringen Umschläge, die kommen beschädigt hier an, meschantes Zeug – und schreibe meine Anschrift immer recht deutlich, auch die Feldpostnummer! Ja? Du!!! Und laß nun vorerst mal genug sein mit blauen [Geldscheinen] – Du! Meinst es zu gut jetzt. Wohin soll ich mit all dem Segen? Den Vorschlag K. habe ich doch auch gemacht – wieder mal gleichzeitig mit Dir? Ulkig, ulkig!

Herzlieb! Ich bekomme nun auch die Münchner Illustrierte. Sei viellieb bedankt für Deinen Dienst. Brauchst die Zeitung so handfest nicht zu verpacken, Kreuzband genügt. Habe doch einen weichherzigen Zensor zum Weiberl. Hast Dir mal die frechen Bilder angesehen, die hintendrauf immer sind? Weiß nicht, ob das Mannerli im umgekehrten Falle nicht strenger wäre. Aber die Illustrierten werden doch augenscheinlich nur für Männer gedruckt, und alle Frechheiten und Gewagtheiten werden den Frauen angedichtet. ‚Angedichtet‘ – hast ein gutes Mannerli, ja? Ach Du, wenn es nur bei Dir sein könnte, es wollt aber guuut sein! Kommt das Mannerli gar nicht so schlecht weg, wenn es seinem Weiberl gut sein darf, Du!!!!!

Ach Herzlieb! Nun will ich doch gar nicht weglaufen in der Woche – muß Dir doch das bissel Furcht vertreiben! Wie ich das mach? Vielleicht mit dem Fächer, mal sehen. „Mit mir kannst Du noch viel Schöneres machen als das!“ Ich will mal raten: Abtrocknen, Rosinen lesen, Kartoffeln schälen – aber das ist doch nicht schöner. „Mit mir - -“ das kann heißen unter Deiner Mitwirkung, in Deiner Gesellschaft – oder daß Du das leidende Objekt meines Machens sein willst: Ist wohl der Schnurrbart wieder mal recht lang gewachsen?! Oder soll ich den Kusselbaum schütteln, weil er so übervoll hängt, Du?!!!

Ach Herzlieb, Herzlieb!!!!!!!!!!!!! Weißt, das Mannerli zermartert sich den Kopf – ich laß mir's von Dir sagen, wenn ich bei Dir bin, ja? Du!!!!! Und 100 Kussel soll ich gutgeschrieben kriegen, weil mein herzliebes Weiberl so fleißig ist bei der Arbeit, weil es sooo lange stickt (Du! wenn ich bei Dir bin, darfst das nicht so lange, sonst fang ich an zu – ja Herzlieb, jetzt weiß ich gar nichts, womit ich dich langweilen könnte – fang ich an zu schlafen.) und wäscht, bis es todmüde ist, daß es nicht mehr schreiben kann? Nein, die 100 Kussel nehm ich nicht – aber das Weiberl kriegt 100 dafür – weißt, wir lassen sie nun beide stehen, ich 100 und Du 100, das sind eigentlich 200 – zum Kusseln müssen doch ohnehin zwei sein – zwei Mündel, oder ein Mündel und – ein Herzel! ja?!! Du!!!!!, oder ein Mündel und – ein Händel, ja?!!, oder ein Mündel und – weiter weiß ich nichts! Oh Herzlieb! 100 Kussel sind viel, meinst Du? Weißt noch, wie ich Dir in Lichtenhain einmal 13 gegeben habe – oh Herzlieb! Soviel Süßigkeit konnt doch Dein Mannerli damals noch gar nicht vertragen! Aber das kannst Du ja nicht wissen, das hast Du gar nicht gemerkt – oder hast es doch, schlaues Weiberl?! – und hätt ich ja damals nimmermehr zu sagen gewagt, Du!!! Du!!!!! Wer hat das Mannerli so verwöhnt mit Süßigkeiten? Wer hat es zum Naschen verleitet? Du!!!! Du!!!!!!!!!!!!! Kennst das Tiermärchen, in dem der naschhafte Bär sich sein Guscherl einklemmt im gespaltenen Baumstamm beim Honignaschen? – Hörst [e]s schon brummen, Dein Bärenmannerli? – brumm,!!! brumm!!! – fürchtest Dich noch nicht?: Ich suche, suche süßen Honig!!! Aber Dein Bärenmannerli ist gewarnt, vom Märchen und vom Weiberl selber: „ich tät ja etwas mit Dir anstellen heute!“: einklemmen laß ich mich nicht! Du!!!!!

Ich glaub, ich glaub, das Mannerli braucht bald mal einen Dämpfer.

Ach weißt, bei dem Worte denkt man so an Dampf – und davon könnte ich doch hier jetzt keinen gebrauchen. Es sind die heißesten Tage hier jetzt. Durst – und Schweiß, Durst und Schweiß, das ist der Refrain. Auch die Griechen schwitzen. Es ist nicht mehr feierlich – weißt, wir bleiben lieber in Deutschland, da ist es das Mannerli unentbehrlicher, und wenn es das ist, dann behältst es lieber! Magst mich auch sooo festhalten wie ich Dich? Magst mich auch gar nimmer fortlassen? Mäagst mich auch so närrisch liebhaben, wie ich Dich liebhaben muß? Du!!!!! Du!!!!! Geliebte!!! Du sagst es mir ja immer wieder – Du hast mich doch schon am allerliebsten vorn allen Menschen der ganzen Welt beschenkt – vor allen Menschen der ganzen Welt! – So kannst Du gar niemanden wiederbeschenken – solches Glück, wie das Englein es ausstreut kann nur einmal aufgehen im Leben! –

Geliebte! Du sagst es mir immer wieder – und hast es mir doch zuerst gesagt: wie Du mich liebst! wie Du mich liebst!!! – Herzlieb, daßs reißt mich aus aller grauen Einsamkeit – das weckt in mir allen Lebensmut und alle Lebensfreude – das lockt all  mein scheues Wesen und Liebhaben hervor aus Sicherungen und Verstecken – ach, das gibt doch meinem Leben erst Richtung und Sinn!

Wenn Du mich nicht mehr liebtest, Du mich nicht mehr liebtest – oh Du! dann fiele ich zurück in dunkle Nacht und Trübnis, in Einsamkeit, oh Geliebte, Geliebte, Geliebte, nicht mehr einsam sein!!!!!, dann fühlte ich mich verstoßen, ausgestoßen! Oh Herzlieb! Ich halte Dich lieb umfangen und ich hänge an Deinen lieben, guten Augen: Du hast mich lieb! Du hast mich sooo lieb!!! Mein Leben hängt daran, mein ganzes Glück!!! Daran, daß Du mich liebhast – Du liebes, junges Menschenkind! – Ach, Herzlieb! Ich zweifle doch nicht an Deiner Liebe, ich glaube daran ganz fest – ich will Dir doch nur sagen, wie fest ich Dich halte und wie sooo lieb und teuer Du mir bist! Ach Herzlieb! So hat auch das Mannerli ein Hingegebensein. Lieben und Geliebtwerden!!!!!

Behüte Dich Gott, mein liebes, treues Weib! Er führe uns recht bald zusammen und segne in Gnaden unser Wiedersehen!

Herzlieb! Wie gern ich zu Dir komme? – Das kann ich doch gar nicht sagen, Du!!!!! Du!!!!!!!!!!!!! Und lange darf ich bei Dir sein – aber es ist ja noch viel zu kurz! Ich bin so glücklich, weil Du mich liebst – und weil ich Dich liebhaben muß, sooooooooooooo lieb! Du!!!

Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946