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[OBF-410805-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 5. August 1941

Mein liebes, liebes Herzelein! Geliebte, Du!!!!!

Wehtun, das will ich Dir doch überhaupt nicht! Ich will Dich doch nur ganz sehr liebhaben! Und nun habe ich Dir doch wehgetan. Leid ist es mir darum, Du! Herzlieb!!!!! Habe ich Deiner Liebe mißtraut? Geliebte! Nein! Du!!!!! Wir haben uns mißverstanden in dieser Abschiedsstunde, weil soviel Fremdes um uns war. Ich habe Deinen Schmerz nicht empfunden! Und Du? – Ach Herzlieb, meine Augen und mein Herz haben Dich so gebeten, ganz bei mir zu sein – So ist unsre Liebe, Du!!!: sie scheut die zudringlichen Blicke fremder Menschen – und beredt wird sie doch nur, wenn Du und ich ganz allein sind – ganz allein!!

Wenn wir an all die vielen Abschiedsstunden denken, Geliebte, eng wird das Herz und bang, weil alles in ihnen sich zusammendrängt: Erinnerung an alle glücklichen Stunden, Vorahnung der Leere, des Alleinseins und schmerzlichen Sehnens; alle Liebe! und leises Bangen um den Besitz der Geliebten – und dazu das schmerzliche unerbittliche Rinnen der Sekunden. So, wenn wir allein sind. Vor Fremden aber dazu die Scheu, zu zeigen, wie uns ums Herze ist. Herzlieb! Ein paarmal haben wir uns zu einem ganz tapferen, fröhlichen Abschied durchgerungen. Und fröhlich kann er doch nur sein, wenn wir Gottes Beistand recht froh gewiß sind. Das ist nicht immer.

Ich habe stets mit leisem Grausen an solchen Abschied auf dem Bahnhof gedacht, Soldatenabschied, wie ich ihn des öfteren beobachten konnte. Und habe mir vorgenommen, daß es so zwischen uns einmal nicht sein dürfte. Abschiednehmen wollen wir doch ganz allein – zu Hause schon. Aber zu Hause sollst Du deshalb nicht bleiben – und Du möchtest es nicht – und ich würde Dich doch bitten, mich zu begleiten, ach, recht weit, und wenn ich nur noch Deinen Herzschlag neben mir spüre und Deine liebe Hand in der meinen fühlte! Geliebte!!

Herzlieb! Dein Wunsch nach dem Alleinsein ist doch auch mein Wunsch! Er ist nur nicht so leicht zu erfüllen. Wir wollen noch gar nicht wieder an den Abschied denken – aber das nächste Mal, da sind die Sachen vom Mannerli rechtzeitig gepackt – und dann ziehen wir uns ein Stündchen zurück, Herzlieb, und halten miteinander liebste Zwiesprache, ja? Du!!! Du!!!!!

Aber jetzt wollen wir doch erst einmal an das Wiedersehen denken! Die kleine Unregelmäßigkeit bei der Post hat mich doch richtig durcheinandergebracht. Ich mein, Du müßtest schon den Boten haben, in dem ich davon schreibe, daß es 21 Tage Urlaub gibt, daß ich schon am 15. zu kommen gedenke. Letztere Nachricht ist unterdessen schon wieder überholt. Man soll der Frau gar nichts schreiben vom Urlaub vorher, meinen manche Kameraden, eben, um sie vor Enttäuschungen zu bewahren. Aber das mag ich doch nicht. Und ich weiß, Du nimmst alles richtig auf, und eine richtige Urlaubsenttäuschung könnte doch nur durch höhere Gewalt oder ganz unvorhergesehene Ereignisse eintreten – sonst doch nur durch Verschiebungen, die sich in einem ganz bestimmten Rahmen bewegen, im Rahmen des Rechtsanspruches, den Dein Mannerli nicht aus den Augen läßt.

Ist es nicht fein, daß wir 3 Wochen miteinander sollen erleben dürfen? Du!! Du!!!!! Ach, nun ist doch auch die Einteilung viel leichter – die Deine ist doch auch ganz in meinem Sinne. Ich habe schon daran gedacht, daß wir nun einen Aufenthalt in Lichtenhain nehmen könnten. Aber schöner ist es doch, der Urlaub verläuft äußerlich so richtig wie möglich – und wir können über jeden Tag nach Herzenslust verfügen. Will`s Gott, bin ich am Montag, den 31. Aug. bei Dir! Dann könnten wir eine lange Reihe Tage vor uns haben, die wir gar nicht zu zählen brauchen, in denen ich wieder richtig heimisch werden und mich in die heimatliche Ordnung einspinnen lassen könnte – Mittwoch, den 10. September würden wir dann nach Kamenz fahren auf 8 Tage – am 15. u. 17. September ist doch Geburtstag dort! – Donnerstag, den 18. führen wir zurück – und dann bin ich noch drei Tage für mein Herzlieb da! Für mein Herzlieb bin ich doch dann überhaupt immer da, alle Tage – und all die vielen heimlichen Stunden in der Nacht – all bei Dir, Geliebte! Oh Herzlieb!!!!! Und wenn uns die anderen Lieben zu viel sind einmal, dann sind wir sooo müde und gehen schon um 7 in unser Bettlein – und schlafen, schlafen!! Ja? Du!!!!! !!!!! !!! Ach Du! Wenn wir beide zusammen sind, da gibt es doch viel Schöneres als schlafen – Du!!!!! Du !!!!! !!!!! !!! Und in meiner Königin Schloß, da gibt es doch auch traute Stunden bei Tage, wenn wir ganz munter sind wie die Fischlein – ganz fest zu schließen wir die Tür dann – und dann kann klingeln wer will, und wäre es der Glücksmann mit einem Gewinn von 100000, – er muß draußen bleiben, größeres Glück als unser Einssein kann er nicht bringen!

Oh Herzlieb! Wie ich mich freue! Wie ich mich sehne! Gott schenke unserem Wunsche Erfüllung! Bei Dir sein! Das ist doch mein ganzes, großes Verlangen! Nichts anderes bewegt mich! Gt Kein andrer Wunsch vermöchte so große Freude in mir anzuzünden. Oh Herzlieb! Mein liebes, teures Weib!!! Eine Wunderkraft ist unsre Liebe: so stark und sicher und mächtig drängt alles mich zu Dir, Geliebte!!! Nichts vermöchte mich abzubringen von Dir geliebtem Wesen – nichts tauschte ich ein gegen das Heimglück unsrer Liebe – nie und nimmer kann ich von Dir lassen, nie und nimmer Dich vergessen – lieben, lieben muß ich Dich, Du!!! und ein Ganzes nur kann unsre Liebe sein!!!

Im Briefe kann mein Herzlieb doch sehr streng sein manchmal, mehr beinahe, als ich ihm zutraue: „Da wäre unsre Haustür für Dich für immer geschlossen, Du!“ Ach Herzlieb, im Ernst: darin sind wir beide uns doch ganz gleich, daß wir einander sooo ganz sehr liebhaben, daß diese Liebe uns ganz erfüllen kann – daß ein Bruch des Vertrauens aber, auf dem sie erblühte, die hohe Liebe zutiefst erschüttern müßte. Die Treue ist unsrer Liebe Unterpfand. Und deshalb kann unsre Liebe auch nur so hold erblühen, weil wir ihren Bezirk rein und heilig halten, weil sie uns etwas ganz Hohes, Kostbares bedeutet, ein Garten, in dem wir unser Bestes pflanzen und hegen, wie wir sie hoch hinaus über alle Lauheit und Gleichgültigkeit erheben möchten, weil wir Gott selber zu Dank und Ehre sie weihen möchten!

Ach Geliebte! Nicht anders mag ich unsre Liebe! Was könnte köstlicher sein, als ihr zu dienen mit allem Eifer, aller Leidenschaft, aller Herzenskraft?!!!

Warum schmieden nicht alle Menschen an solchem Glück?

Ach Herzlieb! Nun sollen wir seiner bald wieder einmal recht inne werden [sic]. Du! Ich werde wieder nur auf Besuch kommen können – wie die Mannerli zu allermeist jetzt – aber es wird doch ein langer Besuch sein, so lang, daß wir ganz zueinander finden werden, daß wir ganz zu Haus beieinander sind – und wir wollen nur Gott recht dankbar sein für seine große Gnade. Die harte Zeit jetzt macht uns doppelt bewußt, wie doch alles ein großes Geschenk Gottes ist.

Herzlieb! Wir werden wieder ganz zu Haus sein beieinander!!! Du! Geliebte! Ich werde an Deiner Seite gehen dürfen, Dir zuallernächst [sic]! Und wir werden alle Stunden umeinander sein – werden für einige Zeit miteinander leben! Du!!! Und mein Wesen wird sich ganz lösen in Deiner holden Nähe, daß Du es aufnimmst, und daß es das Deine aufnimmt in innigem Verschmelzen. Wir werden miteinander leben! Oh, so ganz nahe können wir einander sein! So nah und vertraut wie noch mit keinem Menschen sonst! Glücklichste Lebenskameradschaft! Oh Geliebte!!! Wie reich wurde ich beschenkt mit Deiner Liebe! Daß ich in Deinem Herzen wohnen darf, daß Du mich aufnimmst in m Dein Herzkämmerlein! Ach, daß wir füreinander so aufgeschlossen sind!

Werden wir all unsre lieben Wege gehen?

Wenn ich mein Rad dahätte [sic], könnten wir auch mal ein Stück davonbrausen! Oh Herzlieb! Wie freu ich mich! Und schönes Wetter wollen wir uns bestellen! Ach, und manches neue wird das Mannerli doch kennen lernen: ein neues Kleidel! und den Liegestuhl, wieviel passen da rein? – eine Person, dann ist es gut!!! und ein Buch hat mir mein liebes Weiberl doch geschenkt! Oh Herzlieb! Langeweile? Du!!! Du!!!!! Werden wir wohl nicht drüber zu klagen haben!

Mein liebes, liebstes Schätzelein! Ich bin Dir sooooo sooo gut! Tut Dir`s noch weh – irgendwo? Du!!!!! Ich komm gleich selber und will Dir alles Weh vertreiben – will blasen wie bei den Kindlein. Und wenn das nicht hilft bei meinem großen [Hilde]lieb – ja, da hab ich noch andre Mittel: will Dich herzen! Will Dich küssen, will lieb Dich streicheln – und will Dich liebhaben, ganz, ganz liebhaben – Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Du, meine [Hilde]!

Ich bin so froh und glücklich – von Dir kommt all das Frohsein und Glücklichsein – Freudensonne, Glücksbringer Du!

Ich muß Deine lieben Hände jetzt lassen, Du!

Ich liebe, liebe Dich, sooooooooooooo sehr!

Du mein Herzlieb! Mein liebes treues Weib!!!

Meine [Hilde] Du! Bald werd ich bei Dir sein! Und dann will ich ganz ganz Dein sein!

Oh Geliebte!!!

Gott behüte Dich mir.

Ich bleibe in ewiger Liebe und Treue

Dein [Roland]

und Hubo, und Dickerle – und Mannerli – Du!!

mein süßes, herzliebes Weiberl!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946