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[OBF-410810-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 9. Aug. 1941

Herzliebes Schätzelein! Mein liebes, teures Herz!

Ätsch! Ätsch! Siehst, so triumphiert Dein Mannerli heute! Warum? Ja, warum! Weil es nun schwarz auf Weiß [sic] hat, was er erst nur schwarz in Schwarz [sic] hatte. Noch nicht erraten? Die verwackelten Negative hat Dein Mannerli abziehen lassen. Hast Dir das gedacht? Dürft ich doch nicht Dein Hubo sein und Dich so lieb haben und so neugierig sein in allem, was meinen Herzensschatz angeht! Ach Herzlieb, geliebte Mein!!! In jeder Uhr ist ein Teil, der unmittelbar mit der Feder in Verbindung steht und die Zahnräder taktmäßig weitertreibt, genannt Unrast oder Unruhe.

Herzlieb! Du bist meine Unruhe, die alles in Gang hält, von der alle Impulse kommen. Wie habe ich nur vorher leben können ohne Dich? Und alle Unruhe des Herzens, Freude, Lust und Leid und Liebe, sie kommt von Dir und zielt nach Dir. All mein Sehnen und Verlangen geht so gerade und eindeutig und ausschließlich nur zu Dir! zu Dir!!!!! Des[sen] sollst Du mit mir ganz froh sein: Ich bin ganz Dein! Du hältst all mein Sinnen und Trachten gefangen! Ich kann Dich sooo ganz liebhaben. Oh Du! So sicher gebettet und geleitet ist der Strom meiner Liebe! Du gebietest so ganz allein über mein Herz! Oh Herzlieb! Dein Blick, Dein Bild, Dein Wesen – sie wecken all mein Sehnen übermächtig – nur Dein Blick, Dein Bild, Dein Wesen. Und meine Augen, meine Gedanken, mein Sehnen – sie suchen nur Dich! Dich ganz allein!!!!! Herzlieb! Geliebte! Weil wir uns sooo sehr liebhaben! Und weil Du mich sooo liebhast! Oh Du! Mein ganzer Sonnenschein! Mein Leben! Und so ist es Daheim – so ist es hier in der Fremde noch deutlicher. Du! Dich laß ich nimmermehr!!!!! Dich tauscht ich nimmermehr ein – weil ich auf der ganzen weiten Welt kein solches Schätzelein wiederfinde – und weil ich überhaupt nicht tausche – und weil Du überhaupt nicht von mir gehen magst. Oh Herzlieb! Siehst Du, wie froh und glücklich ich bin? Wie ich es Dir zeigen möchte, mein liebes Weib?!!! Du hast ein Mannerli ganz ganz glücklich gemacht auf dieser Welt mit Deiner Liebe! Und glücklich bin ich doch nur darum ganz, weil Du mir sagst und ich es fühle, daß Du ganz glücklich bist. Man kann doch die rechte Liebe gar nicht auseinander nehmen! Mein Glück ist Dein Glück, Dein Glück ist mein Glück. Oh Herzlieb, der Amor hat uns doch beide sooo tief ins Herz getroffen – Du bist mein Amor – und ich bin Deiner!!!

Ach Du! Wie lange habe ich die Sehnsucht im Herzen getragen, so lieben zu dürfen! – so eigensinnig und hingegeben an eine Sache und gründlich, wie ich nun liebe, so hast Du, mein Herzlieb, mich ja schon kennengelernt, ehe ich Dich erkannte. Du, ich will mich nicht loben, ich male mich bloß ab, um Dir zu sagen, daß meine Liebe zu Dir in meinem Wesen tief verankert ist (eigensinnig und gründlich und hingegeben sein ist ja in vieler Augen gar kein Vorzug!), bei denen, deren Wesen eben gerade anders gerichtet ist.) [sic]. Und mein Herzlieb, das kenn ich ja nun noch gar nicht so lange, hat auch noch gar keine so lange Lebensgeschichte, weil es noch so jung ist? (Du! Wenn ich wieder bei Dir bin, mußt mir wieder einmal von Dir erzählen.). Wen hat es denn früher schon so ans Herz geschlossen, so fest, eh es seinen Hubo hatte? Geliebte!!! Oh Du!!! Ich brauche keinen Beweis für die Größe und Tiefe Deiner Liebe – Du!!! Du!!!!! Das Glück unsrer Liebe ist Beweis genug. Unsre Liebe, sie ist in den 3 Jahren unsres gemeinsamen Weges Schritt um Schritt inniger und tiefer geworden, sie ist nicht einmal ernstlich erschüttert worden – aber sie hält und blüht über alle Ferne! Du!!! Du!!!!! Und ich spüre die Kraft Deiner starken Liebe – sie [h]ält mich – und bannt mich – und tröstet und beglückt – und erfüllt mich so ganz!!!

Nun ist schon wieder Sonnabend, Herzlieb! Und so Gott will, ist Dein [Roland] schon auf schnellstem Wege zur Heimat in 3 Wochen – und mein Schätzelein? Sitzt womöglich auch schon reisefertig auf dem Bahnhof? Willst mir denn entgegenkommen, so in Nacht und Nebel? Du, bloß, wenn Du Lust hast und Dich ganz wohlfühlst, hörst mich, Du?!!! Und fein aufpassen auf den dunklen Bahnhöfen! Du! Laß Dich nicht mitnehmen! Ganz laut schreien! Ja? Du!!! Ach Herzlieb! Ich bin Dir ganz ganz ganz genausogut [sic], wenn Du mich zuhause erwartest! Tu nur ganz, wie Dir ums Herze ist! Näher und näher rückt der Urlaub. Am Donnerstag muß Kamerad K. wiedereintreffen – und zu dritt werden die restlichen 14 Tage wie im Fluge vergehen. Kamerad H. wird erst Anfang September wegkommen, der Ärmste, muß am längsten warten, er war über Weihnachten zum letzen Male zu Hause.

Von allen Seiten höre ich, daß mein Herzensschnecklein ganz aus dem Häusel ist, heut schreibt es mir Mutter aus Kamenz. Ach Du! Kannst es nur von mir selber vernehmen, daß auch Dein Mannerli so aus dem Häusel ist – ganz bei sich und heimlich! Nun können wir uns doch wenigstens sehen und finden – wir beiden Schnecklein – und wenn ich Dich gefunden hab, da laß ich gleich mein Häusel stehen und bitt ganz fein mit meinem Sprüchlein: „Herzlieb mein, laß mich herein!“ Und dann? Dann läßt mich mich mein Herzlieb ein und wir kriechen zusammen in Dein Häuslein – uh, Du!! Du!! wird das da eng und lieb und traut und warm sein, zu zweit in einem Schneckenhäuslein, Du!!!!! Da können nur zweie [sic] Platz drin finden, die ganz genau zusammenpassen, und sich vertragen und nahe sein können und ganz liebhaben – wie Du und ich!!!

Onkel M. weilt etwa auf 3 Wochen zu Besuch in Kamenz, behilft sich ganz selbst, lebt ganz regelmäßig seinen Tag, ein lieber Mensch bis in sein hohes Alter! Ach Herzlieb! Mit Dir will ich gerne auch so alt werden!!! Er hütet jetzt das Kinderzimmer – und bald, bald – wird es uns gehören – Du!!! Du!!!!! Ganz allein zum ersten, allerersten Male in Kamenz!!! Du!! Du!!!!! Hoffentlich!!!

Ach, nun freu ich mich doch auch ganz sehr auf Kamenz!

Ach, auf all[e,] wo wir auch sind, wenn Du nur bei mir bist – und wenn wir nur auch einmal alleinsein [sic] können!

Und Du, Geliebte, hast ganz den nämlichen Wunsch! Ach gewiß, unsre Liebe ist noch so eng und eigennützig – Du, Geliebte, wir sind doch auch noch sooo junge Liebsleute [sic] –  müssen einander noch sooo oft zeigen, wie lieb wir uns haben – und dazu müssen wir doch ganz allein sein – und Vater und Mutter und Verwandte und Freunde müssen hintanstehen – und unsre Lieben verstehen das so gut – und die es gar nicht verstehen können – müssen wir eben draufdrücken [sic] und hinaussperren.

So, jetzt habe ich aber einen großen Punkt gesetzt, könnt beinah ein Kussel bedeuten. Wenn wir uns davon welche schicken könnten! Aber dann wäre es nur noch ärgerlicher, wenn die Briefe geöffnet würden.

Mein liebes, liebes Schätzelein! Sonntagmorgen ist, da ich meinem Boten die letzten Instruktionen erteile (oh wie furchtbar klingt das!) – gestern abend überfiel mich die Müdigkeit, ich legte die Feder beiseite und nahm mir noch ein paar Deiner lieben Briefe vor. Das will ich jetzt jeden Abend so halten – oh Geliebte! Du mein einziges, liebstes Weib!!!!! Und nun scheint der liebe Sonntagmorgen in die Stube. Gestern erlebten wir seit langem den Anblick eines wolkenbedeckten Himmels (seit 5 Tagen ist auch die große Hitze gewichen), schwül war es am Nachmittag, und in den Abendstunden entlud es sich in der Umgebung, wir bekamen nur einen schönen Gewitterregen, der in seinem gleichmäßigen Rauschen so heimatlich anmutete. Obwohl ich doch nun so müde war, habe ich unruhig geschlafen, war des öfteren munter, habe wirres Zeug geträumt, dann wieder wach gelegen und Dein so lieb und süß denken müssen! Du!!! Bald geht es auf 9 Uhr! Und in drei Wochen – in drei Wochen – das ist doch mein liebster Gedanke – da darf ich mein Herzensschätzelein vielleicht schon richtig küssen! Du!!! Du!!!!!!

Gott im Himmel schenke uns in Gnaden ein frohes Wiedersehen!

Und heute kommt doch der Bote von meinem Schätzel wieder. Gestern blieb er aus, weil Du noch in Glauchau warst. Ach Du! Ich bin doch ganz geduldig, wenn ich weiß, warum er ausbleibt, der Bote. Und böse? – Böse sein kann ich Dir doch überhaupt nicht – nein das kann ich nicht – das sollst Du für immer wissen, Geliebte! Weil Du mich in Wahrheit auch nie betrügen kannst und wirst. Herzlieb! Und ich bin doch immer bei Dir – und Du nimmst mich doch immer mit überallhin! Geliebte! Ich darf Dir am allernächsten sein!!! Und Du bist mir am allernächsten!!! Ich wohn doch in Deinem Herzelein! Und das Herzelein, Deines Du!!!, das sichtbare auch, das lieb ich doch sooooo sehr und ganz närrisch! Bist mir bös darum? Du!!!!! Oder eifersüchtig? Du!!! Du!!!!!

Oh Herzlieb! Du!! Du!!!

Nun beginnt der Dienst! Ach heut ist er nicht streng und lange und es liegt nicht viel an – und ich werd an mein Herzlieb denken können dabei – und ich werd vorarbeiten ein bissel auf den Urlaub hin, der wird mir die Arbeit ein wenig lieb machen.

Nun leb wohl, Herzlieb!

Gott behüte Dich mir! Er segne unseren Bund! Ich bin so froh und glücklich mit Dir! Und Du sollst es auch sein! In wenigen Stunden fasse ich Deine Hand wieder ganz lieb und fest!

Du! Ich habe Dich sooo sooooooooooooo lieb!

Und ich möchte ich Dich küssen und herzen und ganz liebhaben!!! Ich bin ganz Dein!

Dein Mannerli! Ach wohl das glücklichste und reichste auf der ganzen Welt mit Dir!!! mit Dir!!!!! !!!!! !!!

Dein [Roland] – meine [Hilde] u. [Hildi]!!!!!

Viel liebe Grüße den lieben Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946