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[OBF-410810-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 10. August 1941.

Geliebtes Herzelein! Du!! Herzlieb! Mein lieber, guter [Roland]!

Es ist Sonntagnachmittag, wir sind fertig mit unsrer Hausarbeit – haben gut zu Mittag gegessen – nun schläft der Vater, die Mutter sitzt an der Nähmaschine und richtet sich für morgen einen frischen Arbeitsstaat zusammen. Ich hätte ja auch zu nähen und zu flicken und zu stopfen und zu waschen und zu plätten ach – was weiß ich noch! Aber – ich sage mir: wenn Du alles auf einmal machst, dann werden Dir die letzten Tage des Wartens zur Ewigkeit, ohne Arbeit! Ich teile mir's halt so ein, daß es nicht zu viel auf einmal wird und auch nicht zu wenig!! Und zuallererst muß ich doch jetzt mit meinem Herzlieb reden, am Sonntag! Was wirst Du denn eben treiben? Schlafen, denke ich; denn jetzt, um die Mittagsstunde ist's ja am heißesten bei Euch. Ach, da muß ich doch ganz leise sein! Daß ich Dich nicht aufwecke! Ja? Du!!! Aber ich kann mir's nicht verzwingen Dir einen lieben Kuß zu geben – ganz leise Du!!!!!

Herzallerliebster. Ich war heute morgen um 700 [Uhr] schon wach, habe schön fest geschlafen; aber geträumt hab ich doch wieder von Dir. Wir waren miteinander auf einem Felde, es wogte von reifem Korn – zwischen den Feldern lief ein Wiesenrain und darauf hatten wir uns niedergelassen. Es war so schön! Und sommerlich warm die Luft, ich spüre es jetzt noch. Du und ich, wir waren ganz ruhig – ganz still, und doch so ganz sehr erfüllt voneinander und so recht von Herzen glücklich. Du! So wie wir es sind, wenn wir umeinander sind Geliebter! Wenn uns die Nähe des ander[e]n schon so glücklich stimmt und selig-froh, auch wenn uns kein Gedanke an sinnliche Liebe kommt. Ach Du! Sinnliche Liebe, was man in gemeinen unter diesen zwei Worten versteht und sich vorstellt – davon kann zwischen uns nicht die Rede sein – denn so, aus solch niederem Antrieb verlangt es uns nicht nacheinander! O nein! Es ist in uns ein ganz übermächtiges Gefühl des Schenkenwollens, des Glücklichmachens – des Sichhingebens – ach Du!!!![!!!]!!! Nur Du und ich wissen, was in uns vorgeht, wenn das Verlangen nach dem Seligsten in uns groß wird. Und weil wir beide so genau voneinander wissen, was uns in dieser Stunde zueinander treibt, darum sind wir auch so ganz bereit, uns einander zuzuneigen, ohne Widerstreben – ganz erfüllt vom Glück des seligen Einsseins, des glücklichen Einandergehörens! Du!!! Ich könnte mich wohl nie mehr so selig-froh verschenken, wie ich mich Dir verschenke, Geliebter! Weil ich Dich ganz unsagbar lieb habe! Ganz unsagbar lie[b]!!! Und solches Lieben gibt es nur einmal im Leben!

Oh wie bin ich doch überglücklich, daß mein Herz sich gerade Dir zuneigte – keinem als Dir hätte es sich so ganz voll Vertrauen aufgetan. Du nur bist mein ganzes Glück! Du! Du allein, Geliebter!!! So lieb, so traut, so einzig schön hätte das Liebesglück nie und nimmer erblühen können mit einem anderen Menschen, der mich wohl liebte, dem aber ich nicht zugetan war – weil Du mein Herz gewonnen hattest, noch ehe Du darum wußtest! Geliebter! Herzlieb! So ist die Liebe: mächtig, zielbewußt, stark, treu, unwandelbar – allem zum Trotz bewährt sie sich auch in trübsten Tagen. Und wie ein heiliges Feuer muß sie uns durchglühen, wenn wir sie so fühlen; die Liebe, dann wissen wir,: es ist wahre, echte Liebe – Liebe von Herzen.

Geliebter! Wir haben beide dieses Wunder erlebt an uns – wir stehen noch mitten drin! Und so lange nur Leben in uns ist werden wir unsrer Liebe leben! Ich bekenne es froh! So froh! Weil ich weiß, daß es auch Dein einziger Wunsch ist. Du!! Wir wollen den Herrgott bitten, daß er unserem großen Glücke gnädig ist, daß er es lenkt durch alle Fährniß dieser bösen, grausamen Zeit – oh, daß Du mir wiederkehrst aus diesem schlimmen Kriege, das ist der Wunsch, der heißeste, der über allem steht! Ich will nie müde werden um Dein Leben zu beten, Du! Heute in der Kirche gab es so viel Herzeleid, 3 Gefallene wurden abgekündigt. Du wirst außer Fleischermeister K.'s Sohn keinen kennen. Ich habe so weinen müssen, ich konnte nicht mitsingen. Es war so ergreifend, wie unser Pfarrer sprach. Ach Geliebter! Wenn wir nicht Gottes Hand über uns fühlten, gewiß und beruhigend, dann wäre dieses ganze Leben jetzt zum Verzweifeln! Ein Leben, in Gottes Namen führen, das ist große Gnade, soviel Beruhigung für einen schwachen, sündigen Menschen. Ich kann nicht begreifen, wer unter uns auch jetzt noch ungläubig und gottlos ist! Gott ist uns ja so unverkennbar nahe in dieser Zeit! Er spricht eine so deutliche Sprache zu uns in diesen Tagen, das kann kein wacher Mensch ableugnen! Nicht auszudenken, wäre die Gefahr aus dem Osten über uns hereingebrochen! Und man kann es nicht anders deuten, als daß Gott uns in unserm Volke einen Mann erstehen ließ, der das deutsche Schicksal wenden soll. Viel, viel Herzeleid bricht über uns herein durch diesen harten Kampf. Aber, kein Opfer ist umsonst gebracht! Ich glaube daran! All die Tapferen, die ihr Leben gaben für uns, es sind die Wegbereiter einer neuen, besseren Zeit! Uns, die wir daheim warten müssen, uns bleibt ja nichts als der Glaube an das Gute, der Glaube an die Stärke und Unbesiegbarkeit unsrer Armeen – die Hoffnung auf den Sieg! Die Hoffnung auf ein glückliches Ende! Und der Glaube an Gottes gütigen Beistand! Und daran halten wir so fest, soo fest! Geliebter! Ein jeder hofft und bangt um sein Liebstes. Wie ist es wohl anders möglich. Und allein im Vertrauen auf Gott finden wir immer wieder die Kraft dazu.–

Mein Herzensschatz! Heute kam dein lieber Bote vom Mittwoch bei mir an! Oh Du! Wieviel Sonne und Glück strahlen mir daraus entgegen! Ich bin sooo tief beglückt, mein liebes, liebes Schätzelein!!!!! Ich habe ihn schon einige Male gelesen und es ist [b]estimmt noch nicht das letzte Mal, daß ich Deinen lieben Boten in Händen habe heute, Du!!!!!

Ach, ich denke eben daran, daß Du wirst heute keinen Brief von mir bekommen und auch morgen nicht. Vor 8 Tagen waren wir ja in Glauchau, da kam ich nicht zum Schreiben. Du bist mir doch hoffentlich nicht böse darum Du? Herzlieb mein! Du!! An Dich gedacht habe ich doch immer! Du weißt es auch! Du!! Ich kann ja garnicht mehr anders!

Mittwoch war, der 6. August, da kamen endlich meine Nachzügler an! Und nun habe ich Dir doch so viel Freude bereitet! Es war ein Festtag für Dich mitten in der Woche! Nun bin ich doch selbst auch froh darum, Du!!! Und ich gefalle Dir auch als Nackfröschlein? Dann werde ich Dir schon mal einen Tag Gesellschaft leisten im Evchenkostüm!

Muß ich Dir mal eine Geschichte erzählen: Sonnabend war – ich saß oben und schrieb Dir, klingelt es (es war gegen 300 [Uhr]) ich springe auf und laufe nach unten. Als ich nun an der Haustür bin ziemlich [sic] und schon ausluge durch's Fenster, wer da ist, sehe ich eine Mannsgestalt! Im Moment fahre ich zurück und sage laut: „Ich komme eben wieder, einen Augenblick bitte!“ Kommt es lachend zurück: „Geh, mach nur keinen Kram Mädel, ich habe schon wo nackte Mädchen gesehn!“ Ich habe schnell den Mantel übergeworfen und bin nochmal runter: es war unser Blockwart mit den Lebensmittelkarten, da muß ich doch quittieren. Er hat so sehr gelacht, weil ich so verschämt war und wenn ich ihn jetzt manchmal treffe, lacht er immer noch! So ein Dussel! Ob der denkt, ich präsentiere mich ihm im Strandkostüm! Sowas sei ihm noch nicht vorgekommen meint er, sowas von Schamhaftigkeit! Es war auch leichtsinnig von mir, so runterzurennen. Aber wer denkt denn an einen fremden Mann! Und an so heißen Tagen, da liefen alle sehr bloß umher. Es hat ja auch nichts Schlimmes rausgeguckt an mir – aber immerhin! Nochmal passiert mir sowas nicht! Du!!!

Herzlieb! Wenn ich als Dein Weibel dann richtig bei Dir wohne, da darfst mich garnicht rauslassen, wenn ich [mich] mal so luftig mache – ja? Du mußt mich gleich einschließen, wenn ich mal so frei angezogen bin und es klingelt grade bei uns!! Du! Das wirst auch tun, ohne daß ich es Dir sage, ja? Du!!! Du!!!!!

Ach Geliebter! Dein Bote ist voller Glück und Seligkeit! So voller Liebe und Sehnsucht! Ach Du!! Nur noch zweimal Sonntag muß sein und dann bist Du bei mir! Bei mir!!! Du!!!

Ach Herzensschätzelein! Geliebter mein! Ich kann's ja garnicht in Worte fassen, was mich bewegt: Du kommst zu mir!

Unsagbares Glück verschließt mir den Mund! Ich muß bei Dir sein! Du sollst es aus meinen Augen lesen wie glücklich ich bin! Oh Du! Du! Sooo heiß habe ich Dich wohl noch nie zuvor herbeigesehnt, wie jetzt! Geliebter mein! Welch Glück! Welche Wonne! Bist Du bei mir!

Ach Herzensschatz! Du hast so lieb Rat gefunden in unsrer übergroßen Freude zur Ruhe zu kommen: „In Gottes Hände sei Anfang und Ende, sei alles gelegt.["] Gott schenke uns in Gnaden ein frohes, glückliches Wiedersehen! Du!!

Ich freue mich auf Dich! Ich liebe Dich! Du!!!!! Mein Herzlieb! Mein [Roland]! Geliebter! Du!!! Ich bin Dir sooooo gut! Sooo sehr gut! Für heute sei ganz lieb und zärtlich geküßt!! Ich bin und bleibe in Liebe und Treue ganz

Deine [Hilde] Dein!! Dein!!

Du! Der Herrgott schütze und behüte Dich mir!

Viele liebe Grüße von Mutsch und Papa! Sie möchten jetzt einen guten Bohnenkaffee trinken!! Gibts bei Dir welchen?

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946