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[OBF-410812-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 11. August 1941

Mein liebes, teures Herz! Herzallerliebstes Schätzelein!

Eigentlich ist Dienstag, da ich schreibe, aber ich schreibe den Montagbrief! Dein Hubo wurde gestern abend von so großer Müdigkeit befallen, daß er schon um 9 Uhr ins Bettlein gekrochen ist. Nun ist er fein ausgeschlafen. Er hat doch gestern deshalb genauso lieb immer Dein gedacht. War doch über Mittag in Geschäften unterwegs. Ach, Herzlieb, ich muß doch jede freie Minute Dein gedenken, und nun, so kurz vor unserem Wiedersehen mit heißem Sehnen und Verlangen. So hat uns, Kameraden H. eingeschlossen, der Urlaub noch gar nicht bewegt. Das ist auch verständlich, weil nun schon so lange Zeit vom letzten Wiedersehen verstrichen ist – und weil so ein Wettlaufen darum ist – und weil die Urlaubsreise doch eine besonders große Unternehmung ist diesmal. Kamerad K. muß nun wieder nach hier unterwegs sein. Es warten auch andre auf das Urlaubsglück – und darum müssen die Kameraden fein pünktlich zurückkehren. Wem bereitet der Urlaub und das Wiedersehen noch sooo viel Glück wie uns beiden?, Dir und mir? – Wer verlangt noch so tief heim wie Dein Mannerli? Heim, heim zu Dir!!!!! Und wen erwartet noch so heiß und sehnsuchtsvoll und lieb die Heimat, daß sie ihn ganz einnehme und einhülle und an ihr Herz drücke, wie Deinen [Roland], den glücklichsten aller Heimkehrer? – Oh Geliebte!!!!! Wie schlägt Dir mein Herz in heißer, großer, dankbarer Liebe! Du!!! Du!!!!! Dir, die mir die Heimat ist und bewahrt, so lieb und treu und rein und sehr, daß ich sie nie vergessen könnte, daß sie mir allzeit als das Köstlichste vor der Seele steht, daß ich mit allen, allen meinen Herzfasern an ihr hänge und daß kein Wille in mir mächtiger ist als der, heimzukehren, Dir heimzukehren! Geliebte! Gott sieht es und weiß es. Er pflanzte diese Liebe und diesen heißen Willen zueinander in unsre Herzen – wir vertrauen uns ihm an, er wird es gnädig vorhaben mit uns! Geliebte! Ganz herrlich war der Abend gestern wieder – zeitig, ¾ 8 Uhr schon, senkte er sich hernieder – purpurn der Abendhimmel, blau die Berge, schwarz Schiffe und Häuser in ihren Umrissen, und darüber, die Farben des Himmels spiegelnd das Meer. Und man muß es liebhaben, dieses Bild, Gottes schöne Welt – aber es ist die Fremde, die Fremde! Diese Empfindung mischt sich in all das Bewundern – und überall ist Fremde, überall, Herzlieb, wo Du nicht um mich bist!!! Herzlieb, die Heimat! Wie will ich sie umfangen mit meinen Augen, mit meinem Herzen; wie will ich mich sattrinken [sic]; wie will ich sie all lieb und froh wiedererkennen, die mir zu Brüdern und Schwestern wurden, die Bilder und Wege alle – und wie werden sie mich froh erkennen – die Flur, der Wald, die Stadt, der Himmel – wie will ich sie all froh wiedererkennen und grüßen, mit Dir, mit Dir, an Deiner Hand, an Deiner Seite! Sie kennen uns doch nun schon als ein ganz glückliches Paar und sie wissen es alle, daß der Hubo da ein Menschenkind führt, das alle Wunder und Schönheiten dieser Gotteswelt ebenso lieb und froh und dankbar und gläubig aufnimmt wie er – mein liebes Weib, an dem selber so viel Wunder und Schönheit offenbar wird – Du! Du!!!!! Und Deinem [Roland] erschloß sie sich in ihrem ganzen Reichtum – oh der glückliche! Der glückliche!!! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ich liebe, liebe Dich!!!!! Und an ein Lied muß ich denken, das in seiner Schönheit so selten ist: Die  Lotosblume – – – „..und ihm entschleiert sie freundlich ihr holdes Blumengesicht! Die Lotosblume, das ist mein Herzlieb – und ihr Buhle, ihr seltener, der Mond, das ist hier einmal Dein Mannerli. Lotosblume – Geliebte, wie schön und tief und dunkel klingt das!

Ich schrieb gewiß auch schon davon: Das Weib steht in allen alten Mythen dem kreatürlichen dieser Erde am nächsten. So wie die Erde alles um uns her, gebärt es die Kindlein. Von den „Müttern dieser Erde“ ist oft die Rede, und damit meint man all die irdischen Geister und Elemente dieser Erde – all das tiefe Wissen um das Werden und Vergehen. Der Mann, unbeschwert von diesem Wissen und dem Verhaftetsein an diese Geister, mag deshalb sichrer und freier sich bewegen und aufschwingen – und oft auch wohl versteigen und verlieren in unwirkliche Fernen, Träume und Ideen.

Aber das will ich jetzt gar nicht, und dazu wäre jetzt die am wenigsten passende Gelegenheit – würde ich doch den Urlaub wohlmöglich vergessen und den Zug verpassen und mein Herzlieb verlassen. Geliebte, Geliebte! Ich brauche niemanden, der mich zurückruft von solchen Spaziergängen. Ich komme zu Dir! Bei Dir ist alles so lieb und gut und schön, da bin ich so geborgen, da kann ich alles Fragen vergessen – und alles Reden, Herzlieb mein! Und das soll bald wieder einmal sein! Wie ich mich darauf freue! Wie es mich danach verlangt!

Du liebes, liebes Weib! Wie kannst Du nur so stark sein – wie kannst Du so viel Gewalt über mich erlangen?!!! Und umgekehrt könntest auch Du so fragen – bleibt auf Deiner Seite aber das Plus Deiner Jugend. Um meines großen lieben Weiberls Mannerli zu sein, muß ich schon stark sein, Du!!! Ach, es ist doch von meinem Temperament – ich bange nicht darum. Größe, Alter, Jugend, sie machen uns keine Sorgen, wenn nur uns[e]re Liebe blüht!!! Und die blüht!!! Und die blüht!!! über alle Trennung, über alle Ferne, über alles Sehnen, über allen Schmerz – Wolken sind sie alle nur, kleine Wolken vor der großen Sonne unsrer Liebe!!! Gott haben wir sie anbefohlen, ihn zum Hüter unsrer Liebe uns erwählt – er segne unseren Bund.

Herzallerliebste!

Gleich ruft die Pflicht wieder! Über der Arbeit mag die Zeit besser verrinnen – und alle Ungeduld muß schweigen und stillesein. Oh, sie ist schon sooo groß! Bei Dir gewiß auch! Die Ungeduld – einander zu beglücken!!! Wie selig-froh will ich Dich umfangen, Geliebte – wie selig-froh ausruhen bei Dir! Oh Du! Ich sehne mich so nach dem Sturm unsres Verlangens wie nach der Ruhe und dem Frieden des Geborgenseins. Oh Geliebte! Gott schenke mir bald Deine holde Gegenwart. Wie will ich sie tief und dankbar empfinden, jede der kostbaren Minuten und Stunden, Du!!! Du!!!!!

Gott behüte Dich mir! Er führe uns gnädig froh und gesund zueinander! Und bald auch für immer! Herzlieb, Schätzelein! Bald, bald will ich kommen! Sind denn die Äuglein schon blank – und das Haar fein gescheitelt – und die Arme schneeweiß? – – – Ach Du, Du!!! Ich will sie alle lieb begrüßen, die Äugelein und Wängelein und die anderen fein – – um dann ganz tief und froh und glücklich Dich ganz zu umfangen – Dich, mein geliebtes Wesen, mein ganzes Glück und Leben!!!

Ich liebe Dich und bin ganz ganz Dein [Roland]!

Du!!!!! !!!!! !!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946