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[OBF-410815-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 15. August 1941

Mein liebes, teures Herz! Herzallerliebste! Geliebte mein!

Nun wird es bald dahin kommen, daß Du mir auf meine Boten nicht mehr antworten kannst. Könnt ich Dir mal richtig die Meinung sagen? Du!!! Sowas gibt’s doch zwischen uns gar nicht – und ich fürcht mich doch auch nicht vor Deiner Antwort. Nein – aber nun gibt es mündlich Antwort bald – mündlich, das ist mit dem Mündchen, Du!!!!! Muß ich mir immer schon mal ein paar Fragen ausdenken, auf die es recht reiche Antwort gibt! Du!!! Du!!!!!

Herzlieb! Wieder ist ein Tag um – und nun schon wieder eine Woche – und nun naht unser Tag mit Riesenschritten – unsre Tage! Ach Herzlieb! Es kann noch nicht für immer sein. Wir wollen trotzdem recht froh und dankbar uns dieses Geschenkes freuen. Wir glauben fest daran, daß Gott uns auch das viel größere Geschenk des Wiedersehens für immer bereithält. Wir werden nicht nachlassen, ihn darum zu bitten. Wir wollen die Tage nehmen als Frucht unsres treuen Ausharrens – wollen nicht zagend und zweifelnd sie verstreichen lassen, sondern froh und zuversichtlich sie miteinander verleben. Ach, Herzlieb! Das brauchen wir uns ja gar nicht vorzunehmen – Deine holde Nähe und das Glück unsres Einsseins verbreiten soviel Sonne und wehren allen Schatten und trüben Gedanken.

Unser Freitag war heute – ein herrlicher Sommertag wieder. Nach dem Essen waren wir erst zum Baden, bei unserem Gang durch die Stadt bemerkten wir, daß die Geschäfte geschlossen hatten – mag wohl ein kirchlicher Feiertag sein heute. Unsre Badeanstalt hielt aber offen. 3 ganz neuwaschene Matrosen traten gegen 2 Uhr aus dem Lokal und wandelten erquickt durch die menschenleeren Mittagsstraßen. Früchte sind an allen Ecken in Mengen angeboten – Pfirsiche, so groß wie Kindsköpfe beinahe, Weintrauben, blau und weiß, grüne Feigen, die haben wir noch nicht probiert. Kamerad K. handelte ein paar Süßigkeiten für die Zuckertüte seines Töchterchens ein. In unserem Quartier haben wir uns erst einem Mittagsschläfchen hingegeben – kennt man das in Sachsen auch? in Oberfrohna? – es dehnte sich bis 5 Uhr aus. Wir waren zu gar nichts Rechtem entschlossen – weil aber der schöne Tag noch gar so lockte, haben wir uns doch fein gemacht und sind gegen 6 Uhr glücklich fortgekommen, mit einer List nur. Eines Diebstahls wegen ist nämlich über die ganze Kompanie Urlaubssperre verhängt worden – ob sie meinen, daß so das Gestohlene wieder herzukommt? Na. Für die Kompanie war gemeinsamer Besuch des K.d.F.-Fronttheaters angesetzt, und dem Trupp der Theaterbesucher haben wir uns eben angeschlossen, sind aber dann freiheitsdurstig am Theater vorbeimarschiert. Durch die Straßen gebummelt – zum wievielten Male wohl schon? In die Schaufenster gekuckt – ihre Reihenfolge kennen wir nun fast auswendig in der Hauptstraße. Unterwegs nahm dann unsre Unternehmungslust Gestalt an: wir gehen mal essen – Hubo bezahlt, hat heute die blauen [Geldscheine] bekommen. Nudelsuppe, Kalbsbraten mit Salat, Obst – mal an weißgedeckten Tischen sitzen – in einem schönen Raum – Musik dazu – es ist mal eine Rosine in der Bebe [sic] unsres Alltags – es läßt die Erinnerung und Hoffnung lebendig werden, Hoffnung auf die Zeit, da Du, Geliebte, in unserem Heim das Mahl lieb wirst bereiten. Gut hat es uns geschmeckt[;] an den Salat gießen sie hier das Öl, das hat ein [sic] widerlich ranzigen Geschmack – kann ich einfach nicht ran.

Wohl 8 Mann machten Musik, bearbeiteten ihre Instrumente – wenig schön, aber so, daß der Wunsch nach einer guten Musik ganz lebendig wurde. Herzlieb, Du hast es Dir ja auch schon gewünscht. Freilich werden wir zusehen, miteinander etwas Gutes zu hören. Magst Dich immer schon ein wenig umschauen was in Chemnitz angekündigt wird. Die Saison wird ja eben nun erst beginnen. Und wenn es nur irgend angeht, wollen wir auch in Dresden, dort, wo es uns vollkommen geboten wird, etwas hören – ich habe ganz großes Verlangen danach – mit Dir es zu erleben!!! ob ich mich freue, wenn mein herzliebes Weiberl dann auch ein bisserl Staat macht? Du! Du!!! Weißt, das ist eine Frage für Dich, die ich Dir mündlich beantworten könnte. Und da fällt mir eben auch eine für mich ein: Für wen schmückt sich mein liebes Weib? – Du!! Du!!!!! Ich weiß es doch gar nicht!

Siehst – so waren wir kaum 3 Stunden unterwegs; denn um 9 Uhr mußten wir mit den Theaterbesuchern wieder zurück sein. Morgen werde ich einen Verwandten sehen, denk nur an! Ein Oberleutnant hat heute nach mir gefragt, wir waren gerade hinaus. Ich riet sofort auf einen der Vettern von Onkel Otto in Dresden – und die Personenbeschreibung paßt auf Armin [Nordhoff] – er hat nämlich seinen Namen nicht hinterlassen – klug! Morgen früh soll ich mich im Hafen melden. Werd ich wohl erst einen müssen wegmachen [sic], um dann in einen verwandtschaftlichen Ton zu fallen. Harald und Armin waren beide Leutnant, als der Frankreichfeldzug begann. Armin ist gut zu leiden. Griechisch ist sein Spezialgebiet. Da ist er hier also recht am Ort. Er ist ja höherer Lehrer draußen in Lippe. Er hat technisches und militärisches Interesse und hatte schon vor dem Kriege ein paar Kurse. Ich freue mich ihn wiederzusehen – und die Ehren seines Grades, sie kommen ja auch unsrer ganzen Familie zugute – und deshalb freue ich mich auch daran ganz neidlos. Ich habe schon anderweit Ehre eingelegt und werde es in Zukunft noch – auf anderem Weise – ja? Herzlieb!!!

Herzlieb! Manchmal habe ich schon bedauert, daß wir nicht so günstig dran waren mit unseren Schulen wie unsre Dresdner Vettern – aber nun – Geliebte!!! Nun habe ich Dich! Nun bist Du bei mir! Nun hat es sich entschieden. Nun hat mein Leben einen Kurs bekommen, dem zu folgen ich keinen Augenblick mehr zögere, dessen Verfolg viel Glück und ein ganzes Werk verheißt – oh Geliebte! Ich bin ganz ganz froh und glücklich mit Dir. Ich sehe mein Leben so reich vor mir. Ich bin soviel froher geworden mit Dir! Mein Wesen ist erlöst worden durch unsre Liebe – das ist ein ganz unschätzbares Glück! Mit Dir will ich dieses Leben gehen! Mit Dir ans Werk gehen! Mit Dir froh und glücklich schaffen! oh Du geliebtes Herz! Segne Gott diesen Willen! Und Du willst mit mir gehen, mit mir schaffen. Geliebte! So können wir ja nur sagen: „Will und Willst“ – wir müssen und wollen – wir haben uns doch sooooooooooooo lieb!!! Und ich hab Dich ganz ganz sehr lieb! Oh Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Diese Liebe ist der Herzschlag unsres Lebens, das Herzblut selber! Gott sei uns gnädig!

Wir können nicht anders glauben, als daß er sie uns schenkte, die große, wundersame Liebe!

Mein Herzlieb! Mein Herzensschatz! Geliebte, Holde mein! Ich möchte bei Dir sein – Du! oh Du!!! Dich küssen. Dich umfangen und bei mir fühlen – mein! Du!! mein!!! Mein Leben, mein Ein und Alles, mein geliebtes Weib!!!

Ich liebe Dich! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ich bin ganz ganz Dein [Roland] –

Holde mein!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946