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[OBF-410818-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 18. August 1941.

Herzallerliebster mein!! Geliebter!!! Mein lieber, liebster [Roland]!

Gestern, am Sonntag, bin ich doch garnicht dazu gekommen, meinem Herzlieb zu schreiben! Du wirst mir darum nicht böse sein – ich weiß es, Du!! Daß ich Dein gedacht habe immerzu! Geliebter!! Du weißt es, so wie Du weißt, daß ich Dich über alles liebe. Lore G. war bei uns gestern, ich habe Dir wohl schon geschrieben, daß sie zum Sonntag bei uns bleiben wollte, weil sie ganz allein daheim ist. Um 1200 [Uhr] mittags kam sie und wir waren eben soweit, das Essen zu Tische zu bringen. Kalbsbraten mit Rotkraut und Bohnengemüse, und Apfelmus gab es; es hat vorzüglich geschmeckt! Du!! Wenn Du nur erst wieder mit in unsrer Runde sitzen kannst! Ich freue mich sooo sehr darauf!

Nach einer gemütlichen Tischzeit haben wir aufgewaschen – der Vater machte sein Schläfchen und wir 3 Frauen gingen ein Stück an die Luft. Nach dem Hohen - Hain [sic] zu. Es war unsicheres Wetter draußen gestern und zweimal haben wir den Schirm müssen benutzen. Doch die Luft hat uns gut getan.

Daheim angelangt, nach ungefähr 2 Stunden, bereitete ich den Kaffee und weckte Vater. Die beiden Älteren strickten!! Und nun probierten wir meinen Kriegskuchen, der ganz schön nach Frieden schmeckte, bei aller Knappheit der Zutaten. So verlief der Nachmittag eigentlich soo schnell. Ich setzte mich dann auch mit einer Arbeit dazu! Geheimnis!!! Und wir erzählten uns von dem und jenem, Lore aus ihrem Leben. Sie hat es recht schwer gehabt schon, ich wünschte ihr wahrhaftig, daß sie in ihrer Ehe das finden möge, was sich sie sich davon erwünscht – daß sie die bitteren Stunden ihres Lebens von einer sonnigen Höhe als zurückliegend betrachten könnte. Ich glaube aber, es muß noch eine ganze Zeit dahingehen, ehe die beiden seelisch eine wahre Gemeinschaft finden – ehe sie so ganz Erfüllung finden aneinander.

Herr G. trägt noch immer das Bild seiner ersten Frau in sich – wenn Lore nicht so feinfühlend und großherzig wäre gegen ihn, stünden sie wohl heute noch nicht da wo sie jetzt stehen: am Anfang eines Gemeinschaftslebens, das auf gegenseitigem Vertrauen, auf Liebe und Achtung gegründet ist. Herr G. scheint mir, ist zu sehr Egoist. Mag sein, daß das sein jahrelanges Junggesellentum mit sich brachte – ich vermute nur.

Na – sie müssen beide selbst sehen, wie sie verkommen [sic]. Ich werde mich einer Meinung enthalten, ich mag nichts mit ihren inneren Angelegenheiten zu tun haben. Ich glaube, daß ich mich mit Lore gut vertragen und verstehen werde. Weißt, sie ist ein Mensch von dem ich wirklich etwas habe, wenn ich mit ihr zusammen bin und zusammen war. Sei es nun daß ich lernen kann von ihr zum Guten – sei es, daß ich eine Lehre daraus ziehe für mein Leben. Jedenfalls habe ich nicht das leere Gefühl in mir, wenn ich von ihr gehe, oder bei ihr bin, als wenn ich mit einer meiner Altersgenossinnen zusammen bin. Und das ist es, daß [sic] den Wunsch in mir weckt, die Freundschaft dieser Frau zu erhalten.

Ach Du! Wenn ich Dich ganz bei mir hätte, ich würde wohl nicht suchen nach einem Menschen, dessen Freundschaft ich schätzte. Du bist mir über allem das Liebste! Du allein bist mir Erfüllung! Du!!! Nicht, daß ich mich dann vor jedermann verschließen will, wenn ich mit Dir zusammenleben kann! Man muß auch Freundschaft pflegen, damit man seinen Weitblick behält und eine geistige innere Anregung hat auf diesem Gebiet. Aber suchen, suchen würde ich nicht darnach! Wenn uns der Zufall einen Menschen oder eine Familie in den Weg führt, die uns wesensverwandt sind – die wir nicht ganz wieder verlieren möchten, weil sie uns irgendwie eben etwas bedeuten, dann ist es gut und schön. Aber daß wir uns nicht in allen Dingen so viel sein könnten, daß wir uns Freunde heranholen müssen – Du!! Das glaube ich nie und nimmer!!! Ich wäre glücklich, wenn wir unseren gemeinsamen Bezirk unsrer Familie fern hielten, von großen ausgedehnten Freundschaften u.s.w. – ich liebe das nicht. Und ich weiß, daß auch Du lieber zurückgezogen lebst. Ich weiß wohl, daß Du Dich bei Deiner Stellung unmöglich allem verschließen kannst – so soll es auch nicht sein, ganz so kraß! Du verstehst mich schon. Du!! Wohin hab ich mich den verstiegen? Du!!!

Also, der Nachmittag war so rasch um. Der Papa spielte uns was auf dem Radio vor und hörte unserem Gebabel zu! Nach dem Abendbrot saßen wir immer noch bei unsrer Arbeit, ich habe viel fertig gebracht! Es war ein richtiger, schöner Sonntag. Die Mutsch las uns dann vor aus dem Buche, was ich Dir zum Hochzeitstag schenkte. Die Lore hatte es begonnen und konnte nicht mehr aufhören es ist aber auch zu schön. Und weil wir alle angefangen hatten zu lesen und Mutsch nicht's versteht, wenn eines vorliest, so tat sie es selbst. Das war schön!

Du!!! Ich freue mich so sehr, wenn Du mir wirst wieder vorlesen – das ist noch viel, viel schöner! Herzallerliebster! Du ahnst vielleicht garnicht, was mir diese trauten Stunden bedeuten, da Du Dich mir so schenkst – ach, dann muß ich Dich so sehr liebhaben, wenn Du nur für mich da bist, wenn Du Dich mir so widmest. Du! Wenn wir dann für immer umeinander sein dürfen, dann wollen wir einmal wenigstens in der Woche so ein Stündchen feiern, wo Du mir liest aus einem guten Buche.

Glaubst, es war 1000 [Uhr] ehe wir uns versahen und dann brach Lore eilends auf. Und wir geleiteten sie alle ein Stück. Dann waren wir aber zu müde, um noch länger wach zu bleiben. Du!! Von Dir haben wir auch ein paarmal gesprochen! Haben gerechnet, wann Du wirst bei uns sein und vieles mehr! Aber ich allein, bei mir – ich habe doch unaufhörlich Dein gedacht und mit Dir Zwiesprache gehalten! Ach Geliebter! Das geht doch garnicht mehr anders! Du gehörst ja zu mir! Bist so ganz fest und tief in mein Herz eingeschlossen, Du bist ganz, ganz nahe allezeit bei mir! Du!!! Ich liebe Dich so sehr! Oh sooooo innig! Du!!!!! Gestern früh bekam ich Deinen lieben Boten vom Mittwoch. Geliebter! Sei ganz lieb bedankt dafür! Ach Du!! Sooo lieb kommst Du immer zu mir! Freude ist in unseren Herzen, Geliebter! Große Freude! Freude aus großer, tiefer Liebe! Kaum, daß unser Herz sie alle noch fassen kann! Du!!!!! Wir brennen ja nun sooo darauf beieinander zu sein – uns nahe zu sein, nach langer Zeit wieder einmal! So wie Du sehnlichst heimzukehren wünschst, so warte ich Dein! Oh Geliebter!!

So wie ich dann ganz Dein sein will, so willst Du mein sein – Du!!! Bald, bald ist es soweit, Geliebter!!!

Oh Du!!! Der Herrgott im Himmel verhelfe uns gnädig zu einem glücklichen Wiedersehen! Geliebter! Heute, in Deinem Donnerstagbrief erzählst Du mir nun so hoffnungsfroh von den Dingen, die Euch der zurückkehrende Kamerad K. berichtete. Er ist also tatsächlich nun wieder wohlbehalten in der Fremde gelandet. Ist es nicht wie ein Spuk; wie ein Traum? Einmal darf man auf kurze Zeit der Fremde entfliehen – daheim alle Glückseligkeit erleben – dann geht es zurück in die Verbannung. Ach, wie lange noch?! Geliebter! Geduld! Das ist wohl das Schwerste, das man im Leben lernen muß!

Ach, ich brenne so darauf, daß Du heimkommst! Ich brauche Dich, Herzlieb! Ach, ich brauche auch Deinen Rat! Aber Du bist auch in Gedanken bei mir – ich weiß es und ich habe es ja oft schon so beruhigend und froh gespürt! Du!!!

Der Herrgott ist immer mit uns, das will ich froh und zuversichtlich, gläubig immer mir zum Troste sagen, wenn ich einmal nicht gleich weiß, wie es wohl weitergehen soll. Es geschieht nichts ohne einen bestimmten Plan auf Gottes Erden, ich glaube es. Und das soll mir Mut geben und Ruhe und Sammlung, es muß alles gut werden.

Und ich will ganz fest an Dich denken, an unser Glück, das uns nun bald blühen wird auf's neue! Eines nur gibt mir Mut, meine übermächtig große Liebe zu Dir, um die ich kämpfen will koste es, was es wolle. Du!!! Du!!!

Gott weiß in aller Not einen Weg – ach, das ist so tröstlich. Und alles, was mir den Blick verdunkeln will, was mich verzagt machen will – Geliebter! Es sind ja Wolken nur an unserem Glückshimmel! Du!!! Ich will gerne auch mit opfern in uns[e]rer großen Zeit – aber unser Glück darf nicht leiden darunter! Ach Geliebter!! Ich ertrüge es nicht, wenn man mich von Dir reißen wollte!

Es wird noch viele Wege geben im Leben, die ich allein gehen muß – nur mit Deiner Liebe und Sorge kannst Du mich begleiten – gestern, am Sonnabend schrieb ich es im Zusammenhange mit dem Gang zu Arzt.

Nun fordert man mich, einen neuen Weg zu gehen. Noch ist alles dunkel. Ich will hoffen und mutig mein Recht vertreten.

Ach, wenn Du doch erst bei mir wärest, Du!!! Ach Du! Es kann auf jeden einzelnen Tag ankommen, den Du später bei mir erscheinst!

In Gottes Hände sei alles gelegt. Geliebter! Sei nicht voll Sorge um das, was ich Dir heute schrieb! Ich bitte Dich, verzeihe mir – es ist wohl ein dunkler Tag heute in mir. Du!!! Morgen vielleicht hat sich alles, alles geklärt. Bete mit mir, daß der Herrgott uns nicht verläßt! Herzallerliebster mein! Ach wie armselig und schwach wird ein Mensch, wenn er sein heißes Hoffen und Wünschen schwinden sieht – ich könnte mich verachten heute, weil ich so kleinmütig bin! Du!!! Ach Du!!! Geliebter! Der Herrgott erhalte Dich mir! Komme gesund heim zu mir! Oh Du, komme bald!!!

Ich liebe Dich! Mein [Roland]! Mein [Roland]!

Behalte mich lieb – Du!! Du!!!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946