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[OBF-410927-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 27.9.41

Herzallerbliebste!

Noch schnell, bevor der Zug ausläuft, ein kleines Zeichen. Nach langem Anstehen habe ich nun endlich einen Platz erobert im Zuge. Er fährt 1145 Uhr ab. Du wirst mich in Gedanken schon ganz wo anders suchen. Und ich wünschte, ich wäre auch schon weiter. Ich will nun wieder an den Ort, von dem aus ich wieder vorausdenken kann zu Dir, zum nächsten Urlaub, zur nächsten Heimkehr. Die Unterbrechung, so schön sie scheinen mag, sie ist es nicht. Aber ich habe wenigstens einmal richtig geschlafen, in der Wehrmachtsunterkunft, auf meinem weißen Kopfbettlein, das Ihr mir geschenkt habt.

Nachdem wir also gestern raschestens von einem Bahnhof zum andern uns begeben und zum Zug vergeblich angestanden hatten, wurde uns die Verspätung auf dem Urlaubsschein bestätigt. Dann suchten wir (in Wien traf ich den Kameraden, den ich schon in Dresden vermutete) die Unterkunft. Ich habe wieder mal schön alle Koffer schleppen müssen. Gegen ½ 4 Uhr bummelten wir, müde ich, ledig allen Gepäckes stadtwärts. Zunächst stärkten wir uns an einem guten Gemüseeintopf in der Wehrmachtverpflegstelle [sic]. Mit der Straßenbahn fuhren wir zum Stadtzentrum. Große Plätze, herrliche Bauten, Prachtstraßen – diese Stadt möchten wir zusammen einmal sehen. Ich kaufte dann die Ansichten. Bei einem guten Kaffee machte ich sie reisefertig. Etwas munterer, suchten wir dann noch den Stephansdom, den Steffel. Ein Orgelkonzert war angekündigt und nach einigem Zureden gelang es mir, den Kameraden zu einem Besuch des Konzertes zu ermuntern. Mit Dir hätte ich wohl nicht soviel Mühe gehabt, Du!!! Als ich nun so saß und die Orgel durch die dunkle Halle brauste, da überfiel mich doch große Müdigkeit – und der Musik folgend, kamen mir doch immer andere Gedanken daquer [sic] – an Dich, Geliebte! [Du] Hast gewiss auch meiner gedacht. Aufmerksam ward ich nur erst wieder über den Improvisationen des Organisten am Schlusse über den Choral: „Liebster Herr Jesu“. Die waren ganz großartig. Alle Klangregister der Orgel führten sie ins Treffen bis zu einem gewaltigen Schluß. Es war mir das liebste Erlebnis am gestrigen Tage.

Nun, Geliebte, laß Dir sagen, daß ich Dich sooo unendlich liebhabe, daß ich froh vorausschaue, Gott wird mit uns sein, und dein Bild, Dein Wesen, unser Bund, uns[e]re Lebensaufgabe, wird mir jeden Augenblick vorschweben, kraftspendend, ermutigend.

Ich küsse Dich herzinnig, ich halte Dich ganz fest, ich liebe Dich mit meinem ganzen Sein und Wesen und bleibe ewig Dein [Roland],

Du! Geliebtes Weib!!!

Viel[e] liebe Grüße an die Eltern.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946