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[OBF-411001-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 1. Oktober 1941

Herzallerliebste! Meine liebe, liebe [Hilde]!

Ob man sich auch dagegen sträubt, es kommt doch alles nun wieder ins alte Geleise. Daß man einmal aus dem Geleise gerissen wird, daß man nicht festfährt in einem Geleise, das ist wichtig für das Leben, und das müssen wir uns auch für später merken. Das Schulmeisterleben ist so angelegt, daß es zu solchem Festfahren schwerlich kommt. Ob [w]ir auch einmal Eheferien brauchen, um nicht festzufahren? Ich nicht. Und Du? – Ich werde Dir keine bewilligen!

Es ist das alte Geleis und ist es doch auch nicht. Jeder Tag wandelt uns, trägt uns vorwärts dem Alter zu – und das Erleben der vergangenen Wochen, es hat uns ganz gewiß innerlich angerührt. So schaue ich alles hier mit einem gewissen Trotz, der Entschlossenheit, das Bild und Gefühl der Heimat recht fest und treu zu bewahren.

Ach Herzlieb! Aus dem Kreise unsres Bundes trete ich so frohgemut und in dem Bewußtsein des Besitzes eines großen, reichen Glückes, das mir die ganze weite Welt nicht geben und ersetzen kann. Wer kann noch eine so feste, herrliche Glücksburg sein Eigen nennen? Nun, ich fühle mich als Ritter einer solchen Glücksburg! Oh, Geliebte! Mit Dir bin ich soooo glücklich!!!!! Und ich weiß Dich so ganz mein Eigen, wie ich mich nur noch als Dein Eigen fühlen kann!

Eitel Sonnenschein ist draußen heute – er ist auch in meinem Herzen. Man weiß gar nicht recht, wie man den Tag jetzt einteilen soll. Unsre Dienstzeiten sind noch unverändert. Zum Ausgehen ist es am schönsten um Mittag. Abends aber ist unser Licht so trübe. Wir müssen uns eine ein stärkere Birne versorgen [sic]. So habe ich jetzt in der Mittagsstunde geschrieben, und die wird dadurch verkürzt, daß ich doch schon wieder nach kaufenswertem Ausschau gehalten habe. Eben habe ich Dein Mantelfutter erstanden. Es wird Dir gefallen. Es gibt noch allerhand zu kaufen.

Mit den wichtigsten Habseligkeiten haben wir heute ausziehen müssen, unser Stockwerk ist verräuchert worden. Morgen mittag werden wir wieder einziehen können.

Morgen, Herzlieb, kann Dein lieber Bote mich vielleicht zum erstenmal wieder erreichen. Ich freue mich ganz sehr darauf.

Mein Bote kann heute nur kurz sein. Ich bin gestern noch einmal zeitig schlafen gegangen. Unsre Funzel drückt einem ja die Augendeckel richtig zu. Du wirst das wenige deshalb nicht minder herzlich aufnehmen. Ach Du! Es ist gan[z,] ganz lieb gemeint. Herzlieb! Noch überschaue ich noch nicht, was uns unsre Tage waren – ich muß mich erst wieder einrichten. Aber es war so ganz besonders schön und eigen und heimlich. Und das Gefühl des Heimlichen und Heimischen will alles andre überstrahlen. Oh Geliebte! Es ist mir gar schwer geworden zu scheiden von dem Allerliebsten! Aber Du wirst mir alles bewahren und wir beide werden unser Glück hüten als unser kostbarstes Eigen.

Gleich wird man den Kasten leeren. Und Du, Herzlie[b,] mußt Dir für heute an dem wenigen genügen lassen. Gott sei mit Dir auf allen Wegen! Er schenke uns bald einen guten Frieden und führe uns recht bald zusammen. Du!!! Du!!!!! Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen! Ich gehöre Dir ganz! Ich halte Dich ganz fest. All mein Lieben gilt Dir, Du! Mein geliebtes Weib!

Ich bleibe in Liebe und Treue ewig Dein [Roland]!

Und morgen kommt Dein lieber Bote!

Bitte grüße die lieben Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946