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[OBF-411004-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 4. Okt.[ober] 1941

Herzallerliebste! Mein liebes, teures Weib!

Heute über mittag nur eben wieder einen ganz kurzen Gruß. Heute abend und morgen werde ich wohl ein wenig mehr Muße haben. Die Arbeit ist sehr reichlich augenblicklich. Eben sind wir vom Bad zurück. Ein Prachttag ist draußen. Die Sonne brennt auf den Puckel ohne zu schmerzen. Unser Spaziergang gestern führte uns durch die Stadt hinaus auf die Höhen. Drückend heiß war es, die Sonne schielte nur. Zwischen den Häusern unten, in den Gerüchen und dem Staub, wagte ich kaum zu atmen. Auf den Höhen konnte man freier atmen. So frisch aus der Heimat zurückgekehrt, fällt einem der Balkandreck doppelt auf die Nerven. 

Die Höhen sind noch ebenso dürr und kalt und tot wie ehedem, etliche sind ganz verbrannt. In den vertrockneten Wasserbächen und Schluchten zwischen den Anhöhen, dort, wo auch der Fels an den Tag tritt, geht man man [sic] wie in Tälern des Todes, so tot, einsam, dürr, fruchtlos und kalt. Wie habe ich sehnsüchtig an unsre schöne Heimat denken müssen, auf dem ganzen Wege! Großartig bleibt der Überblick über Land, Stadt und Meer. Und heimwärts habe ich geschaut, dorthin, wo neben der Eisenbahn das lange, gelbe, stäubende Band der Straße sich hinzieht, bis es hinter der nächsten Bergkette verschwindet. Oh, viel, viele Gefilde und Landschaften muß der Zug durcheilen, ehe die vertraute Heimat auftaucht. Aber dem Gedanken ist die Entfernung ein kleines, auch dem Gedanken der Heimkehr. Gegen 6 Uhr kehrten wir zur Stadt zurück. Wir kehrten erst einmal ein und verspeisten 3 Spiegeleier, dann gingen wir zum Kino. „Gewittersturm", so war der Titel doch richtig übersetzt. Obwohl wir kaum ein Wort Französisch verstanden, weil die Tonwiedergabe mangelhaft war, war der  Film recht eindrucksvoll und stimmungsreich. Was Hellmuth an französischen Filmen schon aufgefallen ist, fand ich bestätigt: gute Photographie, Bildausschnitte, die oft an Gemälde gemahnen. Die Griechen hatten es leichter, die Handlung zu verfolgen, für sie war der Text unterlegt. Ganz sehr lieb waren s[ich] zwei, aber das Schicksal ließ sie sich nicht finden – Herzlieb! Du! Geliebte!!! Ganz sehr lieb haben wir einander – und haben einander gefunden – und ohne auch nur einen Rest geht der Strom der Liebe zwischen uns, von mir zu Dir, von Dir zu mir. Darum sind wir so ganz glücklich!

Nun wirst allein sein im Hauswesen. Mutsch ist nach Glauchau gefahren. Freust Dich so allein? Möchtest mich denn jetzt einlassen? Herzlieb! Herzlieb! Zu jeder Stunde darf ich zu Dir kommen. Und Du zu mir! Herzliebes, Du! Der ich gerne auch einmal einsam bin – niemals, n[ie] kannst Du mich stören! – Du bist ja ich, ein Stück von mir – und wenn ich will, kann ich auch mit Dir ganz still und einsam sein. Oh Herzlieb! Nie mehr mag ich ohne Dich sein, nie vor Dir mich abschließen – Du! Du!! Geliebte mein!!!

Gott behüte Dich mir! Er segne unseren Bund. Ich bin immer bei Dir! Ich liebe, liebe Dich!!!!! 

Ich bleibe immerdar Dein [Roland]! Ganz Dein!

Viel liebe Grüße auch den Eltern

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946