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[OBF-411012-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 12. Oktober 1941.

Herzensschätzelein! Geliebter!! Herzallerliebster!

Heute komme ich wieder zu Dir! Oh Du!!! Du!!!!! Wie habe ich mich doch gestern Nachmittag gesehnt nach Dir! So gesehnt mich [sic], Deine liebe Hand zu fassen, mit Dir zu plaudern, wie jeden Nachmittag. Aber es war mir unmöglich. Wir standen mitten drin im Waschfest, die Mutsch und ich! Und wie das überhaupt an solchem Waschtag zugeht, das weiß mein Lieb sicher auch, von zuhaus' – auch wenn's ein Bub, ein Mannerli ist!

Morgens um 6 [Uhr] hieß es raus aus den Federn! Und weil es noch finster war, erledigten wir alle Nebenarbeiten. Kurz nach 7 [Uhr] begann der Start! Waschen, kochen, bleichen – waschen, spülen, aufhängen – je nachdem, was grade an der Reihe war. Und so ging das lustig bis abends in die 8. Stunde!! Ich kann Dir sagen, dann hatten wir aber genug. Bei völligem Regenwetter lag die Wäsche auf dem Bleichplan, fein hat sie trotzdem gebleicht. Wir mußten sie wannenweise mit dem Schiebock hin und her transportieren, U.s waren weg und da schließen sie die Garage ab. Das ist viel Kraft- und Zeitverschwendung, immer so ein Stück laufen mit der schweren, nassen Wäsche. Aber dann half uns Vater schieben! Wenn's auch wieder viel Wäsche war, zu Zweien geht’s schon leichter. Und wir sind nun froh, daß das mMeiste getan ist.

Die Mutsch ist gestern nicht eine Viertelstunde aus dem Waschhaus herausgekommen. Nur ich war zweimal oben in der Wohnung, mal nach dem Frühstück; mal, um Essen zu kochen. Vater hat erst geschlafen, dann ist er uns bissel zur Hand gegangen, besorgte die Wege. Und dann hatte er auch noch W.H.W. zu sammeln. Wir waren abends alle 3 todmüde und sanken gleich nach ½ 9 [Uhr] ins Bett. Ich konnte nur ein wenig noch von Dir träumen, Du!! So bald fielen mir die Augen zu. Noch im Einschlafen hörte ich, wie es immer heftiger gegen die Fensterscheiben peitschte. War das Regen-, oder Graupelwetter?

Heute früh sah ich nun, was es war, nachdem i[c]h ½ 8 Uhr mich erhob: Der erste Schnee!!! Denke nur, Herzlieb! Schon so zeitig! Und Du glaubst garnicht, wie es sich draußen abgekühlt hat, ganz gewaltig! Ich werde meine Wäsche nicht draußen trocknen bei solcher Kälte. Der Schnee liegt teilweise jetzt noch draußen, es ist nachmittags um 3 Uhr. Die liebe Sonne war noch nicht da heute. Mutsch und Papa sind seit heute morgen wieder im Waschhaus, sie spülen die ganze Wäsche heiß durch; denn sie kam schmutzig von der Bleiche, um sie dann einzuwässern alle der Reihe [n]ach, damit ich dann täglich etwas durch die Wringmaschine drehen und aufhängen kann. Das ist doch lieb, gelt? Was denkst Du, wie das alleine einem schwer fällt. Vater hackt uns eben Holz im Schuppen, ich höre ihn. Da werden sie wohl nun bald fertig sein und auch heraufkommen.

Ich hatte heute Innendienst! Mir war doch alles liegen geblieben von gestern. Der Aufwasch, sogar in ungemachte Betten mußten wir gestern steigen!! Und so ging der ganze Vormittag hin mit schaffen und räumen. Das Essen wollte nebenbei auch besorgt sein. Ach, glaubst, wir 3 haben doch alle unsre Beschäftigung und von uns faulenzt niemand. Davon könnten sich alle überzeugen, die mal kommen und uns zusehen bei unsrer Arbeit. Ich werde mich auch bestimmt verteidigen wenn 'sie' mich mal wieder angehen sollten!

Lendenbraten mit Rotkraut und grünen Klößen gab's bei mir heute, dazu Apfelgrütze mit Vanillesoße. Meine Gäste haben tüchtig geschmaust, haben mir alles ratzekahl gefressen! Mit Mühe rettete ich noch eine Mahlzeit Braten für morgen.

Na, wenn sich die Tischgäste so benehmen, so ist das das beste Lob, was sich die Köchin wünschen darf: es hat geschmeckt. Und mehr will ich auch nicht. O doch! Daß Du auch mit dabei sein könntest wenn ich koche!, ach – daß es Dir auch schmeckt, später, bei mir, das wünsche ich mir doch sehr! Du!!

Die Liebe geht nämlich durch den Magen, das weißt Du sicher auch?! Dickerle! Liebes! Du!! Dann sollst Du bald wieder eins werden [sic], wenn Du bei mir bist für ganz! Und bei mir wird's dann auch keine Kanten und Löcher mehr geben! Du sahst ja schon den Erfolg, den allein Deine Nähe in 3 Wochen ausmachte!!

Ach, ich freue mich riesig auf das Leben mit Dir! Du!!! Wenn nur recht bald der Frieden für uns anbrechen wollte!

Vorhin kam wieder eine Sondermeldung durch, daß die Front im Osten in über 1000 km Breite durchbrochen sei und die Vernichtung des Feindes in vollstem Gange sei. Die Schlacht am Asowschen Meer ist auch beendet, wie die Sondermeldung gestern abend 800 [Uhr] meldete. Man kann nur immer den Apparat laufen lassen, so oft gibts etwas Neues. Aber mich stört das auf die Dauer. –

Ja, Herzlieb! Bei allem Drasch mit der Wäsche sind wir noch nicht mal zur eigenen Wäsche gekommen: zum Baden. Und das soll nachher noch nachgeholt werden. Sonntags, das war ja auch noch nicht da! Aber ich muß mich auch baden, ich friere in der warmen Stube, ich kann mich nicht mehr erwärmen. Gesund bin ich soweit wieder. Aber sehr satt habe ich's noch. Meine Muskeln schmerzen, als wäre ich zur Gymnastik gewesen. Das gibt sich nach 2-3 Tagen auch wieder.

Herzensschätzelein! Gestern bekam ich keinen Brief von Dir, dafür aber heute zwei! Vom Montag und Dienstag. Geliebter! Sei viellieb bedankt dafür! Du!!!

Ich habe mich recht gefreut, daß Du zu mir fandest mit allen Deinen Gedanken, die Dich bewegten. Und ich höre Dich an, Du! Höre Dir ganz lieb zu, Geliebter. Alles, was Du mir sagst, es berührt mich auch und interessiert mich. Herzlieb, es ist jetzt nur nicht die rechte Stunde, da ich möchte mehr darauf eingehen und mich in all Deine Gedanken hineinversenken[.] Du verstehst mich doch recht, Liebster? Ich bin etwas abgespannt körperlich und die Unruhe um mich ermöglicht es mir auch nicht, mich abzuschließen, um ganz auf Deine Gedankengänge einzugehen. Du hast ein Thema angeschnitten, daß [sic] nicht mit einem Satze abgetan ist. Auch Dich beschäftigte es schon am Sonntag in Deinem lieben Boten und im Montagsbrief mußt Du noch weiter davon sprechen. Herzlieb! Ich bin Dir dankbar, so sehr, daß Du mich an alledem teilhaben läßt, was Dich hierzu bewegt. Es zeigt mir auch dieses Vertrauen, dieses Anvertrauen Deine große, schöne Liebe, Du!! Deine tiefe Liebe, die immer zu mir findet, in allen Dingen!

Du! Mein [Roland]! Du sollst Dich in mir nie täuschen[.] Wenn ich auch meinen Empfindungen und inneren Regungen hierzu nicht mag die rechten Worte geben können! Du, Liebster, wirst mich verstehen, wirst mich begreifen können! Du kennst mich.

So wie dem Manne liegt dem Weibe das Nachdenken nicht, es kann so intensiv sich nicht auf seinen Verstand konzentrieren wie der Mann. Beim Weibe spricht neben dem Verstande viel das Herz, das Gefühl mit. Verstehst Du mich richtig?

Und so wie Du mit irgend einem Kameraden oder Kollegen Meinungen tausch[s]t, Ansichten, besser Grundsätze vertrittst – ich denke hier einmal an Herrn B. zurück, mit dem Du einmal stundenlang Dich auseinandersetztest über ein Thema – sieh, so einen Verfechter der Meinung wirst Du in mir Dir niemals gegenübersehen. Weißt Du, soweit bin ich einfach noch nicht. Ich kann wohl zu einer Sache Stellung nehmen, sie anerkennen oder ablehnen – wie ich es eben empfinde und verstehe, aus mir heraus. Und ich muß da auch jedermann ehrlich meine Meinung sagen – ich verhehle auch meine Unkenntnis in vielen Dingen nicht – ich bin noch jung und ich wachse auch noch, geistig. Denn ich bemühe mich ja darum, ich öffne Auge und Ohr für alles, was mir noch fehlt.

Herzlieb, an Deiner Seite wird mir das alles leicht werden, Du bist so gütig, so lieb zu mir. Du hast Verständnis für mich in allen Dingen. Und Deine Güte will ich Dir mein Leben lang mit meiner Liebe danken.

Mein [Roland]! Eine Frage ist in mir aufgestanden, seit ich Deine beiden Briefe las, da Du Dich mit unsrer Zeit auseinandersetzt und mit der Welt da draußen. Ich fühle etwas, ich kann es nicht in Worte fassen, ich fühle etwas auf mich zukommen, das ist wie Angst, wie Angst um Dich, Geliebter! Und Angst, daß Du eines Tages Dein Vertrauen zu mir verlieren könntest, Du!! Es ist in mir wie eine Stimme, die sagt: Siegfried ist es, der den Anstoß zu all dem Nachdenken und -Sinnen [sic] gab.

Geliebter!! Ich will Dir nicht weh tun! Du mußt mich recht verstehen! Du!! Du!!!

Ich habe seinen Brief noch einmal gelesen, heute mit anderen Gedanken – habe Deine Worte dazu gelesen – und habe Dich verstehen müssen, Du! Geliebter!!

Wie könnte ich das feine Gedankengewebe, das hierüber gebreitet ist, mit Worten zerreden? Du!!! Ich kann das, was Dein Herz fühlt, was Dein reiferer Verstand Dir sagt wohl nachempfinden! Du!! Herzallerliebster!! Mein [Roland]! Ich bitte Dich herzinnig! Vertraue mir, wie Du mir immer vertraut hast! Ich liebe Dich!

Oh, wie vieldeutig ist heute der Sinn dieser drei Worte! Geliebter! Nicht böse sein! Ich mußte es schreiben, was ich empfinde. Du!! Ach, könnte ich bei Dir sein jetzt! Könnte ich Dich sehen, Deine lieben Augen! Du!! Du!!! Herzallerliebster mein!

Vertrauen und Wahrheit, Wahrheit auch der Gedanken, immer gehören sie Dir! Nimmer soll es anders sein. Von Anbeginn meiner Liebe war es so – ich muß mich Dir geben mit allem, was ich bin und habe. Geliebter! Ich bin Dein Weib! Du!! Vergiß das niemals! Auch wenn Du mir ferne bist!

Du! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich unendlich! Du!!!

Gott behüte Dich! Du!!

Ich bleibe Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946