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[OBF-411014-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 14. Oktober 1941

Herzensschätzelein! Du! Geliebte!

Schon wieder komme ich zu Dir! Der Tag ist so schnell herum! Und bei Dir bin ich ja sooo oft! Du! Wir müssen so dankbar darum sein, daß wir es können, so in Ruhe und Frieden, auch Dein Mannerli. Herzlieb, oft bin ich bei Dir. Und die Gemächer alle im Dornröschenschloß, und die schönen Ausblicke von der Höhe des Schlosses, die gehören doch zu meinen Lieblingsbildern, die ich jeden Tag einmal an mir vorüber ziehen lasse. Und ganz leer sind diese Gemächer dann auch nicht, Du!

Herzlieb! Ich bin doch so ganz zu Hause bei Euch! Und wenn all das, was zu unserem Hausstaat gehört, einmal wird an seinem rechten Platz (!) stehen, dann wird es so fein sein im Dornröschenschloß, daß wir beide von Zeit zu Zeit den Wunsch haben werden, dort einzukehren – und zurückzuträumen, um allen Glückes nur desto mehr inne zu werden. Zurückträumen – uns zurückträumen – – ach Du, wohin wir eben wollen – das Glück war immerzu mit uns in diesen Räumen. Ja, bei Vater und Mutter Einkehr halten, Du, das will ich gern mit Dir! Die liebsten Gäste sind wir den guten Eltern – Du! In ihrem Hause sind wir vor allem Klatsch, vor allen Zudringlichkeiten bewahrt, da können wir uns ganz frei bewegen.

Und die liebe Mutsch darf uns gar nicht alles mitgeben, und sie muß es selber fein wohnlich und gemütlich behalten! Von den guten Hausgeistern aber nehmen wir uns mit ins eigne Heim! Ja? Du!!! Und das eigne Heim soll uns dann der allerliebste Ort werden, Herzelein! Wenn man solch neue Wohnung sieht, hell, klar, Möbel alle neu, zweckmäßig, alle noch ungebraucht – dann schauert einem zunächst ein bissel: kahl, ungemütlich – ung unwohnlich. Und in dieser Wohnung zwei Menschen, die am Anfang stehen, jung sind sie noch, kennen einander noch nicht lange – – –. Da will es einem nicht gefallen. Die Hausgeister lieben das Dunkel, sie sind in dem Eigenen, in dem Selbstgeschaffenen und -erworbenen.

Nun Herzlieb! Wenn ich das bedenke, dann werde ich ganz froh und möchte doch schon am liebsten heute unser Heim gründen! Das Eigene und der Eigensinn und der Wille zum Schaffen, die ziehen mit uns beiden ein! Du!!! In unsrem Herzen ist es gar nicht kahl und leer – oh Du! da ist soviel Reichtum und soviel Lust und Streben zum Planen und Schaffen. Und unser Heim wird bald davon erfüllt sein, wird uns ganz sehr bald der liebste und trauteste Ort sein auf Erden. Wird doch dann auch der Ort sein all unsres Liebesglückes – Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! allen heimlichen Glückes, aller seligen Stunden – oh Herzlieb! Der Ort, da Du Deinem Mannerli alles zuliebe schaffen kannst, und der Ort, da Du ganz froh des inne werden sollst, daß Du mir so lieb und wert bist, daß ich Dich ganz glücklich machen will! Oh Du! Er wird uns ganz, ganz lieb werden! dieser Ort! Und vieles, das wir uns schon geschafft haben und das uns lieb geworden ist und uns etwas bedeutet, wird mit einziehen. Und ich denke an die Bücher und Noten, die dann ihre Stimme erheben werden!

Das Gefühl eines leeren Hauses hatte ich immer, wenn ich von uns zu G.s kam. Nichts in dem Wohnzimmer lud so recht ein zum Verweilen.

Es ist abend, da ich weiterschreibe. Ein kalter Tag war heute. Des Morgens trugen alle Berge weiße Hauben. Zum ersten Male setzten wir den Ofen in der Schreibstube in Gang, mit Holz, die Kohlen kommen erst in den nächsten Tagen. Gefroren wird nicht! Auch nicht gehungert! [Ich] Will Dir nur mal den Speisezettel von heute Mittag aufschreiben: Nudelsuppe, Gulasch und Kartoffeln, Erdbeerkompott. Von jedem so reichlich, daß Dein Mannerli von der Nudelsuppe allein schon satt geworden wäre.

Herzlieb, ich vergaß doch ganz zu schreiben, daß ich am Sonnabend schon (!) die Äpfel bekommen habe. Die 3 gelben sind schon nicht mehr und einer von den grünen hat auch dran glauben müssen. Sie haben ganz sehr gut geschmeckt und ich habe doch immer dabei daran denken müssen, daß Du so lieb mit mir geteilt hast.

Nun hast in Deinem Boten schon vom Weihnachtsmann gesprochen, und daß Du mich schon wieder beschenken willst. Du bittest mich, Wünsche zu äußern. Und ich weiß doch gleich gar nicht, was ich dazu sagen soll. Das Fest liegt noch zu weit. Ach Du! Brauchst nicht bange zu sein, daß ich einsam und ohne Festfreude sein werde. Ich bin unter den Kameraden, und wenn es wird so weit sein, dann rüsten wir gemeinsam zum Feste, und dann sind wir hölzernen Mannerli auch nicht ganz ohne Erfindung und Empfindung. Du, Herzlieb! Ich will doch gar nicht traurig sein zum Feste! – will ganz froh Dein denken und daran, daß ich doch dann bald wieder einmal bei Dir sein werde und zu Weihnachten vielleicht das letzte Mal in der Fremde!!!

Heute habe doch auch ich den Weihnachtsmann laufen sehen! Er hatte es gar eilig. Kaum, daß er mir meine Frage beantwortete. Er habe es weit, müsse den ganzen Weg zu Fuß gehen, Oberfrohna in Sachsen sei sein Ziel, ein kleines, unbekanntes Nest bei Chemnitz. Nun, ich dachte bei mir anders: ein ganz wohlbekanntes Nest – und an dieser seltenen Weihnachtsmannsroute merkte ich auch, zu wem er denn wollte.

Herzensschätzelein! Ich habe Dich sooooooooooooo lieb und möchte Dich doch auch immerzu beschenken. Das Schenken habe ich doch erst bei Dir gelernt! Ach Herzlieb! Du sprichst davon, daß ich Macht über Dich gewonnen habe – und Du? Du hast doch das ganze Mannerli umgekrempelt und in Deinen Bann geschlagen. Und von diesem Bann will ich doch gar nimmer erlöst sein!

Wundersam ist, daß Du die bösen Tage gar nicht gespürt hast. Du! Du!!! Nun will ich doch schon deshalb nur zu Dir kommen, damit Du befreit bist von allen Schmerzen! Herzlieb, so wie Du fühle ich es: mit Dir wird nichts zu schwer sein! Mit Dir wird alles viel leichter sein!

Die sterbenskranke Großmutter hast besucht. Wieviel Dunkel ist um ihr verlöschendes Leben! Wieviel drohende Wolken auf einmal! Sorge, Not, Krankheit! Wieviel Sorge ist unsrer Großmutter erspart geblieben, daß sie diese Zeit nicht miterlebte! Aber es war doch nicht die persönliche Sorge um uns Enkelkinder. Wie schwer muß das Sterben werden, wenn man alles um sich so in Unordnung und Hilfbedürftigkeit [sic] zurücklassen muß. Und nun warst auch Du einmal in den Plan der fürsorgenden Großmutter einbezogen! Das ehrt Dich ganz besonders. Aber selten geschieht, was so nahe und gleichsam auf der Hand liegt. Nicht anders wie ein Komet im Weltenraum, so scheinbar zufällig und doch irgendwie notwendig, kam Dein Mannerli dahergeirrt, ahnungslos, gar nichts Böses im Sinne – und seine Bahn und die Deine kreuzten, begegneten und vereinigten sich. Sichtbarer, scheint mir, als bei vielen anderen Paaren hat es sich gefügt zwischen uns. Die Liebe ist das Band, das uns für alle Zeit innig und unlösbar verschlingt.

Gott bleibe mit uns und segne unseren Bund. Er behüte Dich mir!

Herzallerliebste! Ich bin Dir sooo gut! Ich liebe Dich! Ich bin Dir ganz nahe! Ich küsse Dich herzinniglich und bleibe ewig

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946