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[OBF-411017-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 17. Oktober 1941

Herzensschätzelein! Mein liebes teures Weib!

Ganz neuwaschen [sic] ist Dein Mannerli! Vor einer Stunde saß es noch in der Wanne und wartete vergeblich auf den lieben Bademeister. Aber sein gedacht habe ich ganz sehr. Ich brauche ihn doch. Überallhin kann ich doch nicht langen! Auf dem Heimwege habe ich mir noch ein paar pfundige Trauben gekauft, werden nun bald die letzten sein. Wann wird Frieden sein [sic], essen wir miteinander mal um die Wette, ja? Und dann strecken wir die Weinbäuchel ganz lang ins Bettlein. Wie hieß doch das Kennwort für solche Taten? Schöner Blödsinn. Du! Auch der Übermut muß sich einmal austoben. Aber das Mannerli ist gar nicht übermütig heute, ist’s auch noch nicht wieder gewesen seit seinem Urlaub.

Nun will ich heute doch mal erst auf Deine Anliegen eingehen.

Vom Öfchen schreibst mir. Wär ja sehr, sehr schade, wenn wir es nicht bekämen. Frag nur des öfteren mal nach, vielleicht hilft das.

Ein Buch hat mir mein Lieb geschenkt: „Ich schwöre mir ewige Jugend!“ Dieses Zitat klingt kämpferisch: Ich sage den Kampf an allem Altern, allem Vergreisen und Alter Verkalken. Herzlieb! Ich habe Dir davon schon einmal geschrieben, von der körperlichen und geistigen Beweglichkeit, die man sich recht lange bewahren möchte. In dem Radikalismus des Buchtitels ist auch eine Wwunde Stelle. Erstens ist das frühere oder spätere Altern eine Konstitution, eine Anlage, an der sich so sehr viel nicht verbessern läßt. Zweitens gehört zum glücklichen, gesunden Leben auch, daß man sein Leben jederzeit bejaht, daß man Wachsen, Reifen und Altern bejaht, daß man jede Jahreszeit seines Lebens erfüllt. Ich möchte nicht noch einmal 17 Jahre sein, nein. Und ich möchte keines meiner Lebensjahre wiederhergeben, nein.

Herzlieb, das sind mir eben Gedanken, die ich an den Buchtitel knüpfe. Über das Buch selbst ist damit rein nichts gesagt. Und ich bin gespannt. Und habe über Dein liebes Geschenk große Freude! Du!!! Daß Du nicht erst verkehrt gehst: Bücher kann man vom Verlag nicht direkt bestellen. Der Verlag verweist einen an den Buchhandel.

Du Herzlieb! Auf Deinen Hut bin ich aber bald eifersüchtig; aufs Herzlein drücken, wer darf das denn nur? Du?!! Du!!!!! Der Hut, er hat mich noch nicht einmal gedrückt. Ich freue mich, daß er Dir so gut gefällt. „Ich muß auch eben überschlagen – – – “ Ach du lieber, gestrenger Herr Rechnungsrat! Überschlag Dich nur nicht! Aber nein! Ganz fest halte ich Dich, halte Dich gefangen, gebe Dich nie frei, bis – – bis – – – die ganze ‚Schuld‘ beglichen ist – – – – bis ich Dir all meine Liebe erzeigt habe, Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Wann das sein wird? Oh Geliebte! Ich weiß es nicht. Am Ende meines Lebens? Am Ende der Welt? Oh nein! Ich weiß es nicht! Ich bin Dein, ganz Dein ewig!!!

Vom Kopf bis zu dem Zeh – jetzt sind die Strümpfe dran. Also, entweder neue Strümpfe oder lange Strumpfhalter. Da ist guter Rat teuer. Wie wär es mit dem Mannerli als Strumpfhalter? Bademeister und Strumpfhalter! Ach nein. Da hätt ich doch zu wenig von dem lieben Gesichtlein! Immer nur das Stänglein umfassen vom Herzensblümelein? Ach nein! Wenn es schon ein Halter sein müßte, dann lieber ein anrer – aber das sag ich nicht – Du!!! Du!

Hat mein langes, rankes Herzlieb doch alles einmal kurz gesehen. Auch das liebe lange Jahr. H. hat erst Geburtstag im November. Aber vielleicht kommen die guten Wünsche nun gerade recht. Wo wird der ärmste ihn feiern? Gott schenke ihm Kraft und Geduld!

Ich danke Dir recht sehr, daß Du mir die Grüße und Wünsche des Herren G. übermittelst. Sie bedeuten mehr als diejenigen eines anderen Bekannten, ich weiß es. Und ich bitte Dich, wenn Du ihm wieder begegnest, sage ihm, daß ich mich sehr gefreut habe und seine Grüße und Wünsche auf das Herzlichste erwidere. Was er Dir und uns zur Beherzigung sagte, kann uns nur bestärken in den Glauben an Gottes Gnade und in der Dankbarkeit zu Gott. Möchten diese Worte auch Dich ein wenig ausgesöhnt haben mit unserem Los, liebes, herziges Weib!

Nun hat auch die Gertrud Gr. [sic] drangemußt. Bis nach Flensburg hätten Dir vor einem Jahr auch bald nicht mehr viele Kilometer gefehlt. Möchten dem guten Mädchen die erste Flucht aus dem elterlichen Neste von Segen sein!

Herzlieb! So wie Dein Mannerli mit seinem 07er Jahrgang bist auch Du nun um etliche Erlebnisse und Pflichten gekommen. Weiß nicht, ob Du nicht manche Stunde es mit Bedauern bedenkst. Wenn Du diese entscheidenden Jahre mit ihrer großen Chance für jeden Menschen ganz ledig erlebt hättest – wer kann sagen, welche Richtung Dein Leben dann wohl genommen hätte? Ob Du Dich dann nicht dann erst recht Dich hättest auswachsen können?

Geliebte! Mir ist nicht bange um Deine Antwort. Du glaubst mit mir an Gottes guten heiligen Willen. Und bei ihm war es beschlossen, daß wir einander fanden vor diesen Jahren, daß Dein Leben nun eben diesen Verlauf nahm, daß ihm diese bestimmte Richtung gegeben wurde. Ich weiß: Du rüttelst nicht ungeduldig an diesen Schranken, Du erkennst mit mir vielmehr darin ein neues Zeichen göttlicher Fügung.

Geliebtes Weib! Mit dieser Fügung wurde Dein Leben zu dem meinen geschlagen, mein Leben dem Deinen genähert.

Denn ich möchte meinen, daß Dir ein solches Lager meinethalben schon, Dir lebenshungrigem, schaffensfreudigen Menschenkinde solch mächtige Impulse gegeben hätte, Anregungen, die Dich dem neuen jungen Lager- und Gemeinschaftstreiben im durchaus guten Sinne zugeführt und gewonnen hätten. Denn der Aufgaben sind da viele und gute. Nur, scheint mir, fehlt dieser ganzen Riesenarbeit eine straffe Führung und Leitung, fehlt ihr außerdem ein letzter hoher Sinn, fehlt ihr auch eine gewisse Originalität. Ich sehe nichts, was Familie und Schule nicht ebensogut könnten und früher schon leisteten. Herzlieb! Das wird mir heut Abend zum ersten Male in seiner ganzen Bedeutung recht bewußt, daß Du mir an einer ganz entscheidenden Stelle Deines Lebens die Hand reichtest. Nun habe ich Dich in mein Lager, zu mir, in unsere Familie und damit in eine ganz bestimmte Position zu der neuen Zeit herübergezogen – und Du hast meine Hand ergriffen und Dich damit meiner Führung anvertraut. Geliebte! Du weißt, wie glücklich und verantwortungsbewußt zugleich mich das macht! Und Du wirst es schon gefühlt und erkannt haben, wie Du mit mir und uns zu den vielen Menschen gehörst, die wachsam und kritisch diese Zeit sehen, die sich nicht widerstandslos in den großen Menschenbrei einschmelzen lassen, in dem so etliche Zeitgenossen so recht nach Herzenslust herumrühren möchten, zu den vielen Menschen, – die doch in einem Volke stets eine Minderheit waren und sein werden, - die ohne das ein gewisses Maß persönlicher Freiheit und eig[e]ner Verantwortlichkeit nicht leben mögen.

Herzlieb! Du fühlst Dich wohl unter uns, Du bist glücklich an meiner Seite, Du vertraust mir ganz! Des bin ich so froh!!! Sooo froh!!!!! !!!!! !!! Du hättest anders auch nimmer zu mir gefunden – hättest anders mich nimmermehr so lieb gewinnen können – wenn Deine Seele der meinen nicht so nahe verwandt, Dein Herzschlag dem meinen nicht so ähnlich gewesen wäre! So, wie ich Dich schaue – so wie ich Dich liebe – so, wie ich mit Dir leben möchte – Du! Du!! Sag mir noch einmal, daß es Dich ganz glücklich macht und erfüllt! Geliebte! Geliebte!!!!! !!!!! !!! Ich weiß: es ist ein ganz eigenes Schauen, ein ganz eigenes Lieben, ein ganz eigenes Planen (ich sehe auch nirgends die neue Zeit entscheidend darin eingreifen) – Gott ist darin, und einbezogen ist es in die Gotteswelt wie Sternenschicksal, und Herzensdrang aus heißer, tiefer Liebe – – Du! Du!! Du!!!!! !!!!! !!! So wie es zwischen zwei Menschen immer war von Anbeginn, die einander so sehr liebten wie wir uns beide! So wie es die Menschen allzeit träumten und sangen und dichteten!

Oh Herzensschatz, Du! Geliebte mein!!! Ich weiß Dich ganz mein Eigen, ganz dicht an meiner Seite, ganz nah in meinem Herzen ob Deiner großen Liebe! Gottesgeschenk, Geselle mein!!!

Geliebte! Ich fühle es wie nahe und aufgeschlossen wir einander sind! Herzensblümlein! Ich spüre es wie Du glücklich bist im Sonnenschein meiner Liebe!

Oh, und ich bin großer guter Zuversicht und festen Vertrauens, daß Gott im Himmel mit uns ist – er hält uns – er führt uns – wie er bisher uns so sichtbar und wundersam führte und segnete! Und Du, Geliebte – unsrer Liebe beste Frucht – glaubst mit mir!!! Oh, Du liebst mich! Du liebst mich!!! Du schreitest gläubig und froh an meiner Seite! Du bist mein Weib, und bejahst es aus tiefstem, liebevollem Herzen – und das ist mein ganzes Glück, mein Reichtum, mein Leben! Ich liebe Dich soooooooooooooooooo sehr! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Gott behüte Dich!

Ewig Dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946