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[OBF-411023-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 23. Okt. 1941

Mein liebes, teures Herz! Geliebte mein!

Noch immer keine Post! Aber Du bist nicht schuld. Ich bin gewiß, daß Du mein denkst, ganz lieb, oh so lieb! Und ich bin heute so froh und ertappe mich heute vormittag über dem Musizieren pfeiffenderweise. Gewiß kommt das Frohsein von Dir liebsten Herzensschatz. Herzlieb, Du! Ich bin Dein so ganz glücklich gewiß, Du!!! Du liebst mich! Du!!! So lange schon! Und so treu! Und ich habe ihm mein Herz geöffnet, dem Strom Deiner Liebe, jedes Herzkämmerlein, daß es sich darin ergießt bis in die feinsten Adern, daß Du mich liebst in aller Eigenart. Und so wie der Deine hat sich der Strom meiner Liebe in Dein Herz ergossen – Geliebte Du!!! – der lang gestaute Strom, er will Dich ganz erfüllen, er hat ein Bett gefunden, das wird er nie mehr verlassen – ich habe Dich liebgewonnen mit allen Deinen Eigenheiten und gerade in dieser Eigenart. Du bist mein einziges,  allerliebstes Weib, daß ich gegen kein anderes je austausche. Alles liebe ich an Dir – oh, sooo sehr! Alles, alles! Du!!! Herzlieb! Mein[e] Liebe zu Dir ist sooo vielfältig verankert, und unlösbar fest, sie umspannt mein ganzes Sein und Wesen. In ihr pulst alle gute Kraft, aller Lebensmut, und was sie pulsen macht: die Gewißheit Deiner Liebe! Du liebst mich! Liebst mich!!! Ein Weib! Mein Weib!!!!!!!!!!!!! Oh Du!!!!! Du! Es ist Leidenschaft in unsrer Liebe! Echte, tiefe Leidenschaft! Segne Gott im Himmel unsre Liebe! Halte er uns demütig in unserm Glücke!

Eine einzige Sorge sehe ich in meinem Glücke: daß Du ganz erfüllt sein möchtest von meiner Liebe! Daß Du ganz glücklich sein möchtest! Aber dieser Sorge wollte ich auch zuleibe gehen, wenn sie greifbar würde! Ich will Dich ganz, ganz lieb gewinnen! Ich will Dich ganz, ganz erfüllen! Dich, mein Weib!!! Ach Herzlieb! Wenn Du jetzt bei mir wärest, ich müsste Dir doch gleich einmal zeigen, wie lieb ich Dich habe! Und wenn das Glück aus Deinen Augen leuchtete, wollte ich sagen: noch lieber will ich Dich gewinnen!!!!!!!!!!!!! Du!!!!! Du!!!!!!!!!!!!!

Heute während der Mittagsstunde habe ich mich ein wenig langgestreckt und habe zurückgeträumt ins Land unsrer Liebe. Du! Du!! Bist mir doch ans Herz gewachsen – gewachsen – Geliebte!!! Und anders hätte ich es doch auch nicht gewollt! Verwachsen wollte ich mit meinem Lieb zu einem Ganzen, einem Paar! Was gewachsen ist, ist gut und hält! War doch noch gar nicht ganz erblüht, mein Herzblümelein! War noch halb Knospe und so zart – hätt doch das Röslein kaum berühren mögen – und brechen schon gar nicht, der wilde Knab! Du!!!

Herzlieb! Es ist doch wundersam, daß wir so gut harmonieren trotz unseres Altersunterschiedes. Ich merk ihn doch gar nicht! Entweder ist das Mannerli noch so jung – oder das Weiberli schon so alt, oder beides, oder bindet die Liebe, die tiefe, viel fester, als das Alter trennen könnte. Ich besinn mich doch, wie ich in den Jahren zwischen 9 und 20 den Unterschied von 3 Jahren empfand, der mich von Hellmuth trennte, wie empfindlich ich ihn oft empfand, trennend, wie ich ihn noch empfinde gegen Siegfried. Aber das mag unter Geschwistern nur natürlich sein.

Und ich empfand ihn auch zu Dir, als wir uns eben erst kennenlernten, und die Scheu und Bangigkeit zwischen uns stand, als wir noch so wenig gemeinsam hatten. Und ich fühlte mich stärker und Dir überlegen und glaubte, daß ich Dir helfen müsste. Aber nun, Herzlieb?!!!!! So rank und schlank und groß, wie Du mir gegenüber stehst, mein Geselle, mein Lebensgefährte – so bist Du mir gleich, gleich an Kraft zu schenken und zu empfangen, gleich an Reichtum des Herzens – – –  ach Herzlieb, ich kann es ja nicht messen. Aber eines fühlte ich, des bin ich ganz inne: daß Du mir Heimat sein kannst, daß ich in Deinem Herzen tiefste Geborgenheit und Zukunft finde – ach Du, Geliebte!!!

Wie mein liebstes Geschwister, meinen besten Kameraden fühle ich mich an Deiner Seite michDich an Deinermeiner Seite – fühle mich Dir so verwandt, so gleich. Du! Und weil das so ist, ist unsere Liebe so mächtig. Ich liebe Dich so stark wie du mich liebst, geliebtes Herz!!!!! So gleich lang, wie wir einander unsere Hände reichen können, so umschlingen uns die Bande unsrer Liebe! Du! Wie schön die Zeit, da wir uns lieben lernten – und so bedeutsam in jedem Schritt! Als Du mich küßtest – Herzlieb! Du!! Leckermäulchen! Ach mein! Es war doch vielmehr als das!!! Ich sehe Dich doch noch stehen beim Abschied – ganz versunken und trunken und selig!

Und dann mein Besuch im Elternhaus. Du, Herzlieb! So ernst und bedeutsam mußte ich alles nehmen. Da gehe ich noch auf der regennassen Landstraße nach Schandau zu im Dunkel der Nacht, um mit mir ins Reine zu kommen. Und dann? Siehst Du uns noch stehen Herz an Herz oben am Wasserwerk – es wird alles gut werden! Und dann lag ich im Gastbett im Hotel zum Hirsch – und schaute zurück, Dankbarkeit und Freude im Herzen – frohe Hoffnung für die Zukunft. Oh, das wir es immer dankbar bewahren, was wir erhofften und wie es sich erfüllte! Und darnach erst das Du! Und Geliebte! Geliebte!!! Als ich so froh zurückkehrte vom Elternbesuch und unserem K[unklar]bergausflug, da habe ich mir doch Vorwürfe gemacht, daß ich Dich mit dem Du nicht näher zog an mein Herz. Und nun konnte ich es doch kaum erwarten, daß ich beim nächsten Wiedersehen Dir schenken konnte, das Du!

Ach Herzlieb, so Schritt um Schritt, so langsam haben wir uns genähert.  Der Andere war Dir doch schneller vertraut, war viel  früher bei Deinen Eltern und nahm Dich mit zu den seinen. Dein Mannerli war weniger ungestüm, es brauchte Zeit, um all das Erleben zu verarbeiten, brauchte länger Zeit, um sich recht zur Hochzeit zu bereiten. Mußt’  ihn all hervorsuchen[,] den Hochzeitstaat, den es in seines Herzens Schrein angesammelt hatte – mußt’ mit sich ins Reine kommen vor dem Feste des Lebens – mußte sein Herz bereiten und den Thron errichten für meine Herzenskönigin. Oh Geliebte! Welch reiche Zeit der Vorbereitung, welch festliche Zeit! Hat doch das Mannerli ganz aus dem alten Geleise geworfen – so wie mein Herzlieb auch, denke ich – und wird ja nie mehr in das alte Geleis kommen, fährt ja nun mit dem herzlieben Weiberl auf einem ganz neuen, gemeinsamen Geleis.

Geliebte! Du hast mich ganz! Und so habe ich es ersehnt, das Glück der Liebe: daß es mich um und umwandele zu einem ganz neuen Leben, daß ich ein Menschenkind unsagbar lieb gewinnen möchte, daß ich mich ganz daran verlieren könnte, daß ich mein Herz mit dem seinen tauschen dürfte! Geliebte! Du weißt, wenn ich zurückträume in die Zeit der Vorbereitung, dann nur, um unsres gegenwärtigen Glückes desto mehr inne zu werden. Oh Du! So sehr liebhaben werden wir einander immer, daß wir keine Stunde wehleidig in die bessere Vergangenheit zurückblicken. Herzensschätzelein! Du!!! Ich möcht Dich sooo sehr liebhaben – heute – immer! Immer habe ich Dich lieb! Unwandelbar und treu – weil sie tief, tief im Herzen drin wurzelt, unsre Liebe! Gott im Himmel segne sie! Er behüte Dich! Ich liebe Dich sooooooooooooo sehr! Du! Du!!! Dein Mannerli! Dein Schätzelein! Dein [Roland]. Ganz Dein! Und Du?! Du?!!!!!

Bist ganz ganz ganz mein!!!

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.411023-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946