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[OBF-411023-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 22. Oktober 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Geliebter!!! Mein [Roland]!

Heute geht es bei b mir drunter und drüber! Der Ofensetzer ist zu Mittag fertig geworden, anschließend habe ich gleich das Haus von oben bis unten gewischt: Damit sich niemand über den Schmutz beklagt. So ein großer Dreck! So schlimm hatten wir's uns nicht vorgestellt. Es sah aus, in unsrer Küche, als wäre eine Bombe eingeschlagen! Ein großer Bottich voll Lehm, ganze Haufen von Ziegel und Abfall!

Endlich ist nun wieder der Fußboden zu erkennen. Ich habe nun gleich noch aufgewaschen, damit Mutter das nicht zu tun braucht. Ich muß doch in 20 min. zur Kinderschar, um 3 Uhr fange ich an, bis 5 Uhr. Lore hat heute Gäste, sie hat Geburtstag. Mir liegt garnicht viel daran, wenn ich nun fortrennen muß, wo alles so schmutzig herumliegt. Ich muß gleich wenn ich wiederkomme, tüchtig weitermachen mit Mutsch.

Also mein Lieb! Ich schicke den Brief noch nicht fort, vielleicht reicht's he[u]te abend noch zu einem Plauderstündchen. Auf Wiedersehen jetzt! Geliebtes Herzlein! Und tausend frohe Grüße von

Deiner [Hilde].

Herzensschatz! Gestern abend wurde nichts mehr daraus. Du nimmst es mir nicht übel, ja? Um 5 [Uhr] kam ich aus der Schule, bin anschließend gleich in die Stadt, u[m] Ofenlack zu kaufen – da überlegte ich mir doch, daß ich Lore G. mit paar Blümchen zum Geburtstag gratulieren müßte. Also, gedacht – getan. Und gleich lief ich noch hin zu ihr, daß ich noch vor'm Dunkelwerden heimkomme. Eine große Runde Gäste waren schon versammelt und ich konnte nicht umhin, eine Tasse Kaffee mit zu trinken.

Es war sehr nett, dies halbe Stündchen bei ihr. Kurz nach 6 [Uhr] war ich daheim. Mutter arbeitete schon! Glaubst, es sah [a]ber auch fürchterlich schmutzig aus! Von der Decke bis zum Fußboden – nichts als Staub und Ruß! Ich zog mich gleich um, bereitete das Abendbrot und danach ging's mit ans Werk; alle Gegenstände abseifen. Ach und das ganze drum und dran – kannst Dir schon vorstellen, ja? Um 11 [Uhr] abends machten wir Schluß. Wuschen uns und gingen zu Bett. Sonderbar, alle beide klagten wir über Kopfweh. Und nachdem 2 – 3 Stunden vergangen waren, hörte ich Mutter umgehen. Ihr war ganz elend. Schlecht, sie erbrach sich und wahnsinnige Kopfschmerzen plagten sie. Ich kochte Tee, gab ihr Karmelitergeist ein. Es wurde nicht besser. Sie liegt noch jetzt im Bett – es ist vormittags gegen 10 Uhr, endlich ist sie eingeschlafen!

Ich wecke sie auch nicht. Werde sie im Geschäft entschuldigen. Ich denke mir nur, sie hat so schlechte Gase eingeatmet, als die [sic] den Ofen putzte. Weil sie den Abzug nach der Esse hin zugeschoben hatte. Der Ofen war gestern mal kurz gefeuert. Es roch auch wirklich schlecht gestern abend, mag auch der Lack gewesen sein. Jedenfalls glaube ich fest, daß hier der Grund des Übelseins liegt. Mutter atmet nun viel durch den Mund ein und s[o] ist alles in den Magen gegangen. Auch ich spüre noch ein dumpfes Gefühl im Kopf, aber das wird sich geben. Dann, wenn ich Fenster putze, bin ich viel an der frischen Luft.

Gleich will ich mal nach der Apotheke gehen, Mutter Baldriantee kaufen und paar Spalt-Tabletten. Bin neugierig, wann sie erwacht. Herzlieb! Jetzt muß ich erst mal aufhören, ich muß auch noch Gemüse putzen, daß wir heute etwas zu Mittag essen können!

Ich denke, daß mir trotz der vielen Geschäfte, die hier überall noch warten, soviel Muße bleibt heute nochmal Dein zu denken! Ich nehm den Brief dann gleich mit.

Oberl. [sic] G. aus Wehlen verlangt wieder mal 6.- M, den Jahresbeitrag. Ich will's ihm überweisen nachher.

So! Mein Schätzelein! Das ist aber heut' ein richtiger Geschäftsbrief, gelt? Gott behüte Dich mir!

Ich bin in Liebe und Treue ganz

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946