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[OBF-411023-002-02]
Briefkorpus

Donnerstag, am 23.10.1941.

Geliebtes Herzelein! Mein [Roland]!! Du!!!

Jetzt ist Nachmittag, und ich bin eben fertig mit den Küchenfenstern säubern. 3 Uhr zeigt die Uhr! Na, 's ist egal, Du! Nun muß ich Dir erst schnell noch etwas erzählen, ehe ich mich für Deine beiden lieben Boten bedanke.

Komme ich zur Apotheke und verlange Tabletten, weil gerade der Herr Apotheker selbst mich bediente, frage ich ihn um Rat, was ich bei Mutters Beschwerden am besten gebe und erkläre ihm welchen Ursprungs sie sind. Er sagte gleich, das ist eine Kohlenoxydgasvergiftung [sic], alle Anzeichen deuten darauf hin – wenn sie auch leichter Natur ist; denn in den wenigsten Fällen tritt Bewußtlosigkeit ein, trotzdem müssen sie den Arzt zu Rate ziehen.

Gut, mir war es so lieb. Ich rief das Frl. Dr. R. in Mittelfrohna an. Sie war krank. Also mußte ich zu Dr. H. gehen. Er ist im Lazarett. Ich bin hereingelassen worden, auch empfing er mich in seinem Sprechzimmer. Nun teilte ich ihm meine Besorgnis um Mutter mit, bat ihn, mir etwas aufzuschreiben. Er war sehr nett und hieß es vernünftig, daß ich ihn verständige. Solche Vergiftung, ganz gleich welchen Grades, könnte verschiedene Komplikationen mit sich bringen – oft erst Tage danach. Nervenstörungen, Zuckerabsonderungen u.[nd] and[e]res mehr. Es war ihm nicht möglich, selbst zu mir zu kommen, weil er als ein einziger Arzt 250 Verwundete betreuen muß. Sein Stabsarzt, sein Vertreter, ist auch krank und eine neue Vertretung ist noch nicht da. Er klagte, daß er kaum noch durchkäme. Nachmittags hat er 2 Stunden Privatsprechstunde, da kann er nur die dringendsten Fälle annehmen. Und so bestimmte er, daß Mutter um 3 [Uhr] zu ihm in die Sprechstunde kommen soll; er will sie sich mal anschaun.

Ich soll ihr unterdessen bissel Alkohol geben und Atemübungen machen am geöffneten Fenster. So war ich nun wenigstens beruhigt! Als ich heimkam und Mutter erzählte, daß ich beim Arzt war, wollte sieh schimpfen: es sei wohl nur eine Überanstrengung. Aber ich merkte ihr doch an, wie froh sie war, daß ich gleich in die richtige Schmiede gegangen war. Sie folgte mir auch. Trank Magenbittern! Und atmete schön lang aus und wieder ein. Nun hat sie mittags auch etwas zu sich genommen, jetzt ist sie beim Arzt, nun bin ich ja gespannt, was er ihr noch gibt. Die Kopfschmerzen halten noch in unverminderter Heftigkeit an, auch über Schwindelgefühl klagt sie. Das konnte noch dumm ausgehen! Man denkt doch, wenn mittags schon das Feuer im Ofen ausging, sind gegen Abend keine Gase mehr vorhanden, und ich achtete garnicht drauf, ob sie den Schieber zu oder offen [ha]tte. Bei mir ist der Druck nun gewichen, sicher weil ich an der Luft war.

Bis Mutter nicht ganz wieder auf der Höhe ist, lassen wir sie nicht ins Geschäft gehen. Die schlechte Luft würde ihr jetzt nur schaden.

Du! Herzlieb! Wirst denken: immer etwas Neues – und nichts Gescheit's! Ich kann's auch nicht ändern, es ist schon so: ein Unglück kommt selten allein. Aber trotzdem wollen wir den Kopf oben behalten! Nicht abergläubisch sein! Ich bin voll Vertrauen, ich glaube fest, daß Mutsch geholfen wird in ihrer Leibgeschichte. Und das neue Geschick? Es soll mir nur eine Mahnung mehr sein, auf die Mutter zu achten so gut wie ich kann und wo ich nur kann! Mutter ist im Eifer, vor allem im Arbeitseifer, oft zu leichtsinnig mit sich und ihrer Gesundheit. Und ich habe auch schon ein wenig Veranlagung dazu! Du!! Hast mich selbst schon gemahnt, Liebster. Und darum ist es meine Pflicht, auf uns beide besonders gut zu achten. Heutzutage hat ja nicht mal ein Arzt Zeit für einen, darum muß man doppelt achtsam sein.

Bitte, Herzlieb! Mach Dir keine unnützen Sorgen! Dazu ist kein Grund! Ich berichte Dir getreulich Gutes und Böses – ich kann nicht anders. Du!! Und bald kann ich Dir auch sagen, was der Arzt gemeint hat.

Herzensschätzelein! Nun muß ich Dir doch erst einmal danken, von ganzem Herzen danken für alle Deine Liebe! Du!! Mein Sonnenscheinchen! Mein Lieb!!! So lieb sind Deine beiden Boten vom Donnerstag und Freitag, die mich heute erreichten! Ach Du!! Du!!! Eine ganze Welle Glück's ist hereingeflutet zu mir! Wie durchwärmt sie mein Herz – wie übersonnt sie meine Seele! Ach Du!! Du!!! Du bist doch das allerliebste, allerbeste Mannerli auf der ganzen Welt!! Und ich will mir das liebe, gute, herzensgute festhalten, sooooooooo fest!! Mit all meiner Liebe! [D]u!!! Du hast mich sooo lieb! Herzelein liebes!! Beseligt und beglückt fühle ich es täglich auf's neue! Oh Du!! Wie stark macht solch frohes glückliches Bewußtsein solcher Liebesseligkeit, solchen Einsseins!

Ach Du spürst es doch ebenso beglückt wie ich, Sonnenscheinchen, mein herziges! Du hast mir heute die Sonne gebracht, ach, mehr noch als die Sonne! Alles Glück dieser Welt! Mit Deinem Bekenntnis der Liebe! Du!! Oh Du!!! Ich muß es Dir immer und immer wieder jubelnd sagen: Ich liebe Dich, ich bin so ganz glücklich mit Dir! Bin so ganz eins mit Dir! Du bist immer das höchste Gut auf dieser Erde, mein Geliebter!! Unersetzlich bist Du mir! Ach Geliebter, meine Erfüllung bist Du! Ja! Du! Erfüllung aller Liebessehnsucht – Erfüllung allen Heimverlangens nach Geborgenheit und Verstandensein. Oh, Geliebter! Möge Gott segnend seine Hände über uns breiten – möge er uns zusammen leben lassen, bald, bald, in gutem Frieden!

Schätzelein! Die Zeit reicht heute nicht aus auf alles in Deinem lieben Boten einzugehen, wir müssen erst mal wieder zur Ruhe kommen mit unsrer ganzen Räumerei und das wird vor Sonntag nichts, Wochenende, wenn ich die Buben nicht nochmal kriege müssen wir die Doppelfenster reinhängen. Denke nur, gestern hat es geschneit! Richtig lange und gegraupelt! Der Schnee blieb eine ganze Weile liegen und heute ist es soo kalt, man muß Handschuhe tragen. Da fängt's heuer beizeiten an! Wie gut, daß der Ofen nun in Betrieb ist! Er brennt gut und wärmt auch gut, soviel wir heute, am ersten Tage seiner Tätigkeit feststellen können. Noch eins ist zur Hand! Was der Kachelofen nicht schafft, das schafft der andre mit Strom! Mir ist nicht bange vor dem Winter, oh nein.

Du! Erzählst mir auch in Deinem Boten, daß es so krasse Gegensätze in der Witterung gibt da, wie zuhause in Deutschland in der Herbstzeit.

Rauhe kalte Tage – sonnige, warme Tage. Und Dir streichelt die liebe Sonne lieb den Buckel! Ei freilich, wenn sie in Saloniki bei solch wichtiger Beschäftigung aufgehalten wird! Na, dann kann sie nicht auch bei uns sein. Dein langer, breiter Rücken, da geht schon eine Weile hin, ehe der gründlich gestreichelt ist! Du! Ich bin ein bissel eifersüchtig auf die liebe Sonne!! Das könnte ich doch ebenso gut auch machen! Und soviel Zeit müßte bei mir werden, ich würde Dir dabei ins Öhrchen flüstern, was ich Dir alles schreiben wollte. Denn da springt doch die Schreibzeit heraus, beim Rückenstreicheln! Wie wär's?

Willst Du mich beantragen durch die Marineschreibstube? Setzt Dich mit dem Limbacher Arbeitsamt in Verbindung – da ist gleich Verständnis da!!

Einen Bademeister benötigst Du auch! Also gibst Du an: ich benötige umgehend eine Schreibhilfe, dir mir anschließend meine Freizeit verschönt. Fertig! Mal sehn, ob es durchgeht! Ach ja! Dieser Beruf wäre gar bald überfüllt! Du!!!

Weißt! Wir holen ja alles, alles nach wenn wir erst beisammen sind! Und dann ermessen wir das große Glück des Umeinanderseins erst recht, wenn wir es jetzt noch immer ein Weilchen entbehren müssen x. Oh Du!! Du!!!

Mit Dir leben und schaffen – ein Leben lang. Herrliches Ziel! Höchste Seligkeit! Erfüllung! Geliebter! Gott erhalte mir Dich! Er lasse Dich froh und gesund heimkehren! Er segne uns[e]ren Bund! Du!! Ich liebe Dich!

In Ewigkeit Dein! Ganz Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946