Bitte warten...

[OBF-411025-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 25. Okt. 1941

Herzelein! Geliebte, Du! Mein liebes, treues Weib!

Nun geht die Post wieder, und ich weiß, was mein Schätzelein treibt, kann wieder richtig teilnehmen an allem, kann immer um Dich sein! Heute erreichten mich die lieben Boten vom Sonnabend und Sonntag. Sei viellieb bedankt, Herzensschatz, Du! Oh du! Du!!!

Mir ist doch so eigen ums Herz! Ganz allein bin ich jetzt. Ich möchte Dich bei mir haben! Möchte Dich ganz, ganz sehr liebhaben, Du! Ach Du! Du!!! Meine Gedanken, meine Sehnsucht, meine Liebe greifen nicht ins Leere! Sie gelten einem lieben Menschenkinde, meinem lieben, schönen Weibe! Du!!!!! Und wenn es sich nun neben mich setzt, da muß ich es umschlingen – da muss ich es herzen und drücken – und küssen, küssen – Du!!! Du!!!!!!!!!!!!! Muß in seine Augen schauen – bis auf den Grund – und dann müssen wir einander ganz lieb haben – müssen Herz an Herz spüren und von dem Bronnen unsrer Liebe trinken! Oh Geliebte, Du!!!

Ich war doch so voll großer Sehnsucht und voll Verlangen in derselben Nacht zum Sonnabend. Du! Oh Du!!! Unsre Liebe überwindet alle Ferne!

Nun hat ja ein großes Besuchen begonnen hin und her. Ganz bunt geht es durcheinander. Ich könnte ganze Freude daran haben, wenn es nur nicht so schwierig wäre mit den Lebensmitteln. Wie Sternschnuppen purzelt die ganze Verwandtschaft durcheinander – mein Herzlieb ist der treue Stern, den ich immer an derselben Stelle des Zimmers finde. Tante G.: Ich freue mich mit Dir, daß sie Euch aufsucht in Oberfrohna. Und noch einmal [Nordhoff] – Vater und Mutter! Oh, mein Herzlieb ist rings umstellt von der ganzen großen Familie [Nordhoff] und hat schon einen festen Platz darin – des bin ich ganz froh und stolz, Du!!!!! Und nun werd ich doch heute und die nächsten Tage daran denken, daß Ihr recht froh beisammen seid! Und Dich, Geliebte, mag der Besuch recht froh daran gemahnen, daß ich ganz Dein bin. Sei Gott mit uns allen und der ganzen Familie!

Wir müssen so dankbar sein für unser Schicksal bisher in dieser schlimmen Zeit. Ach, möchte es auch mit der lieben Mutter eine Wendung zum Besten nehmen! Vielleicht vertraut sie sich meiner Mutter an, das erleichtert und tröstet. Nun hat mein Schätzelein aber wieder alle Hände voll zu tun, muß wieder alle Register ziehen seiner Umsicht. Du! Du!! Übernimm Dich nicht! Und wenn Du Zeit einsparen mußt, tu es nicht auf Kosten Deiner Ruhezeit, knapp dem Mannerli eine Seite ab von seinem Brief. Er geduldet sich bis zu den ruhigen Tagen. Er hat Dich deshalb ebenso lieb! Soooooooooooo lieb, Du!!! Und er weiß, daß ganz von selber die Tage kom[m]en, an denen mein Herzlieb alles beiseitestellt und mit mir p[la]udert und mir alles anvertraut - oh Du! Soo lieb und beglückend.

Oh du liebes, herziges Weib! Ich kann doch gar nicht sagen, wie so lieb ich Dich habe! Und ich darf heute gar nicht so sehr daran denken – Du!!! Du!!!!! Sonst wird die Sehnsucht übermäßig nach Dir! Und das soll sie nicht! Mächtig soll sie bleiben! Oh Geliebte!

Du bist mein! Ich habe dein Wort! Ich trage dein Ringlein. Tausend liebe Unterpfande schenktest Du mir! Schenktest mir, was Du nur einmal im Leben schenken kannst – schenktest es mir! Du, wer bin ich denn, der Glückliche? - Dein Roland, Dein Mannerli! Du weihtest Dich mir mit Leib und Seele! Du schenkst mir Dein Leben!

Oh Geliebte! Das muß ich einmal in Worte bringen – Du! Ich muß es singen -  damit du es fühlst, wie mein Herz hüpft und springt vor Jubel und Glückseligkeit, wie glücklich mich Deine Liebe macht! Oh Herzlieb! Ganz tief durchdrungen bin ich von der Größe und Kostbarkeit Deiner Liebe! Wie will ich Dir danken! Wie will ich Dich lieben! Wie will ich Dich hüten, Holde, Geliebte, Herzblümelein, das mir erblühte! Oh nimm Vorlieb mit meines Herzens Thron! Oh, laß dich festhalten und lieben! Lieben!!!!! Herzenskönigin! Herzlieb! Heute ist das Mannerli einmal ausgegangen, Kamerad K. blieb daheim, er war abgespannt. Ich wollte die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, den Robert-Koch-Film mir anzusehen.

Es war schon ein Erlebnis! Ich meine, du hast ihn schon gesehen. Es hätte auch wenig Wert, den Inhalt in Worten wiederzugeben. Was diesen Film so wertvoll macht wie alle großen Filme, das ist die Atmosphäre, das Unausgesprochene, das Schicksalhafte, das die Gestalten umgeistert und die Gefühlskomplexe und Kraftfelder, die mit dem Geschehen angerührt werden. Das Feinste und Kostbarste und Eigenste an diesem Film [ist] wohl die Begegnung und Auseinandersetzung der beiden großen Ärzte, der Edelmut, die Großzügigkeit und Selbstüberwindung des Königs der Ärzte, des alten Virchow. Daneben aber die menschliche Größe und Güte Kochs selbst.

Herzlieb! Das ist das große Erlebnis bei unseren beiden großen Filmschauspielern immer wieder. Die Güte und Größe des Herzens leuchten zu sehen. Man empfindet sie als eine ganz große Kostbarkeit und Seltenheit in unsrer Zeit. Die beiden größten Tugenden können unserem Volke gar nicht oft genug vorgehalten werden. Der gestrige Film läßt, wenn auch nur in kurzen Rollen, eine ganze Reihe von Männertypen, [sic] vorüberziehen. Da ist der Vater des jüngeren Mannes, der eben sein Doktorexamen bestanden hat und zuletzt das Opfer der  Forscherarbeit wird: ein scharf geschnittenes Gesicht, fast von überzüchteter Art, und so auch der Mann, der dahintersteht, etwas kalt, betont stolz und standesbewußt, irgendwie festgefahren in seinem Gleise und beengt im Sinn.

Da ist der gutherzige, laute, poltrige, lebhafte Herr Baron, dessen Frau so schnell  kuriert war. Und gegen Ende, auf dem Ball im Kaiserschlosse, werden ganz kurz ein paar arrogante, bissige, zynische Offiziere charakterisiert, jämmerliche, bedauernswerte Figuren, wenn man auf ihr Herze schaut. Und ist es nicht eigenartig und bemerkenswert, daß diese gütigen und gemütlichen Menschen auch äußerlich einen ganz besonderen Typus darstellen? Einen Typus, der meist abweicht von dem Urbilde menschlicher Schönheit und dem klassischen Ebenmaß?

Du! Herzlieb! Den Regungen der Herzensgüte immer mehr Raum zu geben, daran will ich mich eifrig mühen. Und wenn ich mir etwas wünschen soll fürs Alter, dann ist es, daß von mir die Kraft solcher Herzensgüte ausgehen möge, Du! Und ich bin sooo sooooo glücklich, daß ich in Dir ein  Menschenkind fand, daß diese größten Tugenden, Gaben sind es, Güte und Größe des Herzens, in so reichem Maße besitzt.

Oh Geliebte! Du!!! Was bin ich für ein glückliches Mannerli. Und weißt, Du, ganz sehr glücklich bin ich darum auch deshalb, daß Du -  w[ill']s Gott –  auch unseren Kindlein davon mitgeben wirst! Du!!! Du!!!!! Du !!!!! !!!!! !!! Du!!! In unseren Kindlein will ich auch Dich wiedererkennen!  Du mußt ihnen etwas mitgeben, Du mußt! Du!! !!! Du !!!!! !!!!! !!! Herzlieb! Willst Du?!!! Oh Geliebte! Du wirst mir Kindlein schenken, Du!!! Ich soll das Leben anzünden dürfen in Deinem Schoß? Du!!!!!  Nur deinem Schoße mag ich sie anvertrauen! Du!!! Du!!!!! So voll leitenden Vertrauens, wie Du sie von mir empfangen willst! Mein liebes Weib!!!!! Bist Du glücklich, wenn ich so fühle? Ich liebe Dich! Ich liebe Dich!!! Und so, wie ich Dich jetzt liebe, so habe ich es doch erst lernen müssen! Du! Daß ich mit dir das Kindlein wünsche, daß ich in ihm, in unserem gegenseitigen Schenken, die Krönung unseres Liebesglücks erkenne, ganz tief und doch bewußt – Du! Daß ich darauf mich freue – – – ? Herzlieb! Und dieses Lernen, diese Lehre – – – Du! Ich danke sie doch mit unserem Fernesein, ist's nicht so? - Und einen Ruck, einen Schritt weiter hat das gestrige Erlebnis mich gebracht. Herzlieb! Ich muß alles in Beziehung bringen zu Dir, zu unserem Leben! Ich muß Dein denken immerzu!

Ich bin so glücklich, daß ich Dich sooo liebgewann, daß meine Liebe der Deinen nun ebenbürtig ist!

Gott segne unseren Bund! Er sei mit Dir! Herzlieb! Sonntagfrühe ist, da ich dies schreibe. Welch reicher Sonntag heute! Und heute nachmittag, da will ich Dich doch dankbaren Herzens noch teilnehmen lassen an meiner Freude.

Ich küsse Dich herzinniglich! Ich liebe Dich!!!

Ich bin ganz Dein Roland

Du! Mein liebes Weib! Mein!!!!! !!!!! !!!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946