Bitte warten...

[OBF-411026-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 26. Oktober 1941.

Herzensschätzelein! Mein geliebtes, teures Herz! Mein liebster [Roland].

Und wieder neigt sich ein Tag seinem Ende zu. Ein Sonntag. Wieviele Sonntage sind es noch bis Weihnachten? Noch 8! Das ist wenig, ja Du? Aber wenn man sie alle muß vorüberziehen lassen, dann merkt man, wie lang doch 8 Wochen sind! Und Wieviele Sonntage müssen dann noch vergehen, ehe Du wieder bei mir sein kannst? Oh Du! Die wollen wir heute noch garnicht abzählen! Wir könnten sonst die Geduld verlieren, Herzlieb! Du!! Das hat später noch Zeit, wenn nur noch 3-4 Sonntage am Wiedersehen fehlen, ja? Wir wollen es nur erst wieder in greifbare Nähe rücken lassen. Und bevor nicht das Jahr 1942 angebrochen ist, sollen wir uns gar keine Hoffnung machen.

Herzlieb! Du erzählst mir, daß Du vielleicht im Februar wieder an der Reihe bist. Das heißt, wenn nichts Besonderes dazwischen kommt. Ach, wir wollen nur nicht ungeduldig werden! So lang wie am letzten Male wird sicher die Spanne Zeit diesmal nicht wieder werden – Du!! Und wenn auch, Herzlieb! Du!! Dann müssen wir uns mit denen trösten, die sich schon 1 Jahr lang nicht mehr gesehen haben. Ich will ganz lieb und ganz geduldig mit Dir warten, Du!! Täglich kommen und gehen die lieben Boten von einem zum andern das ist so viel Trost! Und macht uns das Ausharren so leicht. Viel schlimmer wäre es, wenn Du garnicht die Zeit fändest, an mich zu schreiben. Und doch ergeht es jetzt Tausenden so, deren Angehörige an der Front stehen. Ich will ganz zufrieden und dankbar sein, wenn Du mir nur gesund bleibst, mein Sonnenschein!

Herzlein, mein liebes! Es ist acht Uhr vorbei, ich sitze mit der Mutter noch im warmen Stübel, Vater schläft schon, die Jungen auch. Ja, sie sind wieder da, die Rangen! Heute haben sie mal einigermaßen gefolgt. Am Nachmittag gingen wir mit ihnen zur Kindervorstellung ins Kino. Es war schlecht Wetter, spazieren gehen konnte man nicht. Und ich habe bei mir auch nicht so viel Spielsachen und Dinge, womit sie sich die Zeit vertreiben können. Das war nun ein Erlebnis!

Zuerst ein Kulturfilm: die Großglockner Straße, das war herrlich anzuschaun! Du!! Ein Wegweiser wies nach Bruck, da bist Du ja hindurchgefahren. Dann zeigten sich uns Eiskunstläufer in Garmisch. Auch das war eine Augenweide. Nachher ein Lustspiel, Arena Hutzli-Putzli, eine lustige Zwergenmanege. Und zuletzt die neueste Wochenschau, mit Bildern von der Mitte der Ostfront. Sehr interessant.

Ganze 2 Stunden dauerte der Film. Zuhause gab es nun viel zu erzählen! Ach, ich vergaß noch eines: Münchhausens Erlebnisse sahen wir ja noch! Ich brachte die Buben um 7 [Uhr] ins Bett und sie schliefen kurz vor 8 [Uhr] noch nicht, das war zu viel für die kleinen Geister. Da habe ich doch meinen kleinen Rucksack vom Boden geholt, um die Jungen zu erfreuen damit! Ach, Du hättest müssen sehen, wie groß die Freude war! Sie artete dann noch in Neid aus und in Keilerei! Der Kleine hat sich den Rucksack heute früh gleich nach dem Anziehen umgeschnallt und nicht eher, als bis wir ins Kino sind, herunternehmen lassen. Beim Spielen, am Eßtisch, auf dem Lokus! Beim Waschen – immer mußte das Ding auf seinem Rücken sein. Der Große ist bald verzweifelt. Nun haben wir für ihn noch einen genäht, aus einem alten, kapputten [sic] Rucksack!
 

Solltest mal sehn, wie er strahlt! All ihre Sachen stopfen sie hinein, alles durcheinander! Nun habe ich ihnen versprochen, eine Wanderung zu machen, wenn das Wetter schön ist. Den Rucksack gefüllt mit Broten und einer Kaffeeflasche. Es wird wohl kaum nochmal so schön werden, daß wir ein Stückchen laufen können. Es schneit noch immer bei uns!

Morgen will ich sie mit dem 13oo [Uhr] Bus wieder nach Mittelfrohna bringen. Ich habe nun die Unordnung satt bis obenhin, erst immerzu reinegemacht und gefummelt, nun wühlen die Kerle wieder alles umeinander. Nein, das habe ich über! Ich bin seit dem Waschfest überhaupt noch nicht zur Ruhe gekommen, und die gelegte Wäsche ist noch nicht gerollt. Die mögen nur ihre Kinder selber warten. Ich habe Dich müssen richtig hintansetzen die Tage daher, Herzlieb! Immer nur abends erst konnte ich Dein denken. Und dann bin ich so müde, daß ich mich richtig zusammennehmen muß, noch lieb und herzlich alles mit Dir zu bereden, so wie Du es verdient hast. Ich habe es doch soo schön, wenn ich allein zuhause bin. Ich lerne es jetzt erst mal richtig schätzen, wie schön ich es habe, wie gut es mir geht! Ich bin halt mal so sehr eigenwillig und eigensinnig, ich will nur Dich um mich haben außer den Eltern, will nur Dir meine Zeit schenken, die mir freisteht. Ich mag doch überhaupt nichts anderes hören und sehen. Du!!! Du erfüllst mich so ganz, bei Dir bin ich soo von ganzem Herzen froh und glücklich – weil ich Dich sooooo sehr liebhabe, Du mein herzliebes Mannerli!

Du!! Heute gegen Morgen habe ich doch wieder von Dir geträumt! Geliebter! Mein Geliebter!! Ich war wieder im Brautgewand und Du feierlich schwarz angetan. Wir wurden vorm Hause erwartet von einer Menschenmenge – wir konnten uns nicht voneinander trennen, es ging eben nicht! Du!! So wie es immer ist!

Noch ein Kuß – noch ein Kuß – oh Du! Und dann hast Du mich erst noch ganz lieb gehabt – oh – Du!! Du!!! So innig lieb!!!

In meinem Kämmerlein standen wir, weißt Herzlieb?, vor[’]m Spiegel, wie am letzten Tage, ehe Du von mir gehen mußtest. Oh Du! Ich habe heute große Sehnsucht nach Dir gehabt! Geliebter! Und dann kamen am Vormittag noch zwei so liebe Boten! Du! Du!!! Die ließen nur noch heftiger die Sehnsucht nach Dir wach werden. Geliebtes Herz, ich muß Dich lieben, lieben, über alles in der Welt! Du!! Vom Montag nach Eurem Ausmarsch sind die lieben Boten! Du!! Ich danke Dir von ganzem Herzen dafür! Herzensschatz! Und morgen, wenn ich allein bin, will ich noch mehr dazu sagen! Heute aber wisse nur: Du hast mich ganz sehr beglückt mit Deinen lieben Zeilen! Ich muß Dich so sehr liebhaben darum! Herzlieb! Für heute, Gott behüte Dich! Es ist 10 Uhr, wir wollen schlafen gehen! Du!! Ich liebe Dich so sehr!

Immer Deine [Hilde]. Du!!!!!!!!!!!!!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946