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[OBF-411027-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 27. Okt. 1941

Herzelein, Du! Geliebtes Herz! Meine Hilde!

Du mußt aber lieb, so lieb mein denken – soviel Sonnenschein ist in meinem Herzen, soviel Freude! Du! Du!!! Ich liebe Dich so sehr! Gestern abend. Ich war fertig mit Deinem Boten. Der Regen draußen wurde heftiger und es blitze und donnerte. Ich hatte es mir eben ein wenig bequem gemacht, um Deine Bilder anzuschauen und in Deinen Boten zu lesen – da kamen drei Mann in unsre Stube, Kamerad K., geführt von zwei Kameraden. Er war schon duhn. Die Bootsfahrt war ausgefallen, nun blieben noch die Flaschen und die Mädels. Ich ahnte schon etwas. K. [sic] torkelte ganz gefährlich. Er weiß nicht, wie er vom Hafen ins Quartier gelangte und wie er in sein Bett kam. Ich war ein wenig bange. Aber er blieb gutartig, zog sich sofort aus, schlug einmal hin und schlief dann durch bis zum Morgen. Ich habe ihm vorgehalten, welcher Gefahr er sich aussetzt, wenn er so bis zur Bewusstlosigkeit auswärts trinkt. Er hat sich heut schon mächtig geärgert darum – es wird sich wohl nicht wiederholen.

Zwei liebe Boten sind wieder zu mir gekommen. Sie haben Dich mitten im schönsten Drasch verlassen. Alle Hände voll hat mein Lieb zu tun. Wäsche, Ofensetzer, Kinderschar, Sanitätskursus, eine kranke Mutsch, das alles neben den laufenden Arbeiten, dazu Besuche in Aussicht – wieder mal ein bissel viel durcheinander. Herzlieb, denk an Dich! Und wenn der Knoten mal gar nicht sich lösen will, hau ihn durch! Lore G. mag mal gefälligst in der Kinderschar mithelfen. Na, ich darf Deiner Vernunft und Entschlossenheit schon vertrauen! Sei recht lieb bedankt für Dein Gedenken trotz allem. Herzelein, Du! Wie glücklich es macht, zu wissen, daß Du liebes Menschenkind dann nach allem Hasten zu mir Dich flüchtest, daß ich Dir der ruhende Pol, der treue Hort, Geborgenheit, Zuflucht sein kann, Dein Lieblingsplätzchen, zu dem Du Deine liebsten und heimlichsten und süßesten Gedanken trägst. Du! All das bist Du doch auch mir! Und wenn es um mich her zu dumpf und zu eng wird, dann öffne ich das Fenster zum Herzkämmerlein – keiner merkt es – und dann strahlt es mir so traut und warm und leuchtet mir so hell und zukunftsweit! Du! Eine Burg ist uns[e]re Liebe, hinter deren Mauern wir Schutz und Geborgenheit finden, in der alle Reserven unsrer Kraft liegen. Du bist doch meine hohe, edle Burgfrau! Hast mit mir gebaut, so fest und tüchtig! Und wirst sie mit mir halten und verteidigen wie das eigene Leben, Du!!! Liebster, bester Lebenskamerad! Mein teures Weib!!!!! Du! Die sich nicht lieben und einander Leid zufügen, die reißen alle Mauern nieder, sie rauben einander alle Geborgenheit, sie stellen einander bloß – ist es nicht traurig?

Ich habe doch vorhin in der Stadt die beiden Boten erst mal ganz flüchtig überlesen nach dem Worte Päckchen – und da steht es doch – sie sind angekommen! Ja, jeden Tag sehe ich in den Parfümerieladen, ob das Trytisin [sic] noch drin steht – und heute war es weg – da war ich doch nun begierig, ob es Dir recht ist, damit ich gleich noch zwei Flaschen auf Vorrat kaufen kann. Ich habe sie auch bekommen. Nun sind doch die Voraussetzungen zur Kur gegeben. Ich freu mich doch aufs Zöpfchen, und daß Du es Dir willst waschen lassen! Wie lang es werden soll? Wo wollen wir denn messen? Wenn das Mannerli da ist, können wir ja hinten messen, sind doch die vielen Wirbel bis zum Steiß (so heißt es doch, gelt, Frau Sanitäter?), da läßt sich fein ablesen. Aber jetzt, wo Du allein bist, muß das Mannerli wohl ein anderes Maß angeben? Vorn? Sind doch gar nicht so viel grade! Weißt, so lang, daß Du eine Schlinge machen kannst, die Du dem Mannerli um den Kopf legst, wenn Du ihm einen ganz langen Kuss geben willst – ja? Du!!! Wenn das nun kein Ansporn ist – –! Oh, was hab ich doch noch für ein künstliches Weiberl! Tinktur innen, Tinktur außen, Creme, Puder – noch mehr? Jetzt kriegt das Mannerli wohl einen Klaps, ja?! Na, wenn ich nur wird nach Hause kommen! – da vergißt mein Weiberl eines nach dem andern überm Küssen und Liebhaben, ich weiß es schon, Du!!!!!

Herzlieb! Was ich mir unter Mattcreme vorstellen soll, weiß ich nicht. Mußt mir’s schon ein wenig verständlicher machen! damit ich es wieder den Griechen verständlich machen kann. Mit Rosinen und Mandeln ist augenblicklich garnichts. Bald soll die neue Ernte kommen. Aber in unsrer Zeitung sahen wir, daß alle Trockenfrüchte, Rosinen, Mandeln, Nüsse usw., beschlagnahmt und nachdem nur auf Bezugsschein abgegeben werden sollen. So müssen wir erst mal abwarten. 1 kg bittere Mandeln geht in den nächsten Tagen ab. Dieselbe Sendung, Tee und Gewürze, hatte ich schon für die Kamenzer Eltern fertig. Du hättest also nicht zu teilen brauchen.

Jeden Mittag, wenn Dein Mannerli zur Stadt kommt, spannt es wie ein Lux [sic]. Manchmal hat man jetzt den Eindruck, als ob die Geschäftsleute gar nicht gern etwas verkauften. Na, ich bin froh, daß ich gleich am Anfang mich ein wenig dazugehalten habe. Manche Dinge haben schon wahre Phantasiepreise – lassen wir sie getrost klettern. Es hängt an all dem keine Seligkeit. Viel wichtiger ist, daß wir gesund bleiben an Leib und Seele. Wie wir uns kleiden, dazu wird immer wieder Rat, und Dein Mannerli ist noch so jung und eitel, daß es neben seinem lieben Weib bestehen will, auch in der Kleidung, Du!!! Und ein, zwei Krisenjahre zu überwinden, das soll uns leichter fallen als die Zeit der Trennung jetzt, Du!

Daß Du das Öfchen bekommen hast, freut mich ganz sehr, auch wenn es eigentlich mein Konkurrent ist – denn warm halten mein Weib an Herz und Hand, daß [sic] soll meine liebste Sorge sein – die ich ja auch sofort wieder übernehme, wenn ich zu Dir komme, ja? Du!!! Wird vielleicht grad noch dickster Winter sein! Wollen mal erst das alte Jahr noch verrinnen lassen, und den Spieß den neuen Reigen eröffnen, dann läßt sich schon etwas rechnen. Ist doch gar nicht mehr so lange! Herzliebes!! Du!!!

Habe ich Dir noch nicht geschrieben, daß wir schon längst Kohlen haben? Sie taugen zwar nicht allzuviel, aber den griechischen Winter werden sie schon wegtauen.

Das Mannerli interessiert sich für die neue Kleiderkarte, mußt ihm mal davon erzählen. Ich habe erzählen hören, daß sie weniger günstig ist als die vergangene.

Herzlieb! Was das Einteilen anlangt und das Haushalten auch in der Einschränkung, darum bin ich doch beruhigt darum, weil ich weiß, daß Du zusammen mit der lieben Mutsch so viel Geschick und Umsicht walten läßt. Aber ich werde ja ganz genau messen, wo mein Herzlieb geknausert oder gar sich etwas abgespart hat – Du!!! Laß Dir nur auch ein kleines Bäuchel wachsen jetzt – ein Vorratstäschel! Wie man das macht? Nicht soviel draschen, lieber ein bissel mehr ruhen. Und nicht so eng einschnüren, denk ich, da kann’s doch gar nicht wachsen.

Nun möchte ich auch bald wissen, wie es meinen beiden Gasvergifteten weiter ergangen ist – und auch, ob der neue Ofen nun gut zieht.

Herzlieb! Du läßt mich an allem sooo lieb teilnehmen! Du weißt, daß Du mir damit größte Freude bereitest. „Ich will Dich mit aller Kraft und Liebe immer heimziehen!“, liebstes Weib! Und ich will Dein liebster, treuester Heimkehrer sein, Du!!! Du!!!!! Immer!

Herzlieb! Du! Hast Dir doch ein Mannerli erwählt, daß das wie nicht gleich ein anderes heimverlangt – das sich in diesem Heim selber recht finden möchte – das mit Dir nun ein Selbstständiges, Eigenes darstellen möchte – oh Herzlieb! Das zu dem Weiblichen, wie Du es verkörperst, so sich hingezogen fühlt als zu seiner Ergänzung – hingezogen fühlt so, daß es der Einen, Erwählten, meiner Herzenskönigin, Dir, alle Liebe und Treue, alle Huld und Verehrung darbringen, daß es sein Leben um das Deine herum schließen möchte – oh Du!!! Du!!!!! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich sooooooooooooo sehr, herzinnig, aus meinem ganzen Wesen. Und ich bin darum sooo glücklich! Und Du liebst mich! Du bist mein!!! Ganz mein! Mein Weib! Du! Ich küsse Dich! Ich bin Dir ganz nah! Ich liebe Dich!

Dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946