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[OBF-411029-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 29.Oktober 1941

Mein Herzensschätzelein! Geliebtes Weib! Herzlieb mein!

Die Meinungen sind geteilt darüber, ob wichtiges und gewichtiges erscheine, was am Anfang oder am Ende des Briefes oder der Rede stehe. Darüber gibt es ja auch keine feste Regel. Der Ton macht die Musik. Und wir beide merken das ganz von selber auch ohne Regel – und am Ende, wissen wir, steht bei uns die Hauptsache, ja? Schätzelein, Du!!!

Will ich mir heute erst das Stirnrunzeln vorwegnehmen. Mein Herzlieb hat sich die „Strafpredigt“ schon selber gehalten und alle Lehren gezogen, die ihm das Mannerli sonst hätte ziehen müssen. Und ich möchte das alles mir noch einmal unterstreichen. Kohlenoxydgas ist das heimtückischste Zeug, vor dem man sich ganz sehr hüten muß. Selber ganz geruchlos – sonst wär es doch dem feinen Riecher meines Weiberl gar nicht entgangen – führt es eine Bluterkrankung, Blutzersetzung herbei, gegen die es im fortgeschrittenen Stadium keine Hilfe gibt. Der Bezirk um den Ofen bedarf in jeder Hinsicht besonderer Obhut. Ach, das beherzigt Ihr ja auch! Und bei aller Vorsicht passiert eben doch mal was. Eine andere Gefahrenquelle ist das Kochgas. Habt es immer scharf im Auge! Das sind auch so Hausgeister – aber böse, wenn sie der Fesseln sich entraffen. Ach Herzelein! Ich bin ja sooo froh, daß alles so abgegangen ist, und daß Du selber bloß einen ganz kleinen Klaps abgekriegt hast. Du! Hast doch so schon kein Tröpfchen Blut übrig – möchte doch auch nicht eines verloren gehen. Du! Ich tät Dir gleich so gern welches von mir geben! Ich denke, unseres müßte ganz gut zusammenpassen. Du! Wenn wir immer zusammen sind, da küß ich Dir doch ganz rote Bäcklein! Und wärm Dich und mit dem Schlüßlein schlöß ich die Pforte ganz fest zu, wo der kostbare Lebenssaft sich verflüchtigen will, ja? Du!!!!! Ach Herzelein! Auf Händen will ich Dich tragen! – mit Dir wetteifern in gesundem Leben! – Gott segne es! – und achthaben, daß sein Dein Arbeitseifer in rechtem Einklang steht mit seinen Deinen Kräften – Du!! Du!!!!! Ich vertraue Dir! Du wirst ganz lieb vernünftig sein – aus Liebe auch zu mir! Ja? Herzlieb! Wie umsichtig, daß Du gleich den Arzt befragtest! Liebes Weib!

So. Nun wünsche ich der lieben Mutsch recht gute Besserung. Möchte sie nur auch alles sich eine rechte Lehre sein lassen. Na, ich bin mit den Erfolgen meines Zürnens nicht ganz unzufrieden bis jetzt. Herzlieb! Ich mein es sooooooooo gut mit Dir! Du mußt mir bleiben! Ganz froh und gesund!!!!!

Du! Du!! Wieviel Glück kommt mit Deinem lieben Boten zu mir! Strahlen, Sonnenschein des Glückes, Glückes Widerschein – neuen Widerschein weckt er! Oh Du! Und so immer zwischen Dir und mir, Goldgespinst des Glückes, Du!!! Unser ganze Leben lang.

Oh Herzlieb! Zu Dir schaue ich unverwandt – von Deinem Antlitz kommt mir die Sonne meines Lebens, von Deinem Mund die Worte, die mich jubeln machen – zu Dir schaue ich unverwandt! Herzlieb! Wenn Du mich nur liebhast – bei Dir nur will ich gelten. „ – – – – meine Erfüllung bist Du! Ja! Du! Erfüllung aller Liebessehnsucht – Erfüllung allen Heimatverlangens nach Geborgenheit und Verstandensein [sic].“ Herzlieb! Du! Du!! Ich wiederhole die Worte wieder und wieder – – bin ich das – bin ich Dir’s, meinem lieben, prächtigen Weibe? Oh Du! Darum will ich leben, darum will ich Dich lieben, immer mehr, mein ganzes Lebenlang [sic]!!!

Herzlieb, weißt Du es denn wie glücklich ich bin, daß ich Deine Liebe habe? Du! Wie hoch ich sie einschätze? Oh Herzlieb! Ich möchte doch bei Dir sein! Dir es zu sagen, zu zeigen, Dir mein ganzes Glück zu zeigen, Geliebte! Du bist mein Glück! Von Dir kommt es alles! Du!!!! Herzlieb! Ich bin so froh, so ganz erfüllt vom Glück: Alles andere um mich her scheint mir so bedeutungslos, es bleibt ganz am Rande.

Kamerad K. ist schon wieder unterwegs, im Theater. Bin ich wieder ganz allein mit Dir, ganz ungestört. Du! Das ist mir doch lieb. Kamerad K. schreibt meist über Mittag, und redet mir dann abends viel dazwischen. Die anderen Kameraden? Ich habe kaum Fühlung mit ihnen, nähere Begegnungen schon gar nicht. Der Berührungspunkte sind auch zu wenig. Und im übrigen hat das Mannerli doch gar keine Zeit. Es ist in keiner Freizeit, an keinem Abend zu Hause, ist immer unterwegs – bei seinem Herzlieb! Bist eifersüchtig auf das Herzlieb? Du! Wie freue ich mich auf die Stunden mit Dir! Keine Zerstreuung kann sie mir ersetzen.

Die Natur, das Wetter? Heute war der Himmel wieder weit – die Sicht ganz ungewöhnlich gut, der Olymp mit seinen Nachbarn frisch beschneit, durch Licht und Schatten prächtig modelliert. Sobald die Sonne die Oberhand gewinnt, erwärmt es sich sehr schnell. Der Mond rundet sich. Die Nächte werden hell. Der Heeresbericht berichtete sagte heute von wirkungslosen Störangriffen auf West- und Mitteldeutschland. Da hat es gewiß Alarm gegeben! In unsrer Bucht liegt ein großes Lazarettschiff, es ist durch grüne, rote und weiße Lichter kenntlich gemacht, wie zu einer Lustbarkeit illuminiert.

Morgen will Dein Mannerli den Zahnarzt aufsuchen. Der rechte untere Backenzahn rebelliert – er soll seinen Willen haben. Am Dienstag bin ich nicht drangekommen. Morgen will ich etwas früher gehen. Möchte nicht zu lange unterwegs sein. Damit ich auch freien Nachmittag halten kann. Dafür bestehen noch keine Pläne. Gegen Abend trübte es wieder ein. Vielleicht soll es wieder einen Regentag geben. Regenzeit, d. i. wohl hier die Zeit, in der es eben überhaupt einmal zum Regnen kommt.

Kamerad H. schrieb heute wieder eine Karte. „Jetzt geht es mir schon wieder einigermaßen gut.“ Schätzelein! Dem Datum nach sind es 4 Wochen, daß ich vom Urlaub zurückkehrte – und morgen 2 Monate, daß ich in Urlaub fuhr! Die Zeit bleibt nicht stehen. Ach Du! Sie soll vergehen – soll uns rasch zum Ziele unsrer Hoffnung führen – dann? Dann soll sie stehen bleiben. Geliebtes Weib! Wir wollen nicht töricht wünschen, wollen nur gläubig hoffen und dankbar nehmen, wie Gott es fügt. In seinem Plan ist kein Tag zu viel, kein Tag zu wenig – und keinen Tag sollen wir ungenützt verstreichen lassen. Du freust Dich mit mir auf unser gemeinsames Leben und Schaffen. Oh, walte es Gott gnädig! Oh Herzlieb! Ich weiß, wie Du wartest, all Deine Liebe, Deinen Können zu betätigen! Und ich warte mit Dir! Herzlieb! Die Wochen daher haben es Dir gezeigt, daß Du nicht überflüssig bist an Deinem Platze – Du! Das warst Du nie! Wir müssen beide geduldig ausharren! Und Du bist augenblicklich ganz u.k., unabkömmlich, daran vermag auch die Kriegswichtigkeit der Ämter eines Masseurs und Bademeisters nichts zu ändern. Einzusehen ist das wohl nicht – bei Deinem Mannerli ja auch nicht – aber unabänderlich ist’s. „Wir wollen ja alles, alles nachholen, wenn wir erst beisammen sind“ – ja! Herzlieb! Ja!!! Du!!!!!

Nun ist es wieder 10 Uhr am Abend. Von nebenan erklingt das stupide Lied von Elli-Marlen [sic] des Belgrader Rundfunks. Mein Herzlieb! Wird es schon schlafen? Ach Du! Du!!! Ich sehne mich nach Dir! Und ich bin ganz glücklich dieses Sehnens. Und dieser Bote will Dir sagen, daß ich Dich ganz sehr lieb habe, Du! Sooooooooooooo lieb!!! Ganz einhüllen will ich Dich in meine Liebe! Sollst gleich alle Schmerzen vergessen! Ich möchte sie mit Dir erleiden! Ich möchte sie Dir all verkehren in Licht und Freude, geliebtes Weib! [Du] Duldest sie auch um mich! Wie will ich Dir es danken mit meiner Liebe mein Lebenlang [sic]! Du! Du!! Wenn es am meisten schmerzt, dann sollst [Du] ganz froh an unser Kindlein denken – an unsrer Liebe Krönung – an den Tag der Krönung unseres Einsseins! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Wieviele Röslein noch welken müssen, bis ich wieder bei Dir bin? Dieses – und eins – und noch eins – und dann vielleicht – Geliebte! Geliebte!!! Komm zu mir! Schmiege Dich an mich! Wang[‘] an Wange! Herz an Herz! Komm, komm! Ganz nahe! Ich halt ganz still! Ich bin ganz brav – wie später dann, wenn wir auf des Kindleins Leben lauschen! Du!!! Du!!!!! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich aus der Tiefe meines Wesens! Geliebtes Weib! Über alles geliebtes Herzelein! Du! Mein!!! Mein!!!!! !!!!! !!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946