[Saloniki] Sonnabend den 3. Januar 1941 [1942]
Herzelein! Geliebtes Weib! Meine liebe [Hilde]!
„Bei Dir sind meine Gedanken – – – “, besinnst Dich auf das schöne Brahmslied? Ach Herzelein! Ich muß ihnen doch nun richtig Zügel anlegen, jetzt nach dem Weihnachtsfest, sonst – sonst eilen sie zu Dir – zu unserem Wiedersehen – oh Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ach Geliebte! Nun spannt sich alles in mir – ist alles auf die nächsten Tage gerichtet, da die Entscheidung fallen soll über den Urlaub. Und jede solche Spannung benimmt mir ein wenig die Sprache. Du, Geliebte! Ich bin Dir darum nur desto näher! Du!!! Du!!!!! Auf Deine lieben Boten warte ich sehnsüchtig. Zuletzt kam zu mir der vom Heiligabend. Morgen erwarte ich die von den Feiertagen. Da hat mein Schätzelein ganz gewiß mein gedacht, auch mit Tinte und Feder. Heute erhielt ich die Berichte von der Weihnacht im Elternhause. Ach Herzelein! Es ist vielmehr als nur Bericht, ist ein ganz liebes Teilnehmen lassen und Einbeziehen in den Kreis der Liebe. Und Du gehörst ihm mit an! Und mich kann man in diesem Kreise gar nicht mehr sehen ohne Dich! Oh Geliebte! Du bist mein! Ganz mein! Oh Herzelein! Überall, wo mein Herz erhoben wird und erfreut und durch Liebe erwärmt, da erglänzt und spiegelt sich und bricht sich vielfältig das Glück unsrer Liebe, der unendlich kostbare Schatz Deiner Liebe. Oh Herzelein! Wenn ich an den Kreis der Lieben daheim denke, wird mir erst recht, und ganz glückhaft bewusst, wie ich an Deine Seite gerückt bin, wie ich von Deinem Wesen in mich aufgenommen habe, Besitz davon ergriffen, wie es in mir lebt, wie es ein ganz neues, eigenes Lebensgefühl gebildet hat – Du und ich – ein Neues, Eigenes – ein Paar, Du!!! Du!!!!! – oh Du! das erst vorfühlend, prüfend und fragend in mir war, es ist nun so freudige, strahlende Gewißheit!: Ich gehöre zu Dir! Ganz zu Dir!!! Und ich bin darum so glücklich und stolz – Dein überglückliches Mannerli – Du! Mein einziges geliebtes Weib!!! Du! Du!!! Ich habe Dich ganz, ganz sehr lieb! Du!!!!! !!!!! !!!
Ach Schätzelein! Magst selber lesen, wie froh alle daheim waren, wie sie das Fest in der alten, lieben Weise feierten, fröhlichen Herzens trotz allem – solche Fröhlichkeit kann nur der Glaube uns schenken! – wie lieb sie unsrer dachten. Oh Du! Unsre Elternhäuser sind auch Heimat. Ganz froh und dankbar wollen wir darüber sein! Und das Beste mitnehmen und einpflanzen in unser Heim, Du! Geliebte!!! In unser Heim! Oh Herzelein! Was wiegt aller Taumel des Vergnügens, aller Flitter seichter Geselligkeit gegenüber solcher Heimat. Oh Herzelein! Mit Dir, mit Dir!! Diese Heimat fortpflanzen und pflegen, eine Keimzelle alles Guten, – wie ersehne ich es! eine wie schöne, große Aufgabe dünkt mir das! – ach Du! Du!!! Um deretwilln ich doch dieses Leben sooo liebgewonnen habe – seit Du mein bist! Du!!! Sei Gott im Himmel uns gnädig und schenke er uns solches Wirken und dessen Gelingen!
Waren doch nun wirklich alle zum Feste vereint, die ich in meinem Briefe zur Bescherung zu Hause erblickte – Hellmuth auch, und die beiden ,Heimatlosen'. Der liebe Hellmuth hat trotz allen schweren Erlebens seinen Humor nicht verloren. Es schillert und schalkt aus jedem Buchstaben seines Briefes. Ich habe ja ein paarmal so herzlich lache müssen.
Du! Herzelein! Wir müssen die Kamenzer Heimat aufsuchen im Urlaub, müssen für ein paar Tage eintauchen in ihre Liebe, ihren Geist, ihren Segen – ja? Du!!! Du!!!!! Sie haben Dich doch alle sooooooo lieb zu Hause – oh Herzlein! Das zu fühlen ist auch ein ganz besonderes Glück! Oh Schätzelein! In den Augen auch der Lieben daheim spiegelt sich unser Glück – unser Glück!!! Du!!!!! Unser Glück – es ist ja auch unsrer lieben Eltern Glück – ist ihnen Lohn, Frucht, Dank! Oh Du! Das werden wir doch erst recht empfinden, wenn wir selber einmal solch große Kinder haben! Du!!! Und der Segen, die Liebe unsrer Eltern und ihre Fürbitte behüten unser Glück!
Oh Geliebte! Soviel Liebe kommt zu mir in die Ferne, soviel frohe Botschaft von daheim! Nicht Nachricht von Zank, Zerwürfnis, Unfrieden, Herzensnot – Kunde von Herzensfreude nur, Herzensliebe, rechter Glaubensfröhlichkeit – oh Geliebte! Kunde des Friedens – und damit soviel Sehnsucht, Kraft, Halt, Hoffnung – der Heimat ganze Innigkeit und Geborgenheit kommt zu mir – oh Herzelein! ich bin ihr verhaftet mit allen Regungen meines Herzens – sie hält mich und ich halte sie mit tausend starken Armen – oh hätte ich nicht den freien Blick zu ihr! hätte ich nicht die Brücke zur Heimat! Jeden Augenblick ist sie mir gegenwärtig in ihrer ganzen Kostbarkeit! Oh Geliebte! Der Heimat Mitte aber, Ort und Hort aller Liebesglut und -Sehnsucht ist – Dein Herz! Bist Du mir, Geliebte! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!
In Dir ward mir eine Heimat – dem Manne eine neue Heimat! Oh Geliebte! Ich habe in meinem Elternhause so wie Du eine gute Heimat – habe in meiner Mutter zumal einen Menschen, der mich ganz tief versteht – die Heimat, nach der ich mich umschaute und sehnte, das Menschenherz, dem ich das meine verbinden wollte, sollten nicht weniger gut und reich und wert sein. Ich habe oft und lange Ausschau gehalten – und bin immer wieder am liebsten heimgekehrt. Aber jetzt, Geliebte, Du! Du!!! Jetzt weiß ich einen Ort, der ebenso lieb und wert und reich ist – und, weil es der meine ist, der mir der allerliebste und allerwerteste ist – oh Du! Du!!! Jetzt weiß ich ein Herz, dem ich das meine in aller kindlichen Gläubigkeit wie einst der Mutter und in männlicher Liebe und Verehrung zugleich ausbreiten und ausschütten kann – oh Du! Du!!! Mein Herz! Mein liebes teures Herz! Mein Ein und Alles, Du!!! Oh Goldherzelein! Daß es mir geschenkt wurde! Daß Du mein wurdest! Daß ich eine Heimat fand! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!
Oh Geliebte! Und ich weiß und fühle es, wie dankbar froh und glücklich meine Mutter ist, daß ich diese Heimat fand! Sie fühlt es, daß ich bei Dir ganz Zuhause bin! Oh Geliebte! Wie groß und reich und liebevoll muss Dein junges Herz sein, daß das meine darin Platz findet, ach Du! Daß es aufgeht und sich Dir ausschüttet! Oh Geliebte! Oh Herzelein! Und wie glückliches schätze ich mich, Dein Mannerli, daß Du mir in lauter Liebe und gläubigem Vertrauen Dein großes, reiches Herze bringst, daß es sich dem meinen verbinde und vermähle. Ob das Deine dann Platz findet in dem meinen? Ob es ganz warm darin ruht, daß es aufgeht und sich erschließt? Ob es dann auf sein Fragen die rechte Antwort immer findet? Ob seine Sehnsucht nach liebendem Umsorgen denn immer Erfüllung wird? Ob ich denn recht Dich lieben kann? – Oh Geliebte! Ich habe Deine Antwort! Antwort, die mich beglückt, Antwort, die unser Glück besiegelt – und bald will ich sie mir doch wiederholen, sie selber lesen aus Deinem Glückstrahlen – Du! Du!!! Ich liebe Dich sooo sehr! Und Du bist glücklich in meiner Liebe! Und uns[e]re Herzen ruhen tief und ruhend ineinander – ein Schlag – ganz eins!!!
Segne Gott unser Glück! Er schütze Dich auf allen Wegen! Und auch die lieben Eltern!
Du! Du!!! Ich bin Dein glückliches Mannerli – sei Du mein glückliches Weib! Ich möchte Dir doch der Herzallerliebste sein – wie Du mir mein allerallerliebster Herzensschatz bist! Meine Sonne! Mein Leben!
Ich bleibe ewig Dein! Ganz Dein [Roland]!!!
Ich habe Dich sooo lieb! Ich küsse Dich! Oh Herzelein! Ich sehne mich nach Deiner Nähe. Nach aller Liebe Innigkeit – und Schönheit – und auch Süßigkeit – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!
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Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946