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[OBF-420325-002-01]
Briefkorpus

44.

Mittwoch, am 25. März 1942.

Herzensschätzelein! Mein herzlieber [Roland]! Du!

Heute ist nun doch erst der Abend herangekommen, ehe ich mich zu Dir setzen kann. Laß Dir erzählen.

Um 7 [Uhr] morgens bin ich raus aus den Federn. Es war ja heute „Auftakt zum Waschfest"! Was das bedeutet, kann ein Mann nicht so wissen – [das] verlange ich auch garnicht! – nur wissen muß er, daß es an solchen Tagen bissel heißer hergeht als sonst. Na kurzum, ich bereitete alles vor im Waschhaus, feuerte gegen 11 Uhr ein, weil Mutsch nachmittags die bunte Wäsche waschen wollte. Denke nur, unser Wasser ist noch immer eingefroren im Waschhause, weil die Leitung flach unter der Erde nach dem Wohnhause zu liegt. Wir bekommen unser Wasser durch einen langen Schlauch aus U.s Küche. Das geht ganz gut, man muß nur dauernd betteln, daß sie den Wasserhahn auf- und zudrehen.

Das Wetter war wieder herrlich, ganz schön warm auch in der Sonne. Ich lief rasch meine Wege, kochte Essen und dann war auch schon Mittag. Post kam nicht an heute. Nur eine Einladung von der Kantorei, zu unserem Jahresessen, das morgen abend im Kaffee Brumm stattfinden soll. Ich hab' mir's schon gedacht: es wird schon noch so lange verschoben werden, bis es mit unsrer Wäsche zusammenfällt. Da werde ich schön müde sein. Ich will aber auch gern mit dabei sein – es wird wohl das letzte Jahresessen sein im Kriege.

Heute kam auch Dein stattliches Raucherpäckel an, Du! Du hast es aber sehr gut gemeint mit Vatern!! Hoffentlich teilt er fein ein. Wie groß die Freude war? Ach Du! Das kann ich Dir garnicht vormachen, weil ich mich über solches Raucherpäckel nicht so herzlich freuen tät! Aber der Vater!! Kolossal! Ich soll Dir viele herzliche Grüße bestellen und heißen Dank. Er wird Dich wohl mal drücken dafür im nächsten Urlaub! Mutter ist nicht so erfreut – sie liebt Qualm nicht so sehr! Vor allen Dingen jetzt, wo die Gardinen neuwaschen [sic] sind. Ach Herzlieb! Ich bin recht froh, daß Du nicht rauchst, es ist doch eine böse Leidenschaft. Die Männer kriegen doch neue Raucherkarten, ich habe auf Vaters Wunsch auch eine für Dich beantragt. Glaubst, er ist manchmal nicht zu genießen mit seiner Laune, wenns nichts zu rauchen gibt.

Heute war Kinderschartag. Frau L. hatte eine Beerdigung, Frau W. hatte Wäsche. Sie baten mich um Vertretung. Was sollte ich tun? Als Du in Urlaub weiltest vertraten sie mich auch. Um 2 [Uhr] begann ich mit den kleinen, ich machte mir’s leicht – erzählte vom Frühling „Was hört ihr jetzt morgens wenn ihr erwacht, draußen?" Die Vögel! – Alle Vögel sind schon da ….

„Was blüht schon hier und da?" Blumen. „Ward ein Blümchen mir geschenket… Und nun erzählten wir von Vögeln und Blumen. Dann las ich vor: „Püppchens Himmelreise"[.] Dann kamen die Großen. Bis ½ 4 [Uhr] blieben wir zusammen, dann ließ ich die Kleinen heimgehen und mit den großen Buben und Mädels bin ich nach dem Wald. Es war noch ziemlich naß, doch wir hatten mächtigen Spaß. Spiele wurden gemacht und herumgetollt. Wie die jungen Lämmer auf der Frühlingswiese hopsten sie.

Ohne Krach ging’s auch diesmal nicht ab. Mein Wimpelträger machte Unsinn und zerbrach die Wimpelstange. Ich wusch ihm gehörig den Kopf vor allen und schickte ihn heim. Lumperei gibts nicht bei mir. Er ist abgehauen heulend. Und als wir nach Bräunsdorf zu weitermarschierten auf der sonnigen Landstraße, da schlich der kleine Sünder wieder hinterdrein. Er mußte als Letzter gehen. Wenn er Reue zeigt darf ich nicht hart sein, aber er muß fühlen, daß man Ungehorsam büßen muß. Weißt Herzlieb, oben auf der Kuppe nach Kaufungen steht ein Wäldchen – unser Wäldchen; am Tage nach meinem 20. Geburtstag ward es unser, weißt Du noch? Herzlieb Du!!! – darauf zu hielten wir uns und liefen die Landstraße zurück nach dem Ort. Es war ½ 6 Uhr, als wir an der Schule vorbeikamen. Am Promenadenweg ließ ich wegtreten. Hurra! Nun sind erst mal Ferien!! Du! Ich weiß sie jetzt vielleicht ebenso zu schätzen wie Du einst! So habe ich meinen Dienst ganz gut überstanden heute. Nur bin ich vielleicht ein bissel zu ausgelassen gewesen beim Spiel, beim rennen [sic], denn als ich heimkam, da war ich schon krank. Und dummerweise ist nun Waschfest. Na, wir waschen nur an den Nachmittagen. Mutter will es so, damit sie nicht vom Geschäft wegbleiben muß. Und da kriegen wir’s auch nicht so sehr satt. Die Bettwäsche wird sowieso für sich gewaschen, damit es nicht zu viel wird. Mutsch hatte eben die Hausordnung gescheuert vorhin, als ich kam, der Kohlenmann war da. 3 Zentner hatte man uns bewilligt. Und 5 Zentner Kohlen bekamen wir noch extra. Ist doch fein, gelt?

Ach Herzlieb! Gestern bekam ich doch auch die Urkunden vom Schulrat zurück, einiges behielt er dort. Dein Gesundheitszeugnis, den Nachweis über die arische Abstammung. Ganz amtlich alles sonst. Nicht etwa einen Gruß an Dich und mich!! Ich hebe alles fein auf, wenn’s mal wieder erbracht werden muß[,] haben wir alles da.

Frau H. schickte mir die 100 RM zurück, die ich Dir zugedacht [hatte] durch Kamerad H. – schade! Sie hat mir vom Brüderchen erzählt! Und vielleicht kommt es mit Papa H.s Geburtstag zugleich gepurzelt. Im Juni hoffen sie. Wir sollen nur auch mal Zucker streuen. Wo er doch so knapp ist, gelt?

Mein Herzelein, mein allerliebstes! Jetzt will ich noch einmal zurückblättern in Deinen lieben, lieben Boten, die zuletzt ankamen. Ach, ich kann Dir doch auf alle Deine große Liebe garnicht antworten! Zuviel stürmt davon auf mich ein! Du bedrängst mich doch sooo, Du wildes Mannerli, Du! Ach Du!! Wild bist Du nicht – hast mich nur auch so ganz sehr lieb und mußt es immer wieder sagen, bekennen. Wenn es gleich schon viele Male geschah! Oh Geliebter! Unsre Liebe, sie ist so groß, so strahlend, sie muß ihren Glanz und ihren Schein weitergeben – man kann all das Glück unmöglich allein in seinem Herzen bewältigen! Und wohin anders, als zum Geliebten geht das Sehnen, das Verlangen, ach – alles Wünschen! Alles Wollen! Aller Liebe Drang, all ihre Urgewalt! Oh Du!!! Wir müssen es uns immer und immer wiedersagen, das Bekenntnis unsrer Liebe – unsrer großen Liebe! Ach, Du kommst so vieltausendlieb zu mir in Deinen lieben Boten, Geliebter! Daß ich Dir dafür nur recht danken könnte, wenn Du ganz bei mir weiltest, Du! In Worten kann ich Dir nicht ausdrücken, Geliebter, wie zutiefst bewegt ich bin von Deiner treuen Liebe. Oh Du! Eines kann ich Dir nur immer wieder sagen, Du! Voller Jubel und Glück im Herzen: Du machst mich zum glücklichsten Weibe auf Erden – Du allein! Dich liebe ich – Dich liebe ich über alle Maßen, oh – Dich liebe ich ganz unendlich, Herzelein! Was Du mir schenkst an Güte, Liebe und Treue, kein Mensch kann es neben Dir! Du allein bist mein höchstes Glück! Bist mein Schatz – mein Kleinod, mein köstlichster Besitz! Und mit aller Kraft will ich Dich festhalten, mein [Roland]! Du darfst mich nimmermehr verlassen! Nimmermehr! Oh wie tröstlich ist es in unsrer bösen Zeit, wo Treue und Ehre und Achtung so gering sind an Wert, daß wir uns ein reines, gutes, köstliches Liebesglück bewahren! Ich bin so sehr glücklich darüber! Und bin sooo unsäglich stolz auf Dich, mein tapfres Mannerli, daß Du Deine Ehre bewahrst. Wenn ich andre Männer betrachte! Wie sie ein gar schändlich Treiben führen – zumal die Gesunden wieder, vom Lazarett, die alle verheiratet sind! Oh pfui! Und das wollen auch Männer sein!

Mein Verlangen und meine Sehnsucht, die haben nur ein Ziel! Nur ein ganz bestimmtes Ziel! Du!!!!! Und das verliere ich nimmermehr aus den Augen, Du! Weil ich auch mein ganzes Herz an dieses Ziel verlor! Und ich will den Blick nur geradeaus darauf richten, das was neben meinem Wege steht ist fremdes Gewächs, fremdes Eigentum. Damit könnte ich mich nie befassen.

Ach – daß ich darüber auch nur noch ein Wort verliere! Geliebter Du! Das alles soll Dir doch nur wieder und wieder ganz eindringlich zeigen, wie ganz ich Dir zu Eigen bin. Wie ich Dir so ganz und gar in inniger Liebe gehöre, Du! Ach, ich möchte Dir doch alles Glück bringen, das Du Dir von diesem Leben erwünschst, Geliebter! Möchte Dein Sonnenschein sein! Zu Dir stehen, fest, in Freud und Leid. Immer. Du!! Du wohnst ganz allein in meinem Herzen, nur Du h[as]t den Schlüssel zu meinem Herzen, Du allein! Dir tut sich auch das heimlichste Herzkämmerlein auf. Du bist meines Herzens Vertrauter, Du!! Oh Du! So sehr Du Dich sehntest, ein Menschenkind ganz lieb in Dein Herz zu schließen – so lieb und fest hab ich Dich nun in mein Herz geschlossen! Oh – Du fühlst es, weißt es beglückt, daß Du mir der Einzige bist! Geliebter! So träumte ich von der Liebe, so wie sich alles an uns erfüllte! Ach Du! In Wirklichkeit ist doch nun alles noch vieltausendmal köstlicher erblüht! Ich denke an Dich, mein Herzenslieb, Du mein Sonnenschein! Fühle Deine zärtlichen Liebkosungen – ich brauche nur die Augen zu schließen und ganz lieb an Dich zu denken, Du! Dann mein' ich, Du bist mir nahe. Jeden Abend im Bettlein muß ich so tun – dann kann ich erst einschlafen. Oh so lieb und eng verbunden bin ich Dir über alle Ferne, mein Herzelein! Sei ganz glücklich und froh mit mir uns[e]rer großen, schönen Liebe! Gott segne sie allezeit!

Und nun will ich Dir einen lieben Gute-Nacht-Kuß geben, Du! Mein Goldherzelein! Schlaf wohl! Morgen, auf Wiederhören! In Innigkeit umschlinge ich Dich, mein Herz! Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946