Pfingstsonntag, den 25. Mai 1942
Herzenschätzelein! Geliebte! Mein liebes, teures Weib!
Heiß ist der Tag, kaum ein Wölkchen am Himmel. Wäre ich daheim, es litte mich nicht im Zimmer, ich müßte hinaus in Flur und Wald. Aber es ist zu heiß und dieses Land hier ist zu öde, ist erbarmungslos der Sonne ausgesetzt. Gern würde ich heute baden gehen – aber eine schöne Badegelegenheit gibt es auch nicht. Und nun komme ich eben zu Dir! Aber nicht als dem „Notnagel“, dem letzten Ausweg, Du! Herzelein! In Feld und Flur hätte ich doch nur mit Dir geredet, und am Strande – und das tue ich jetzt eben auch und umso lieber, als nichts mich stört, auch nicht die Pflicht, die Kameraden zu begleiten. Kamerad K. hat sich einer Gruppe zu einer Motorbootfahrt mit Bier und Nachrichtenhelferinnen angeschlossen. Kamerad H. ist im Dienst. Und Dein Mannerli sitzt wieder im Schreibstübchen – und denkt: wenn es doch bald wieder einmal bei Dir sein dürfte! wenn es doch bald für immer bei Dir bleiben dürfte!!! Herzelein! Es wünscht, es ist unzufrieden, es ist unruhig, es ist unerfüllt ––– bis ich ganz bei Dir bin! Du! Du!!! Oh Herzelein! Und ich liebe diese Unruhe in meinem Herzen, dieses Sehnen – sie kann mich keinen Augenblick verlassen – Herzelein! Sie ist doch der Herzschlag unsrer Liebe, sie ist das beglückende Zeichen, daß ich Dein bin, daß ich eine Heimat habe, sie ist der Kompaß, ganz zuverlässig, der mich zurückführt – hin zu Dir!!!!! oh Herzelein! Des sollst Du ganz froh sein: daß ich Dir gehöre mit Leib und Seele! Und daß unsre Liebe, Deine Liebe, in mir ganz lebendig ist. Oh Geliebte! Liebe, die viel mehr ist und fester bindet als gemeinsames Genießen – Du weißt es: ganz breit und innig ruhen unsre Herzen aneinander und tausend liebe Bande umschlingen uns zu unlöslichem Bunde.
Mit einem lieben sonnigen Kameraden, Ostpreußischer fescher Junggeselle, knapp so alt wie ich, Hilfsschuster in der Kompanie, ging ich jetzt abends ein Stück gemeinsamen Weges. An der Straßenecke saß ein Vater mir seinen beiden Elendskindern, der da öfter sitzt. Der Kamerad L. sagte: ich kann da nicht hinsehen, je weiter man nach Süden kommt, desto liederlicher und erbarmungswürdiger und elender wird die Menschheit, je weiter man nach Norden kommt, desto sauberer und menschenwürdiger findet man es, de[st]o mehr auch von lebendiger Nächstenliebe. Und nun erzählte er aus seiner Zeit in Dänemark, wo er eine Zeitlang [sic] als Besatzung mit war. Wie lieb sie Aufnahme gefunden haben, wie im dänischen Volke christlicher Glaube lebendig ist, und wie das Eigentum des Nächsten allgemein hoch geachtet wird. Dänische Arbeiter mußten für die Besatzungsbehörden arbeiten. Es hat Schwierigkeiten gegeben, weil die Arbeiter sich weigerten, am Sonntag zu arbeiten. Das dänische Volk sieht mit Bangen und Mißtrauen auf Deutschland in der Erwartung, daß dort das Christentum vernichtet werde. Es ist dort verabscheuungswürdiger, jemanden zu bestehlen als ihn totzuschlagen.
Ist das zu hören nicht erfreulich? Ist das Leben in solchen festen Bedingungen nicht erst ein segensreiches Leben? Und gerade die Achtung des Eigentums ist ein Zeichen von hoher Gesittung, ist Zeichen der Achtung von Mensch zu Mensch.
Herzelein! Wenn wir einander bekennen, daß wir einander zu Eigen, zu Ureigen sind, dann tun wir es aus der gleichen Gesinnung, in der gleichen hohen Auffassung, in Hochachtung und gegenseitiger Verehrung. Dein Eigen bin ich, Dein Ureigen – Du sagst es, Dein Glück, Dein Sonnenschein, Inhalt Deines Lebens – und so bin ich erfüllt davon und fühle es, daß ich Dein Eigen bin, daß ich nicht mehr mir selber gehöre, Du! Du!!!
Und so bist Du mein Eigen, mein Ureigen, geliebtes Herz!!!
Wir sind es einander geworden und werden es täglich mehr. Viel Reichtümer sind nicht unser Eigen – und viele Schätze sind es nicht, die es wart wert wären, daß man sein Herz daran hängt. Die glücklichsten Menschen waren meist nicht reich begütert und das größte Glück dünkt uns doch, Eigenes zu schaffen, Gutes zu wirken – und das ist unser Wollen und Planen, das ist, was uns am innigsten verbindet und noch verbinden wird. Oh Herzelein! Mit Dir will ich schaffen und leben! Allein kann ich es nicht! Du!
Herzelein! Bist doch eigentlich mein erstes und einziges Eigentum. So bedeutsam und wichtig war noch kein Schritt in meinem Leben – so allein stand ich noch nie vor einer Entscheidung – so griff noch keine in mein Leben ein, innerlich und äußerlich als damals, da ich mir Dich erwählte. Oh Herzelein! Und dieser Schritt bleibt das Bedeutenste in unserem Leben. Und es gibt kein größeres Glück auf Erden, als wenn zwei Menschen in Liebe zusammenfinden, es gibt kein größeres Glück.
Du! Geliebte! Wir wußten und fühlten schon, ehe wir uns fanden. Oh Herzelein! Du liebes Herzblümelein! Ist noch gar nicht lange her – da hast Du noch geträumt, unerschlossene Knospe, von dem Sonnenschein, der Dich einmal erschließen wird, von dem Glück des Erblühens, hast ihm so hohen, erwartungsvollen Herzens entgegengeträumt, dem Glücke erster Liebe – oh Geliebte! Du! Du!!! Bist Du auch recht glücklich? Oh Du! Mag ich auch recht Deinen Traum erfüllen? Bin ich Dir auch recht der Sonnenschein, von dem Du Dich zu schönster Blüte erweckt fühlst und dabei erfalten [sic]? Oh Du! Dein Traum, Dein Wunschbild, Dein Glück – sie sind mir heilig!
Geliebte! Oh Herzelein! Nur ein Sinnen und Trachten ist in mir: Dich recht glücklich zu machen, Dein Leben zu erfüllen, Dir der rechte Sonnenschein zu sein. Oh Du! Ich bitte Gott darum, daß er mir dazu immer die rechte Kraft schenkt – daß er mich Dir heimführt und mir Gelegenheit gibt, Dich recht zu lieben!
Und ich, Dein Mannerli? Ich habe doch auch geträumt von solcher Liebe – und habe gewartet und habe geglaubt – an die Hochzeit des Lebens – und habe mich dazu gerüstet und dafür bereitgehalten, habe den Thron bereitet in meinem Herzen – und habe gesucht nach dem Blümelein, dem ich der rechte Sonnenschein sein könnte – Geliebte, Geliebte!!! Und nun habe ich Dich gefunden! Du hast dem Sonnenschein gewinkt, ach, aus wundersamer Märchentiefe – „Komm zu mir, bescheine mich, Du kannst mich recht erwecken und erblühen machen“ – und der Sonnenschein ist gekommen – und ist geblieben – oh Herzelein! Geliebte! Und bleibt Dir ewig! und will Dir doch scheinen, scheinen, scheinen! – oh Du holdes, liebes Herzblümelein, mein Herzblümelein! – will Dir scheinen und Dich erblühen machen zu seinem höchsten Glücke – oh Geliebte! Das beste und liebste will er doch erst noch, dann, wenn wir zusammen leben! Oh warte mein! Habe Geduld!
Geliebtes Herz! Und Du wirst mein warten! Du wirst mich lieb behalten! Du! Oh Du!!! Du kennst Dein Man[ner]li! Was es zu Eigen hat – das hält es fest, so fest, so eigensinnig und lieb – und mein Herzblümelein, das ist mein Ureigen, ist mir ans Herz gewachsen, ist verankert an meinem eignen Leben – und Du, liebes, liebes Weib – Dich kann ich doch nicht anders [sic], Du liebes, feines, gutes, bestes, einziges Herzensschätzelein!
Herzelein! Vor mir steht unser Hochzeitsbild – und wenn ich unsre Augen schaue, Deine lieben Augensterne, dann leuchtet darin sieghaft unsre Liebe, unser Glück! – wir können es nicht veräußern. Oh Du! Herzelein! Du hast mich sooo lieb – Und [sic] ich habe Dich sooo lieb! Du bist mein! Du! Du!!! Meine Sonne! Mein Glück, mein Leben, Du!!!!! Gott behüte Dich! Er segne unsre Liebe! Ich bin immer bei Dir!
Ich liebe Dich! Sooooooooooooo sehr! Ich küsse Dich – ganz lieb! Dein glückliches Mannerli!
Dein [Roland]!
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Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946