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[OBF-421023-002-01]
Briefkorpus

8.)

Freitag, am 23. Oktober 1942.

Geliebtes, teures Herz! Mein lieber, guter [Roland], Du! Ach, Du! Du!! Komm setz Dich zu mir, gib mir Deine liebe Hand, lehn Dein Köpfchen an mich, Herzlieb! Ruh Dich aus – ach Du! Werde still, ganz still bei mir. Und schenk mir dadurch die Kraft, daß auch ich ganz stille bin und auf mich nehme, was Gott uns schickt. Ach Herzelein! Heute ist ein Bote von Dir gekommen, der mich doch so traurig stimmen wollte. Du!

Und wenn ich nicht allen Willen angestrengt hätte, ich wäre doch dieser Traurigkeit ganz verfallen, Geliebter!

Vom Sonntagabend ist Dein Bote. Endlich stehen die Räder einmal still. Wieder ein Sonntagabend – ach, Du! ich [sic] kann Dir so gut nachfühlen, daß er alle Gedanken an die Heimat weckte! 8 Tage zurück gerechnet, wie viel schöner war da noch alles. Ja, Urlaubsfreuden sind vergänglich. Aber nicht für uns in dem Sinne vergänglich, Geliebter! Jene Zeit, jene Stunden in denen die Liebe so eng das Band um uns schlang, sie leben fort in der Erinnerung, sie sind fest und tief eingeschlossen in unsres Herzens Schrein. Ach Du! Nur wir beide können diesen Schatz so ganz ermessen! Teures, heiliges Vermächtnis alles Erleben!

Unauslöschlich eingebrannt in unsre Seelen! Dein!! Mein!! Unsre Liebe ist das teure Pfand, daß wir einander bewahren, und zurückbringen wollen am Tage unsrer Vereinigung! Oh Herzensschatz! Darum wollte mir so weh ums Herz werden, daß Du nun wieder so ganz allein durch die harten Tage mußt. Ich gehörte Dir doch jetzt mehr denn je! Und bin machtlos dem Schicksal gegenüber, bei all meiner großen Liebe! Ach Du!!

Oh Herzelein! Daß doch erst wieder meine Boten zu Dir finden! Du! Ich mein es doch so, soo lieb mit Dir. Ach Du weißt, wie sooo lieb! Und ich möchte Dir ja jeden Tag vergolden, Dir alle Fremde nehmen, die sich so unabweisbar immer wieder vordrängt. Ach, ich möchte Dir Dein Leben so schön wie nur irgend möglich gestalten, Geliebter! Du sollst Dich so ganz von meiner Liebe gehalten wissen, so ganz von ihr getragen! Sollst so ganz in meiner Treue Dich geborgen fühlen, letzte trauteste Zuflucht will ich Dir sein, oh mein Lebenlang! Geliebter Du! Du!!

Ach Gott im Himmel, gib mir die Kraft dazu immer neu! Amen. Mein geliebter [Roland]! Ich habe Dein so lieb und innig gedacht, jeden Tag, seit Du fort von mir bist, auch in den Stunden, da meine Hände mit fremden Dingen sich beschäftigen bin ich so ganz bei Dir. Ach, kann doch nur immer bei Dir sein, weil Du in mir bist, weil Du in mir lebst, teures Herz! Du!

Ach Du! Immer tiefer und inniger führt uns solch Geschenk eines Wiedersehens einander zu, hast Du es auch gespürt, Schätzelein? Es ist doch so, als ob alles das, was immer in uns lebt und wogt und brandet, durch dieses Wiedersehen erst ganz hell zur Flamme entfacht wird. Wie ein Eid, ein Schwur auf unser inneres Einssein kommt dann dazu das körperliche Einssein und das geistige Nahesein und Einssein. Es ist uns ein Wiedersehen nicht nur ein helles Freudenfest, daß [sic] dann nach Ablauf wieder hinabsinkt gleichsam in eine Flut dunkler, nichtssagender Tage. Oh Du! Vielmehr ist es uns! Und soo beglückt empfinden wir, daß uns das Wiedersehen viel viel mehr ist! Geliebter! Bekräftigung unsrer Liebe und unsres Einsseins! Wundersame Umwandlung in die Tat, was im Herzen drängt, was im Willen lebt. Ach Du! Du! Du!!! Es fehlen doch die Worte, dies Empfinden zu erklären.

Ich glaube, es sind wenige nur, die solch ein Wiedersehen so köstlich, so als ganz großes Geschenk nehmen. So müssen wir, können nicht anders. Weil Liebe uns drängt, unendliche schöne Liebe. Und die Zeit nun, die zwischen Abschied und Wiedersehen liegt? Du, daß wir es immer recht im Herzen spüren voll Seligkeit,: [sic] sie ist Erwartung! Nichts als selige Erwartung!

Ach, auf alles! Auf die Zeichen schenkender, überströmender Liebe; auf alle Kunde, die uns vom Geliebten wird; ach, selige und nur frohe Erwartung auch auf das, was der Vater droben uns schickt in Weisheit und Güte. So ist es und nicht anders. Sieh, Herzelein, dies ging mir doch heute als frohe helle Gewißheit auf, als ich mich auseinandersetzte mit dem, was ich nun aus Deinem Boten erfuhr – ach, zuerst stand doch alles auf in mir an Verzweiflung, Abwehr, Angst, Not und Traurigkeit. So aber nur einige Stunden.

Ach, der Mensch braucht Ruhe und Alleinsein, um zur Besinnung zu kommen. Und der Mensch sucht auch so lange, bis er aus einer noch so trostlosen Lage einen Ausweg findet. Segen des Menschseins, der Verstand, der aber auch zum Unsegen werden kann.

Geliebter! Liebende wollen nur das Gute sehen, nur das Beste. So sagt man auch, Liebende seien mit Blindheit geschlagen. Ach, wer so aus Liebe heraus handelt und denkt und sorgt wie wir, der kann sich nicht zu jenen rechnen. Und wenn ich mich und Dich jetzt auch über die Sorge hinwegtrösten will, die über uns schwebt wie eine dunkle Wolke: ungewisses Schicksal. So soll doch damit nicht gesagt sein, daß ich mutlos einer Entscheidung über Dein Geschick ausweiche und Dich Dir selbst überlasse. Ach Geliebter! Wie gerne würde ich alle Kraft drein setzen, Dir ein gutes, gewisses Los schaffen zu helfen! Ich kann nicht. Ihr Männer seid dem Vaterland zu Dienst verpflichtet. Seid nun unsrer ummittelbaren Fürsorge und Liebe entlassen. Und wir dürfen nur für Euer Seelenleben sorgen. Für das körperliche sorgen andre. Oh Herzelein! In einer Bleibe weiß ich Dich zwar, aber ob sie es bleibt? Ob sie es ist noch, jetzt da ich Dein denke? Ungewißheit bis zum letzten, so ist das Soldatenleben.

Geliebter! Mein Trost und meine Liebe, sie kommen zu spät nun zu Dir. In den Stunden allererster Verlassenheit und Trostlosigkeit erreicht Dich mein Ruf nur im Herzen. Oh Du! Daß Du ihn vernommen haben mögest! Geliebter!!! Aber Du hilfst Dir selbst zum alleinigen Trost: lenkst den Blick zum Himmel, die Gestirne spotten aller Weite und Ferne hier auf Erden, sie sind bei Dir wie bei mir zugleich und somit ein kleines Abbild von der Allgegenwart Gottes.

Herzelein! Gott wollen wir uns anbefehlen in Freud wie in Leid, in Sorge, in Kummer, in allen Dingen. Und wie schon so oft gereicht uns zu Trost und inneren Frieden das Wissen darum, daß bei Gott schon alles beschlossen ist, auch der Ablauf unsres bescheidenen Lebens. Das läßt uns still und demütig werden. Ach Du! Und wenn nun meine Freude, Dich für diesen Winter in Rumäniens Hauptstadt zu wissen, zerrinnen müßte und der Tatsache weichen müßte, Dich auf der Insel Krim, oder noch anderswo zu suchen, so will ich nicht verzweifeln. Wenn Du mir nur gesund bleibst! Wenn Du es nur erträgst, Geliebter! Ich ertrage es. Um Deinetwillen. Um unsrer Liebe Willen. Ich will Dein Halt bleiben, Deine Zuflucht für und für! Herzelein Du!

Und so will ich mich mit Dir in Geduld fassen und bereit sein für alles, was Gott uns schickt.

Herzelein! Gib mir Deine lieben Hände, ganz fest umschließe ich sie in unendlicher Liebe und Treue: ich gehe mit Dir, Du! Wohin Dein Weg auch führt! Ich bin bei Dir!!!!!!!!!!!!! Herzelein! Denke nie mehr, daß ich Dich einmal fallen lasse. Es gibt nur ein Empfinden zwischen mir und Dir und das ist Liebe, bedingungslose Liebe bis ins Letzte. Du hast mein Herz, Du hast mich so ganz.

Gott im Himmel! Bedenke uns nach unseren Kräften. Sieh in unser Herz! Reiße uns nicht unbarmherzig voneinander, segne unsre Liebe! Amen.

Herzlieb! Ich kann Dir doch heute noch eine kleine Freude machen, Du! Und weil ich Dir täglich etwas freudiges tun möchte, so will ich Dir "dosenweise” Freude bringen, ja?

Heute erst die liebsten, unsrer Urlaubserinnerungen.

Du! Ich empfinde doch so, sooo viel Glück, wenn ich es schaue, das Land unsrer Liebe, unsrer seligsten Eintracht.

Ach Du! Wenn sie Dir Kraft geben die kleinen Bildchen, dann trage sie bei Dir! Denk an die Heimat immer, Denk an alle lieben Menschen, die Dein Gutes wollen! Herzelein und denk an Deine [Hilde], die Dir die allernächste ist! Und die Dir alles, alles aufbewahrt, lieb und treu! Immer auf Deine Heimkehr harrend! Ich liebe Dich!

Du bist mein Ein und alles! Gott mit Dir!

Es küßt Dich herzinnig Deine [Hilde].

Liebe Grüße von den Eltern.

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H. schickt ihm Urlaubsfotos, um ihm jeden Tag eine kleine Freude zu bereiten.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946