Sonnabend, den 24. Okt. 1942
Herzallerliebste mein!! Meine liebe, liebste [Hilde]!
Schon sind über unsrer Rückkehr nach S. [sic] wieder 8 Tage vergangen. Ach, wie so schnell ändert die Welt ihr Gesicht – wie werden die Menschen jetzt aus einer Lebenssituation in die fremde andere geworfen, wie werden die Freuden jetzt zugeteilt, wie wenig hat mein [sic] sein bißchen Leben jetzt in seiner Gewalt, kann gar nicht selbst daran gestalten. Hingestellt wird man, und nun soll man seine Kräfte entfalten. Und man könnte ja auch nicht anders – die böse Zeit wäre ja unerträglich, wenn man nur so herumlunegern [sic] sollte. Und doch liegen die besten Kräfte brach, die Kräfte, die man ansetzen möchte in Heim und Beruf. Aber dieses Los müssen wir ja eben mit so vielen teilen.
Mein Stubenkamerad stammt aus Rheydt im Rheinland. Seinen Beruf habe ich noch nicht erkundet. Aber er scheint sich nicht schlecht zu stehen. Er ist zwei Jahre älter als ich, schon länger verheiratet. Er hat seine Familie zu Verwandten nach Landau am Inn ziehen lassen. Ich werde mich mit ihm gut verstehen. Er ist Nichtraucher! Es hat vernünftige Ansichten – ist einer der wenigen, die sich auch zur Kirche halten. Ich bin recht froh, daß ich ihn fand. Denn so angenehm es für den Augenblick scheinen mag, das Zimmer nur noch mit einem Kameraden teilen zu müssen, wenn er nicht ein guter Kamerad ist, kann solche Stubengemeinschaft unerträglich werden. Wir müssen zu unsrer Stube durch ein Mannschaftszimmer gehen. Der Verkehr mit diesen ist auch recht anständig und kameradschaftlich. Soweit ich das bis jetzt beurteilen kann.
Herzelein! So weit schrieb ich in der Mittagpause. Ich bin wieder U.v.D., sitze in der Unterkunft II, sie liegt 3 Minuten von der meinen entfernt, sitze da auf ruhigem Posten bis um 12 Uhr.
Ach Du! Du! Du!!! Nun muß ich Dir aber erst von meiner großen Freude berichten: Dein lieber Bote ist zu mir gekommen, heute zum ersten Mal wieder – ach Du! Du!!! Geliebte! Geliebte! Meine [Hilde]! Meine liebe [Hilde]!!! Wieviel Freude ist doch nun in mir durch Dich, durch Dich! Herzelein! S'ist der an die neue Nummer, den Du Mittwochfrüh in den Kasten stecktest – der ist ja nur 3 Tage gegangen! So lange, fast, wie das Mannerli auch reisen mußte Du! Du!!! Da kommen die Kussel doch noch ganz warm an – oh, oh – da muß das Mannerli aber fein brav sein, wenn das Weiberl nur drei Tage entfernt sitzt kann es doch fast herschauen und sehen – wie lieb ich Dich habe, Dich allein! Dich ganz ganz allein!!! wie ich mich nach Dir sehne, wie ich Dir so nahe sein möchte! Oh Geliebte! Geliebte!! Deine Liebe spricht zu mir – so lieb, sooo lieb, so lind – deine Liebe fühle ich nun wieder ganz nahe bei mir, um mich! Oh Du! Du!!! Wie wundersam ist das! Wie tut das sooo wohl! Wie glücklich machst Du mich! Du! Du!!!!! !!!!! !!!
Ach Herzelein! Heute hatte ich doch kaum noch gerechnet. Hat der gute Reisegefährte doch meinen Auftrag getreulich ausgeführt, war ein guter Mensch. Ich war ihm auch behilflich, ein paar Zigaretten und eine Flasche Schnaps zollfrei über die bulgarisch-rumänische Grenze zu bringen, indem ich sie (die Waren) einstweilen in meinem Koffer verwahrte.
Ach Herzelein! Nun tritt alle Liebe, die ich in den Urlaubstagen erfuhr, wieder hervor nach den Tagen des Gedränges und des Einsseins. Ich war ja heute schon so froh, als ich aus dem Dienst ging – so dankbar, so ganz tief dankbar müssen wir sein, daß es sich nach unserem Wunsche fügte – oh Du, Geliebte! Und nun hast Du diese Freude gekrönt mit Deinem Liebgedenken – ach Herzelein! wenn ich Dich jetzt bei mir hätte!! Du! Du!!! Herzensschätzelein! Wie glücklich bin ich, daß ich heimdenken kann, ans liebe Elternhaus, an die Orte unsrer Liebe, daß ich Dich dort weiß – Du! Du hältst die Heimat – Du bist die Heimat! Ach die Heimat, die Orte und Wege alle, die mir mit Dir immer vertrauter werden, die von einem zum anderen Male mehr Zeugen werden unsrer Liebe! Nun seh ich Dich bei den Geschäften, die ich mit einleiten durfte – einmal wird der Tag kommen, da wir so ganz, so ganz miteinander leben können! Freust Du Dich darauf, so wie Dein Mannerli? – oh Du! Du!!!
Ach, mein Herzlieb macht mich so sehnrich [unklar]: „es ist so schön gemütlich zu haus – wollen eine feine Grießsuppe kochen – und kuschle mich dann ins schöne warme Bettlein" – Du! Dein Mannerli ist gar kein solches Filzpantoffelmannerli, gar kein Nesthocker, ist gar kein Mensch, der die Gemütlichkeit so recht genießen kann – dazu war immer zuviel Unrast in mir – aber nun sehne ich mich doch nach den Stunden der Traulichkeit und Behaglichkeit mit Dir, so wie Du sie bereiten kannst – ach Du! wirst [sic] ein Mannerli haben, das so, sooo gern nach Hause kommt! Ich sehe es an meinem Stubenkameraden, wie solches Beheimatetsein innerlich ruhiger und fester macht.
Der morgende Sonntag? Es bringt den ersten freien Nachmittag. Ich will ihn nützen damit, mich einmal umzusehen. In der Woche ist das über Tag nicht möglich.
Herzelein! Nun ist schon wieder Sonntag, und eilig ist es auch schon wieder. Mein Tag ist jetzt ein bissel kurz immer, weil ich mich einarbeiten muß. Ach Herzelein! Nun bin ich heim vom Dienst, es ist 1 Uhr geworden, Baden und sonst ein bissel ordnen bleibt nun alles auf dem Sonntag – aber das wird bestimmt besser. Herzlieb, nun sind auch die Stunden wieder gekommen, das [sic] ich das Fenster zu meines Herzens Freude wieder auf ein paar Stunden öffnen kann – meines Herzens Freude – das ist unser Glück, das bist Du! Du!!! O Geliebte! Ich liebe Dich – über alles!
Behüt Dich Gott! Grüß die lieben Eltern!
Ich küsse Dich vieltausendlieb –
ewig Dein [Roland],
Dein Herzensmannerli.
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Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946