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[OBF-421025-002-01]
Briefkorpus

9.)

 

 

Sonntagvormittag, am 25. Oktober 1942.

 

 

Mein herzallerliebstes Schätzelein! Geliebter [Roland], Du! Herzlieb!

 

 

Eine lange Weile liegt zwischen dem letzten Boten, den ich Dir schrieb und dem heutigen. Freitag wars als ich Dir schrieb, heut ist Sonntag. Und es war doch gut so, daß ich Dir gestern keinen Boten sandte; denn nun erfahre ich doch eben, Herzelein, daß Du schon wieder eine neue Nummer hast! So gehts [sic] im Leben: manche haben gar keine Nummer und wieder andre bekommen fast täglich eine!

 

 

Du! Zwei liebe Boten sind angekommen. Einer war von S., der am Sonnabend geschrieben ist. Ach ich muß Dir noch einmal ganz lieb danken, Du! daß [sic] Du mein so treu gedacht hast in allem Drasch. Bin Dir ja sooo dankbar, mein [Roland]! Und unterdessen hat mich schon der Bote erreicht, den der liebe fremde Herr mit nach Deutschland nahm. Du! Der andre neu angekomme Bote erzählt mir doch von dem Leben und Treiben jetzt, daß um Dich her ist. In einem Großbetrieb bist Du also geraten! Na, da werden sich Deine bisher gewonnenen Kenntnisse noch um ein beträchtliches erweitern und paß nur auf, Du wirst wohl Admiral werden, wie Vater [Nordhoff] prophezeite! Ach ja, Schätzeli! Ich glaub Dir: Nach dem ersten Dienst hat der Kopf gebrummt von all dem Neuen. Da heißt es nun ein paar Tage mächtig spannen und spritzen, lernen! Ach, daß Du Dich nicht einarbeitest fürchte ich keineswegs.

 

 

Aber viel mehr, liegt mir am Herzen, ob Du Dich einleben kannst da. Ich werde doch nun aus jedem Deiner folgenden Boten mehr erfahren. Ach Liebes, Du! Denke mir immer recht froh daran, daß ich in all meinen Gedanken immer bei Dir bin, Du!! Und daß ich Dir in allen Dingen zur Seite bin und Dir helfen möchte, wo ich nur kann! Komm zu mir mit allem, was Dich bewegt, ich will mit Dir leben! Schon jetzt, Geliebter! Über alle Ferne! Du!!!!!

 

 

Vom Montagabend ist Dein lieber Brief. Du sitzt – Donnerwetter! – vor einem Philipsapparat, bist U.v.D. und bemühst Dich vergebens, mit mir das gleiche zu hören. Wie drollig, Herzelein! Auch ich habe mich am Montag vergeblich bemüht, Leipzigs Montagssendung sauber herauszubekommen, vergeblich bemüht! – woran das lag? ? Gerade das Schlußlied bekam ich noch weg [sic]: "und wieder geht ein schöner Tag zu Ende, voller Glück und Sonnenschein....."

 

 

Zwischendurch spannte ich auf den mir unbekannten Sender, der montags immer die Kurzsendungen bringt in rumänischer, bulgarischer und in griechischer Sprache. Und in meiner närrischen Verliebtheit hab ich geglaubt etwas von meinem Schatz zu hören! Irgend etwas!

 

 

Ach Du! All meine Sinne und Gedanken sind immerzu bei Dir und ich bin Dir so nahe! Ich saß mit Mutsch beim Stricken am Montagabend, Papa war im Dienst. Ach Du! Das ist aber zu drollig, wie sich im Unterbewusstsein unsre Gedanken kreuzen, sogar bis in unsre Träume hinein! Ich habe Dir meinen Traum doch garnicht erzählt, den ich in jener Montagnacht hatte. Ich hielt es für zwecklos, weil es so unmöglich war. Ich hatte Dir wohl im Briefe geraten, recht vorsichtig zu sein beim Ausgehen in einer fremden Stadt – so sinne ich mir alles zusammen. Du warst nämlich betrunken! Aber regelrecht! Und ich konnte mit Dir reden, was ich wollte, es drang garnicht vor bis in Dein Hirnkästlein. Auf besondere Einzelheiten kann ich mich nicht mehr genau besinnen, ich weiß nur, daß ich mich so über Dich geärgert habe und Dich rührte nichts, rein nichts! Ach Du!

 

 

Auch Du hattest Deine liebe Not mit mir im Traume. Einen wilden Zirkusreiter auf dem Fahrrade sahst Du in meiner Person! Du! Höre! Solche Anschuldigungen will ich mir verbeten haben. Und ich lasse sie nur gelten, weil ich nun weiß, daß Du ja betrunken warst in der gleichen Nacht, in der Du mich solch eines Vergehens beschuldigst! Mein, wie drollig das! Herzelein! Es wird noch eine Weile dauern, ehe sich unsre Boten wieder so zueinander finden, daß wir Antwort darauf bekommen. Ach dieser gedulderforderliche Zustand ist doch nur möglich zu ertragen, weil das große, eindrucksvolle Glück unsres jüngsten Beieinanders uns noch ganz in Bann hält. So viel reiche Bilder voller Seligkeit hält unser Herz noch umschlossen. Und wir sind so erfüllt noch von allem Glück, daß wir immer nur geben und schenken können, ohne sie zu empfangen. Du! Aber gar lang möchte dieser Zustand nimmer dauern, sonst wird die Sehnsucht, in mir übermächtig! Oh Herzallerliebster!!! Ich habe Dich zu lieb!!! Du!!!!!

 

 

Liebster! So lang Du in B. bleibst, ändert sich Deine Nummer in [Nummer]. Die will ich nun ab heute brauchen. Ach, ist das wieder mal ein Durcheinander, ein rechter Herbststurm. So viel Neues will verdaut und durchdrungen sein. 5-6 Tage braucht die Post bis zu mir. Hoffentlich bekommst Du alle meine Boten nachgesandt, es sind wichtige Dinge drin auch, die ich nicht verloren wissen möchte. Ach Du meine Güte! Da lese ich: K. muß nun auch noch anbeißen!! Geschieht ihm recht! Da kann er über Weihnachten aber nun nicht heim. H. sieht ihn am Ende in V.! Und der gute R. darf also nicht in Wien o[p]eriert werden, wie ich doch wohl recht verstehe aus Deinen Zeilen, sondern in Belgrad. Da hat sich seine Frau gewiß auch falsche Hoffnungen gemacht. Und wir hatten ihn schon beneidet und ihn bis Weihnachten zuhaus gesehen!

Ja, erstens kommt es anders und zweitens.....

 

 

 

 

Schätzelein! Ich bitt Dich sieh zu, daß Du bald Deine Zulassungsmarken kriegst. [*] Es sind die neuen Bestimmungen heraus für den Feldpostverkehr, und bis Ende November müssen die Weihnachtspäckchen fort sein. Ab 10. November müssen sogar die 100-gr.-Päckchen mit einer Zulassungsmarke versehen sein. Du mußt 8 Stück zusätzlich der laufenden Marken bekommen!

 

 

Ich leg Dirs [sic] nochmal ans Herz: bitte, kümmere Dich!

 

 

Du weißt, wieviel Freude Du mir machst damit. Du!

 

 

Ach Du! Ehe ich nun auf Deinen lieben Boten näher noch eingehe, will ich dir nur erst mal von mir etwas erzählen.

 

 

Am Freitagabend sind wir zeitig ins Bett, weil wir morgens mit dem 1. Zug nach Breitenborn wollten. Ausnahmsweise war herrliches Herbstwetter, sonst hat es immer toll geregnet bisher. Mit dem Koffer und Reisekorb und Taschen bewaffnet zogen wir los. Der Vollmond begleitete uns. Zuerst ging nach Narsdorf in die Gärtnerei. Da bekamen wir 10 Pfund Tomaten, 5 Pfund Zwiebeln u. 10 Pfund Äpfel. Der Koffer war voll und den brachten wir gleich zum Bahnhof. Unsern Korb stellten wir in dem Bahnhofswärterhäusel an der Landstraße ein. Nun hieß es nach. [sic] Br. [sic] laufen. Gleich zu C.s. Wir bekamen eine Kanne gekochte Milch und aßen unsre Butterschnitten dazu. ½ Ltr. Rotkraut, 30 Pfund Äpfel, Quark und 15 Eier bekamen wir. Alles Schwere wurde in den Korb geladen, auf den Handwagen u. zur Bahn. So hatten wir nur unsre Tasche und den Koffer zu tragen. ½ 100 [Uhr] fuhr unser Zug zurück und glatt landeten wir ½ 300 [Uhr] zuhaus. Ich habe erst alles mit aufgeräumt, dann war Mittagspause und ein Stündchen schlafen. Denn abends war Theater. Eine große Enttäuschung für mich! Aus unbekannten Gründen war ein Programmwechsel vorgenommen: anstatt "Emilia Galotti” – "der Floh im Ohr." Ein ganz kindischer Mist. Verzeih bitte, aber’s ist wahr. Ich gehe nie wieder mit. Da hätte ich lieber können ins Bett gehen. –

 

 

Für heute sind wir zu Oma erbeten, sie hat Kirchweih und wird bei dem Prachtwetter viel Gäste zum Kaffee bekommen. Wir sollen ihr bissel helfen, weil sie mit Friedel allein ist. Sie hat uns ziemlich ½ Gans geschenkt und Kuchen, da können wir´s nicht abschlagen! Papa ist schon unten. Ja, Oma hat ihre 2 Gänse geschlachtet! Na, wir gehen erst gegen 200 [Uhr] weg.

 

 

Herzlieb, es ist jetzt 11 Uhr am Sonntagmorgen. Was wirst Du treiben?

 

 

Bei uns scheint die Sonne, prächtig gefärbt ist die Natur. Du wirst in der großen Stadt davon wenig sehen, gelt? Ob Du spazieren gehst heute? Ach, ich denke so sooo lieb und oft an Dich. Mein Herzensschatz! Wie liebe ich Dich doch!!! Gott behüte Dich mir! Bleib froh und gesund! Es grüßt und küßt Dich innigst

 

 

Deine treue [Hilde].

 

 

Viel liebe Grüße von den Eltern. 

 

 

Deine treue [Hilde].

 

 

 

[* Satz ist doppelt unterstrichen]

 

 

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"Kirchweih" = je Dorf individuelles Kirchenfest, das zum Jahrestag einer Kirchweihe oder am Namenstag des Kirchenpatrons gefeiert wurde.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946