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[OBF-421027-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 26. Oktober 42

Herzallerliebste mein! Du, meine liebe [Hilde]!

Den dritten Tag kommt der liebe Bote schon ganz regelmäßig zu mir – braucht 3 Tage für den Weg, nicht halb so lange wie nach S. – weil er nicht über Wien muß, denke ich – fein ist das doch! Du!!!

Nun muß ich Dir doch gleich ganz schnell Deine Frage beantworten: "O sag mir Du! Hast Du mich auch so unsäglich lieb?" Herzelein! Geliebte! Geliebte!!! Ja! Ja!!! Ja!!!!!

Ach Du — es gibt ja dafür gar keine Worte! Für das, was ich für Dich empfinde, für meine Freude, für mein Glück, für mein Glück – Geliebte! Und wenn ich darauf sinne, was ich Dir Liebes tun könnte, dann komme ich mir selbst so arm vor, ach Du, dann scheint mir auch alles Mögliche an Geschenken zu wenig. Und wenn ich Dir bekennen sollte, wie Du so ganz in mein Leben einbezogen bist, wie Du in mir lebst, wie ich durch Dich lebe: oh Geliebte! Ich mag und kann nicht mehr sein ohne Dich!!! Herrgott, hilf Du uns!

Oh Du! Du!!! Alle diese Empfindungen schlummern nun wieder in des Herzens Schrein. Oh Du! Wach dürfen sie nicht sein jetzt, nicht ganz wach, sonst möchten Weh und Sehnsucht mich verzehren! Aber so wie im Film gestern abend – dann wachen sie auf – oh Herzlein, dann bedrängt es mich süß und schmerzlich zugleich – aufatmen möcht ich dann – aufatmen – und noch müssen wir doch den Atem noch geduldig verhalten.

O Du! Du!!! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

So, wie ich lieben wollte, so, wie ich lieben muß: so lieb ich Dich!!! Einmal im Leben – einzig und ganz – Du!!! Oh Gott im Himmel, segne Du unseren Bund!

Montag ist nun wieder um. Es gab heute viel Durcheinander. Das wird so bleiben, bis der Umzug beendet ist. Zwei Schriftwechsel kommen da zusammen und müssen gesichtet und abgefertigt werden, der an die alte und die neue Nummer. In den nächsten Tagen erwarte ich nun schon die Anschrift an die neue Nummer. Die nachgeschickte Post aus S. wird wohl noch eine Weile auf sich warten lassen, sie muß über Wien zurück.

Meine Reise nach hier hast Du richtig verfolgt. Von Kamerad H. trennte ich mich hinter Plewna, in Gorna Orehovika. Von da zweigt die Bahn ab nach Russee [sic] (bulg.) od. Rustschuck (rum.) – auf dem jenseitigen Donauufer liegt Giurgiu od. Dschurdschejwo.

Heute ist auch ein Brieflein aus Kamenz eingegangen. Du hast denen daheim die Nummer geschrieben. Wird gar nicht dauern, bedrängt mich wieder eine ganze liebe Gesellschaft, steht um mich unstreitbar am nächsten aber, am allerallernächsten steht die Eine, die Einzige, meine Herzenskönigin – Du! Du!!! Wenn mir freie Zeit mehr bleiben sollte als früher, so will ich doch in erster Linie sie dazu nützen, die Verbindung mit der Heimat noch besser zu pflegen, zuerst dazu, mit den nächsten Verwandten, mit den Brüdern zumal, etwas regelmäßiger zu schreiben – es scheint mir nichts besser und wichtiger. In den nächsten Tagen muß ich Elfriede auf den Patenbrief antworten. Du sollst also Patentante sein. An die Beschaffung eines schönen Patengeschenkes hier kann ich jetzt nicht denken – es ist zu teuer! So wird es doch eben vielleicht bei dem Sparbuch bleiben müssen.

Herzelein! Bis dahin schrieb ich gestern abend. Dann überfiel mich die Müdigkeit. Ist ja auch nicht so schlimm, ist nun, im Mittagsstündchen, alles noch nachzuholen.

Das Wetter macht sich heute bemerkbar, indem es wieder einmal wärmer ist, bei föhnigem Himmel, während es die Tage daher [sic] schon ganz schön an die Finger biß. Es geht eben auf den November zu. Da heißt es wieder besser einmummen, am besten gleich am Körper selber. Das Mannerli kriegt, scheint mir, ein kleines Bauchl [sic] – na, den Winter über wollt ich es schon anstehen lassen. Hier in R. ist die Fettigkeit, scheint mir, noch nicht so rar wie daheim, auch Fleisch ist reichlicher. Man liest es in der Zeitung. Hier in B. erscheint eine deutsche Zeitung, Zeichen dafür, daß es hier eben viel [sic] Deutsche gibt.

Nächstens will ich Dir mal etwas von meinem Dienst erzählen. Heute komme ich jedoch nicht mehr dazu.

Das Ahornblatt war mein Begleiter auf dem Sonntagsspaziergang an Deiner Statt. Haben doch auch alle danach hingeschaut wie nach meinem Schätzelein selber.

Herzelein! Bald komme ich wieder zu Dir!

Für heute leb wohl! Behüt Dich Gott!

Ich denk doch immer Dein! Immer!

Ich hab Dich doch sooo lieb! oh Herzelein – in meinem Herzen ruht unser Glück, Deine Liebe – meine ganze Freude!

meine ganze Hoffnung! mein Alles!!! Du! Du!!!!!

Ewig

Dein [Roland],

Dein Herzensmannerli.

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Kommentare

Emilie Sitter

Do., 02.07.2020 - 11:36

„Rustschuck“ ist nicht der rumänische Name der Stadt, sondern der (veraltete) deutsche. Auf rumänisch schreibt sich die Stadt „Rusciuc“, auf Bulgarisch „Русе“ (Ruse) (https://de.wikipedia.org/wiki/Russe_(Stadt)). „Dschurdschewo“ gibt wohl die Aussprache des rumänischen Wortes „Giurgiu“ wieder (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/55/Ro-Giurgiu.ogg).

Einordnung
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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946