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[OBF-421030-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 30. Oktober 1942

Herzelein! Geliebte! Meine liebe, liebste [Hilde]!

So viellieb kommst Du heute zu mir, geliebtes Herz! Vom Montag ist’s der Bote, der zweite schon mit der neuen Nummer (von S. wurde noch immer keiner nachgeschickt! Ich werde gelegentlich mal anrufen). So froh ist mein Schätzelein – ohne das Mannerli – ach nein, gerade mit dem Mannerli im Herzen – und will mich mit froh wissen. Oh Du, geliebtes Herz! Ich bin es doch schon – Du kannst mich doch sooo froh machen. Ich ging vorhin allein heim aus dem Dienst und ertappte mich dabei, daß ich so hurtig ging und sagte zu mir: warum denn so eilig? – und dann merkte ich erst, daß das Frohsein und die Ungeduld, bald wieder bei Dir zu sein, meinen Schritt so beflügelten.

Ach Herzlein! Geliebte Du! Ich möcht doch am liebsten gar nichts erzählen, möcht Dir meine Liebe zeigen, mein Glück, das Du nährst mit Deiner Liebe! [Hilde]! Meine liebe, liebste [Hilde], Du!!!!! !!!!! !!! Der schöne Herbsttag, der Spaziergang, das schöne Plätzchen haben Dich so still und froh gestimmt. Oh Geliebte – ich kenne dieses Erlebnis der schönen Gotteswelt, ich kenne ihren Trost und die dankbare demütige Ergriffenheit, die sie in uns auslöst.

Ich kenne auch das Plätzchen, diesen Hügel. An einem Tage zog es auch mich da hinauf. Und das Schreiten unter dem Himmelsgewölbe, das königliche freie und doch demütige Schreiten des Landmannes, ich erlebte es so recht in Ammersdorf. Es ist ein ganz besonderes Erlebnis, so ab von der gezogenen, begrenzten Bahn, ab von der Allee, dem gebahnten Weg unter dem blanken Himmel zu schreiten. Dann fühlt man Himmel und Erde, und das Eingespanntsein zwischen beiden – ja, zwischen Himmel und Erde steht der Mensch. Oh – so groß und mächtig ist dann der große Himmelsdom, wo keine Häuserschächte, keine Masten und Schlote ihn verbauen und verkleinern – und ein hochmütiger Mensch müßte diese Hoheit und Größe wohl bedrückend fühlen. Der gläubige Mensc[h] aber erkennt es froh, wunderfroh: viel größer und mächtiger ist der Himmel als die Erde – wie die Himmelsmächte sieghaft über denen der Erde stehen – wie Gottes Liebe und Güte hoch über aller Menschenschuld und allem Erdenhaß steht.

Oh Geliebte! Geliebte!!

Welch hohe, hehre Sprache spricht die Gotteswelt, welch beredte Predigt, für den, der sie hören lernte – ach Geliebte, welch liebste Gesellschaft war sie mir Einsamem [sic] und nichts Schöneres, nichts Lieberes, als mit Dir diese liebste Gesellschaft zu suchen, diese Predigt zu hören, diese Hoheit und Schönheit aufzunehmen!

Oh Herzlieb! Ich folgte Deinem guten Rat schon, und folgte ihm noch besser, wenn mehr Zeit bliebe. Ab 1. November liegen unsre Dienststunden von 8 - 12,30 Uhr und von 14,30 - 18 Uhr. Dann ist es finster, wenn ich heimgehe. Gerade heute wurde es auch etwas später. Ist das unangenehm, so im Finstern heimzustolpern durch das Gewirre des Verkehrs! Dabei muß man sich hier in acht nehmen, weil die Beleuchtung der Fahrzeuge nicht so gut verfolgt und beachtet wird wie daheim. Ich werd mir müssen einen Mittagspaziergang angewöhnen.

Erzählst mir nun so lieb von Eurem Kirmesdrasch. Ich kann mir gar nicht recht vorstellen, auf welchen Wegen ein Gastwirt, in diesem Falle nun die Großmutter, zu solchem Schmausen alles herzuschaffen [sic] kann. Das muß doch eine Mühe und Lauferei machen – und das Verrechnen Schwierigkeiten – Mühen, die zu dem Verdienst vielleicht gar in keinem Verhältnis stehen. Ein guter Gastwirt muß seinen Kram schon auch verstehen. Ja, wenn ich nun um die Kirmes dagewesen wäre, hätte ich wohl oder übel auch mitmüssen – wär wohl kaum noch Platz gewesen in der Küche. Die Großmutter wird sich die tüchtigen Helfer merken. Findet mit der Fermate – die Fermate verlängert um das Doppelte – ich werd aus ihr nicht klug und würde bei ihr auch nicht warm.

Ach, wieviel Sorten Weiberl gibt es auch – jeder ist anders, anders närrisch — so wie die Mannerli – und ich mag nur das Eine Weiberl, das Eine, das Einzige – oh Du! Du!!! Aus Tausenden, aus Millionen find ich es heraus in seiner Eigenheit, in seiner Eigenheit, die ich sooo lieb gewann! – in seiner Liebe, in der köstlichsten, reichsten – oh Herzelein! Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ich hab Dich so ganz in mein Herz geschlossen – sooo ganz – Herzelein, so kannst Du keines anderen Menschen Eigen werden wie mir, so keines anderen ganzes Lebensglück!

Oh Du! Du!!! Ich liebe Dich so sehr!!!

Beweist mir, daß ich mein Weiberl immer nur faul sah – hast auch noch kein fleißiges Mannerli gesehen, gelt?

Ach Du! So oft wir umeinan[der] waren, war doch Festtag, Festtag in seiner Gedrängtheit, seiner Vergänglichkeit auch – Alltag erlebten wir doch noch gar nicht miteinander. Oh Du! Ich freu mich, ich freu mich auf ihn. Und keiner wird ohne ein festliches Licht sein, ohne den Glanz vom Festtag her oder auf ihn hin – oh Herzelein, keiner ohne Liebe – und wir werden nicht an den Abschied denken müssen – wir werden sooo lange miteinander aushalten müssen – immer nur mein Herzensschatz um mich her (wie doch jetzt schon) – oh Du! ich fürchte mich nicht – ich freu mich, freu mich nur! Gebe Gott, daß diese glückliche Zeit uns in Erfüllung gehe!

Gestern habe ich Herrn Oberlehrer K. geschrieben – endlich wieder einmal – ich fühlte mich richtig von einer Schuld befreit – sie werden sich freuen. Ich legte auch ein Bild von uns beiden bei.

Nun kommen die Zeugen unsrer Glückstage zu mir – ach Geliebte – Du! Du!!! Es war zu schön – zu tief das Erlebnis – auch ach, mein Wollen und Drängen zu Dir, mein Heim verlangen zu mächtig – oh Du! Du!!! Oh, daß man diese Tage, diese Stunden in Wirklichkeit so festhalten könnte wie im Bilde! Oh Geliebte! Wie wird alle Sehnsucht wieder laut, bei Dir, um Dich zu sein, in Deiner Liebe zu gehen – mit Dir zu leben, zu leben! Es war zu schön – und der Abschied war mir so schwer – oh Du! Du!!! Geliebte!!!!! !!!!! !!!

Ich freue mich doch über die Bilder; reizvoll doch die Innenaufnahmen – die Lichtflut in der Kamenzer Stube — die liebe Ecke aus dem geliebte Oberfrohnaer Stübel – ach Herzelein! Geliebte mein!

Wo mögen nur die anderen beiden Filme geblieben sein? Vielleicht liegen sie noch in Kamenz. Sie werden sich schon finden. Auf dem einen müssen noch Bilder aus S. [sic] sein.

Herzelein! Genug nun für heute. Meine Hand wird müde. Meine Liebe zu Dir wird es nimmer – Du weißt es – oh Du! Du!!! Ich bin bei Dir – und Du bist bei mir – wohnst in meinem Herzen – oh Herzelein, mein liebster, köstlichster Schatz – immer gegenwärtig, Glück und Kraft und Freude spendend – oh Du! Meine Herzenssonne – mein Ein und Alles! Behüt Dich Gott! Bleib mir froh und gesund! Ach, sei meiner Liebe ganz inne! Ich bin ganz Dein! Dein!!!

Dein glückliches Mannerli,

Dein [Roland].

Viel liebe Grüße den Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946