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[OBF-421107-002-01]
Briefkorpus

20.)

Sonnabend, am 7. November 1942.

Herzensschätzelein! Mein allerliebstes gutes Mannerli! Mein [Roland]!

 

Guten Morgen! Du!! Bist doch schon über Deine Arbeit gebeugt, es ist 15 Minuten nach 8 Uhr, kann mir doch nur schnell einen Blick haschen, oder ein Küßchen dazu? Ach Du! Wenns [sic] niemand sieht, dann schon! Gelt? Herzelein! Heute will nach vielem Regen die Sonne uns erfreuen, das ist schön und tut dem Gemüt viel wohler als das Trübe. Die Mutsch schläft noch, denke nur an! Sie hat den Anschluß verpaßt und nun ist ihre Tochter [Hilde] alleine ausgestiegen und hat schon Feuer gemacht, gelüftet, aufgeräumt. Eben jetzt ißt sie schon den zweiten Apfel, weil sie so Hunger hat und mit dem Frühstück auf Mutsch warten will. Und noch ein viel maßgebenderer Grund läßt sie geizen mit dem Viertelstündchen Kaffeepause: jetzt noch bin ich allein mit Dir Schätzeli! Ach, Du weißt, wie schön es ist, unbeobachtet sich ins Gedenken ans Liebste zu verlieren. Und wenn noch so vertraute Menschen um uns sind – allein ists' [sic] doch am schönsten! Und darum umschlinge ich Dich jetzt gleich ganz fest und lieb und küsse Dich herzinnig! Du!!! Mein herzallerliebster Bub! Mein geliebtes, herziges Mannerli! Ach Du! Wie liebe ich Dich. Wie sooo sehr lieb ich Dich, mein Herzgeliebter! Hast mich ja gestern so hoch erfreut mit Deinem soo lieben langen Sonntagsboten! Ach Geliebter! Du hast alle Sehnsucht aufgeweckt. Wie liebst Du mich! Wie lieb ich dich! O seliges Einssein!!! Nun hast Du endlich die säumigen Boten erhalten, ich freue mich mit Dir. Daß ich Dir Glück bringen konnte damit, Schätzeli! Ach - ich mag und will Dir doch immer nur Glück bringen mein ganzes Lebenlang [sic]! Und Du wirst es auch erkennen, wenn die Worte einmal ihren Dienst versagen, oder wenn sich ein Wölkchen vor die Sonne unsres Glückes schiebt, nichts als lauter Liebe treibt mich zu Dir! Ja, Geliebter! Liebe, nichts als tiefe, wundersame Liebe webt zwischen uns. Und sie lebt! Sie ist hellwach! Ach Geliebter!

In so viel Liebe gehen und dazu im Schutze des Höchsten sich wissen, Herz, was brauchst du noch mehr? Erfüllung ist nun das Leben, wenn es uns auch manchmal so scheint, als seien unsre Kräfte noch gebunden, nicht voll einsatzfähig für unser eigenes Glück, durch die Trennung. Gott ist so weise und gütig – ach, zutiefst spüren wir auch etwas von seinem Plan in uns, denn so hätten wir wohl niemals die Liebe empfunden und erlebt, wie eben durch unser Getrenntsein. Tausendmal kostbarer und teurer sind uns alle Regungen unsrer Liebe, als wenn wir sie in stetem Beieinander erlebt hätten. Unser innerer Mensch hat sich so fest, so entschieden geprägt, daß keine Macht der Erde ihn je umformt. Und so entschieden ist auch unsre Haltung nach außen hin geworden. Wie viel sicherer und unbeirrter gehen wie unseren Weg mit solchem Reichtum im Herzen, mit dem köstlichen Wissen um ein unendlich großes Herzensglück! Oh mein Geliebter! Herz ruht in Herzen, Seele findet zu Seele, und unsere Körper sind in innigem Umfangen dann doch Zeichen nur solchen viel tieferen, seligeren Umfangens und Ineinanderruhens. Oh Geliebter! Unser ist soviel Seligkeit! Unser beider ureigenster Besitz! Nur Du und ich wissen darum. Herrgott! Oh stärke unser Herz, daß es nicht bricht an soviel Glück! Halte uns demütig in solchem Glück und stärke uns im Glauben. Erhalte uns bei Gesundheit und führe uns dem Leben zu! Dem Leben, dem heißersehnten, das wir dir weihen wollen. O mache uns stark, in Treue auszuharren wie bisher. Behüte mir mein Liebstes vor aller Gefahr und Not. Sei ihm Licht und Trost in einsamen Stunden! Oh sei uns gnädig! Amen.

Ach Geliebter! Ich bin so bewegt, so sehr froh durch Dich, Deine Liebe, durch unser Glück! Wenn man so reich und glücklich ist im Herzen, dann kann man doch garnicht anders, als froh durch dieses Leben gehen. Die kleinen nebensächlichen Alltagssorgen verblassen doch neben so viel Helligkeit und Sonne. Wir müssen nur immer ganz aufgeschlossen sein für alle freundlichen und G guten Dinge, die uns der Alltag bringt. Und bereitet er uns doch auch mal Sorgen und Kummer, dann haben wir doch soviel Kraft, durch unsere Herzensfröhlichkeit ihnen recht zu begegnen, sie nicht Macht gewinnen zu lassen über uns. Ach Du! Um wieviel tausendmal schöner wird das Leben erst sein, [w]enn wir es in unmittelbarer Nähe miteinander leben dürfen! Du!!! Ich freue mich! Ich freue mich! Mein [Roland]! Mit Dir leben! Oh Du!

Schätzelein! Ich will Dir nun erzählen, was ich erlebte gestern. Am Nachmittag gegen 5 [Uhr] waren wir fertig mit Reinemachen, dann schrieb ich an die lieben Eltern noch einen langen Brief – hatte 2 zu beantworten! – darnach Abendbrot und ein besinnliches halbes Stündchen. Es war so gemütlich daheim, daß wir eigentlich lieber vorgezogen hätten, daheim zu bleiben, statt in Regen, Sturm und Finsternis hinauszulaufen zum Vortrag in der Hindenburgschule. Aber mich verlangte nun danach, weil ich davon wußte. Und Mutsch begleitete mich. Ein vollbesetzter Raum empfing uns, die mir schon halbwegs bekannten Gesichter der "Limbacher Kulturwelt". Ziemlich weit vorn bekamen wir noch ein Plätzel, das ist bei Filmvorführungen ungünstig, jedoch für Mutters Gehör günstig, da der Vortragende dazu spricht.

Und dann gings [sic] los. Ein stattlicher Mann trat vor uns hin, etwa 48–50 Jahre alt. Braungebrannt, lebhaft und doch gemessen in seinen Bewegungen der geborene Vortragende. Er führte uns nun in einer kurzen Schilderung durch die Gebiete seiner Reiseziele. Mir schien das Ganze, wenn man den Leitfaden beobachtete, ein wenig zu propagandistisch, zu politisch aufgezogen; sowas stört mich, das gehört woanders hin. Mag sein, daß er ein Propagandareisender ist von der Partei aus. Ich kenne ihn nicht, nicht seinen Beruf. Dr. Walter Linden, Leipzig. Kurzum, seine Schilderungen über Land und Leute auf dem Balkan waren aber vorzüglich. Er berührte alles das, was uns wichtig scheinen muß als Deutsche, da wir als Verbündete und Förderer ihrer Kultur und Wirtschaft ihnen näher kommen werden, zumal nach dem Kriege. Das ist ein großes, einleuchtendes Programm, was da vorschwebt.

Rassenkundliche Schilderungen machten uns das Völkergemisch noch anschaulicher. Vornehmlich die Wandlungen die die Menschen nebst Ländereien im Laufe der Zeit durchmachten. Romanisch slawischer [sic] Einschlag ist der Rumäne. Durch die jahrhundertelange türkische Unterdrückungsherrschaft sind die Balkanstaaten weit zurückgeworfen worden in Wirtschaft und Kultur. Und das zu bessern hat die neue, junge Bewegung die in Europa nun herrscht, vor. Rumänien stand im Vordergrund seines Vortrages eigentlich, und ich weiß nun über vieles so recht gut Bescheid, daß es mir eine Freude sein wird, Deine künftigen Erlebnisse nun ergänzend in mein Bild, das ich mir mache, einzufügen. Ich kann Dir unmöglich alles wiedererzählen, obwohl ich schon möchte, weil ich begeistert war von dem allen, was ich erfuhr. Das dauert aber zu lang, 3 Stunden hat er geredet und wir hätten mögen noch zuhören. Ich muß sagen, er hatte eine sehr gute Art zu sprechen: angenehme Ausdrucksweise und verstand es, uns alle mitzureiß[en]. Von der rumänischen Freiheitsbewegung sprach er oft: die "Eiserne Garde", Du wirst wohl auch davon hören. Deren Begründer Cordrean hieß, oder ähnlich. Marschall Antonescu ist der Führende in der Politik, gelt? Neben dem König Michael. Und diese herrlichen Aufnahmen! Von Bukarest, die eine kannte ich ja schon! von der ländlichen Gegend also wunderschön! Wenn Du nur auch bissel umherstreifen könntest! Unschön wirkt nur der amerikanische Stil der Hochhäuser neben deutsch anmutenden Gebäuden. Das bekannte schöne Bild von der Brücke in Belgrad aus Zusammenfluß der Save und Donau sah ich auch wieder, aber so herrlich! Noch größer im Ausschnitt als auf unsrer Ansichtskarte. Ich ging so angeregt mit Mutsch heim und wir schlugen gleich nochmal auf Deiner Karte nach über den Südosten. Du hättest müssen dabei sein! Heute wird eine Kritik in der Zeitung stehen, die schicke ich Dir mit, Liebster. Du hast Du nicht gefühlt, wie nahe ich Dir war gestern Abend? Soo nahe! Ach Schätzeli; wenn der Mann wieder hinreist mag er mich, statt seiner Frau doch mitnehmen, gelt?!! Zu Dir!!!!! Nun will ich Deine liebe Hand lassen, bald komme ich wieder zu Dir, Goldherzelein! Du! Ich hab Dich ja sooo lieb! Bin allezeit [sic] Deine glückliche [Hilde], ganz Dein!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946