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[OBF-421109-002-02]
Briefkorpus

Montag, am 9. November 1942. Am Abend.

Geliebter! [Roland]! Mein [Roland]!

Bei Dir bin ich mit all meinen Gedanken. Zu Dir eilt all meine Sehnsucht. Ich kann sie nicht in mein Herz verschließen, sie durchbricht den höchsten Damm, die verschlossenste Tür. Geliebter! Ich muß dich ewig suchen. Mein Lebenlang. Ich weiß es. So wie heute, so war es immer schon seit ich Dich kenne – einmal leiser, einmal drängender – Du! Geruht hat mein Herze aber seither noch nie, noch nie! Und ich weiß es ganz gewiß, daß mein Leben ausgefüllt ist von einer ewigen Sehnsucht nach Dir. Du meine Geschwisterseele! Mein Herz! Mein Einziggeliebter! Ach Du! In Gedanken halte ich Deine lieben Hände, halte sie ganz fest.

Und lehn mich ganz dicht an Dich, daß ich die Wärme und die Geborgenheit Deines Körpers fühle. Oh Du! Dann bin ich so glücklich, so froh. Dann bin ich Dir noch viel näher, als ich es jetzt in Gedanken sein kann. Mein Herzlieb! Daß Du mich zur Deinen erwähltest! Daß ich die Eine sein darf! Die Deine! Daß ich Dich beglücken kann! Oh Du!!! Ich bin so erfüllt von solchem Glück! Du! Dein Herz möchte ich jetzt schauen, ob es wohl auch so bis ganz an den Rand gefüllt ist vom Glück seligsten Liebumfangens! Oh Du! Hast Du mich so sehr, so brennend sehr lieb, wie ich Dich? Ach ja, ja! Geliebter! Du sagst mirs [sic] ja vieltausendmal! Rufst es mir täglich zu in Deinem geliebten Boten! Bekennst es mir durch alles Liebgedenken! Und raunst es mir heimlich ins Ohr, wenn ich träumend über einer Arbeit sitze und mit Dir glückliche, stumme Zwiesprache halte! Der Sturmwind ruft’s mir zu, die Sonnenstrahlen künden’s mir! Und die Sterne nicken mir strahlend Gewißheit Deiner Liebe! Ach, all die Dinge dieser Erde, die himmlischen Gewalten, sie sind erfüllt wie ich von der jubelnden Gewißheit: Du liebst mich!!! Herzelein! Ich möchte die Zeilen küssen, die Du mir zugesandt, Du! Du!!! Glückstränen, Freudentränen weinte ich heute, Du liebst mich so sehr.

Geliebter! Mein Geliebter! Daß ich Dir meinen Dank bringen könnte! Ach. [H]ilflos sitze ich vor dem weißen Bogen. Versuchen will ich, Dir meinen Dank zu sagen. Ich muß Dir ja mein Glück künden. Ach, der Tag war so voller Glücksgedanken. Ich fürchte mich vor der Nacht, oder ersehne ich sie? Dann bin ich ja allein, ganz allein mit Dir und meinem Glück. Wenn Du heute bei mir sein könntest, mein [Roland]! Ich glaube, Du müßtest verbrennen in meiner Liebe. Was ist es nur, das mich so unruhig und so voll Verlangen macht? Oh Du! Du denkst an mich! Du bist mir nah, Du liebst mich. Und ich spüre alle Deine Herzensregungen, Geliebter! Ach, es ist so wonnevoll, [de]ine Nähe so deutlich zu fühlen! Ach, Geliebter! Soviel Liebe wogt hin und her. Und überwindet die Ferne spielend. Kann man denn traurig sein? Oh Du! Im Herzensgrunde ist doch nur helle Freude und Seligkeit. Auch bei Dir?! Du! Ach könnte ich es nur einmal mit dem Blick umfangen, Dein geliebtes Bild! Wie verlangt mich danach! Dein stummes Bild steht vor mir. Ich liebe es, mein [Roland]! Es ist mein einziger Trost, wenn wie heute, meine Sehnsucht so inbrünstig nach Dir drängt. Aber es ist so stumm. So stumm!

Ich kenne Dich doch ganz anders, Geliebter! Ach, alle Regungen fast nun, in Deinem geliebten Antlitz. Ob glückliche, selige, schmerzliche, alle alle gehören nun mir und spiegeln sich mir ohne Scheu. Du bist ganz mein. An all das muß ich jetzt so sehnsuchtsvoll denken. Du! Du!!

Du! Noch viel tiefer will ich Dich in mich aufnehmen beim nächsten Wiedersehen – noch viel tiefer! Geliebter! Oh mein [Roland]! Geliebter! Aber die Sehnsucht wird auch dann nicht gestillt sein. Du mußt erst ganz, für immer in meinen Armen sein. Du mein Geliebter!

Ach, wann erscheint die goldne Zeit, die uns vereint in Ewigkeit? Mein süßes Leben, ach wärst Du hier, wie ging ich bebend zur Seite Dir! Geliebter, diese Worte erklangen in einer zarten sehnsüchtigen Melodie heute Nachmittag an mein Ohr, mitten in mein Sehnen hinein. Ich war so erschrocken, freudig erschrocken; saß beim Strümpfestopfen bis um ½ 6 Uhr und Mutsch besserte noch Wäsche aus und legte sie für die Mangel. Ich hatte um 400 [Uhr] das Radio angeschaltet, um diese Zeit gibt es meist gute Musik. Von Schubert, Brahms folgten auch noch Lieder, es war so schön zu lauschen. Und jetzt, Herzelein, erklingen die schönen Melodien aus "Lohengrin". Von Glück und Einssein singen sie. All überall ist die Liebe die große Zauberin, die Himmelsmacht; alle schlägt sie in ihren Bann. Und mich und Dich wohl am meisten, mein Geliebter! Ach, daß wir beide wie Kinder noch, gläubig, wunderselig Hand in Hand durchs Land der Liebe gehen können! Das ist mir immer wieder wie ein kostbares Geschenk, daß wir uns die Liebe in aller Wundertiefe und Reinheit bewahrten.

Und dies konnte nur sein, weil wir gläubig, vertrauensvoll und rein zueinander traten und uns zusammenschlossen vor Gott und Menschen. Mein [Roland]! Mein Herzallerliebster! Wir ertragen die Zeit der Trennung nicht leicht. Aber wir zerbrechen nicht an ihr. Nur eindringlicher und mächtiger regt sich die Sprache der Liebe in uns. Wie vermeinen den tiefen Sinn unseres Schicksals vorauszuahnen, wir beugen uns Gottes Spruch.

Loslassen, verlieren können wir uns nie und nimmermehr. Zu tief und innig ist Wesen in Wesen verwurzelt, innig verschlungen und verkettet. Wo Du bist, da muß ich auch sein. Ich folge Dir nach, wohin Dein Fuß geht. Geliebter! Eines steht unumstößlich fest: Du gehst nie mehr allein in dieser Welt. Ich folge Dir, Dein getreuer Schatten. Ich bin Dein Weib! Du!!! Dein bester Kamerad. Dir bin ich ans Herz gegeben. Ich kann nicht mehr sein ohne Dich, mein [Roland]! Immer fester, immer gewisser erkenne ich [d]as, wie ich Dir gehöre so ganz. Mit Herz und Hand, mit Leib und Seele.

O gebe der Herrgott seinen Segen, soviel tiefe, echte Herzensliebe wohnt in uns, sie kann nicht umsonst blühen ein Lebenlang! Sie muß ja ihren Sinn haben im Ewigen. Sie muß Erfüllung finden im Leben! Nein, Gott kann uns nicht umsonst zusammengeführt haben!

Wir streben zueinander hin wie die Pflanzen nach dem Licht, der Sonne. Und sind so voll heiligem Willen und Drange, dieses Leben zu beginnen in seliger Zweieinsamkeit [sic]. Oh Herrgott, stehe uns bei! Amen.

Mein [Roland]! Du bist so froh. Beglückt sehe ich das zwischen Deinen Zeilen leuchten, dieses innere Frohsein, heute. Es geht Dir gut.

Wir müssen ganz dankbar sein. Ist es nicht wie ein Wunder, wie Gott Dich geleitet hat?! Wie dankbaren, leichten Herzens dürfen wir nun in die kommende Adventszeit gehen. Das Friedenslicht der Weihnacht wird doch in diesem Jahre schon einen frohen Schimmer in unsre Herzen senken. Ich weiß Dich in einem geschützten Heime, wenn auch fern der Heimat.

Ich werde zu Dir kommen und Du zu mir und wir werden nicht einsam sein. Und Du wirst die frohe Gottesbotschaft hören können auch so weit der Heimat entfernt. Und alle Sehnsucht, die aufsteht, die tragen wir einander entgegen auf schnellen Flügeln! Geliebter! Siehst Du schon jetzt, wie die Tage eilen? Wie die Zeit wie im Fluge vergeht? Immer schneller, schneller – unserm Wiedersehen entgegen! Geliebter!!! Unserm Wiedersehen entgegen! In heißem, inbrünstigem Gebet schließen sich meine Hände des Abends: schenk uns einander wieder, Gott im Himmel! Du! Ich liebe Dich so von ganzem Herzen, mein [Roland]!

Und ich harre getreulich Deiner Heimkehr. Wenn Jahre vergehen! Ich harre Dein in alle Zeit! Ich halte Dir die Heimat offen –

mein ganzes Herz! Du!! Du!!! Ich bin Dein in Ewigkeit!!!

Und Du bist mein! Mein Einziggeliebter! Du bist der Quell in jeder Tiefe meiner Seele. Mein [Roland]! Ich könnte laut aufweinen, so glücklich bin ich. Gute Nacht, mein Geliebter! Eine innige Musik klingt her zu mir, sie kommt mir wie von Dir, von daher, wo Du bist. Du kommst zu mir – Du bleibst bei mir – ich bin Dein.

Deine [Hilde]. Deine glückliche [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946