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[OBF-421205-001-02]
Briefkorpus

Sonnabend, den 5. Dezember 1942

Herzensschätzelein! Geliebte! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Zuerst muß ich doch zu Dir kommen, geliebtes Herz, mit der frohen Kunde, mit der Freudenbotschaft, die heute zu mir kam, Du hast sie schon lange in Händen. Ja, Geliebte, zuerst zu Dir. Ich habe mich so von Herzen gefreut und bin noch voller Freude – Geliebte! Und diese Freude geht doch auch uns an, Dich, mein liebes Weib, doch ganz besonders, und mich. Oh Herzelein! Welch schöne Freude wurde den beiden geschenkt, ein Adventskindlein. Ich freue mich so dankbar mit den beiden, Elfriede und Hellmuth. Oh Geliebte, das Schicksal hat sie gar hart angefaßt, ich glaube härter als uns. Hellmuth hatte schon ehedem manch unerfüllten Wunsch in seinem Beruf, in seinem Schaffen. Das Soldatsein kommt ihn bestimmt sauer an, und sein Posten ist nicht leicht. Und Elfriede steht da elternlos – Und nun wird ihnen das Kindlein ein rechter Gnadenschein, ein Geschenk von Gottes Güte, ein Lichtblick im Dunkel unsrer Zeit.

Oh Geliebte! Des müssen wir uns alle mitfreuen. Herzlieb! Herzelein. Herzensweibel! was wird erst für Freude sein, wenn uns solches widerfährt! Oh Schätzelein! Herzelein! Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Dieselbe Güte Gottes, von der wir es erwarten. Herzelein! Wir erwarten es doch! Ist doch kein Zufallskindlein, kein Ärgernis, kein Hindernis! Es wird erwartet! Es ist willkommen! Es ist ihm schon ein Platz bereitet in unseren Herzen! Oh Geliebte! Wieviel größer und dankbarer dann die Freude! – wieviel leuchtender das Wunder! Oh Du! Du!!! Ganz, ganz lieb wollten wir es doch aufnehmen.

Ein Bub ist’s geworden. Siehst, jetzt muß ich aber erst mal gratulieren zur Patentante. Ich neid ihm schon die drei (!) liebe Patentanten. Ein Bub – falsch gedacht hat mein Weiberl, falsch geguckt – ein Bub mitten in die ganze Mädelwirtschaft der H.schen Familie – ich glaub, da hat der [Nordhoff] den Ton angegeben. Wie wird es denn bei uns mal sein? – Ich mag weder mit raten noch wetten.

Ach Du! Du!!! Wie freu ich mich mit – und wie muß ich so lieb, sooo lieb Dein denken, oh Du! Geliebte, Geliebte!!! mit Dir, mit Dir will ich die gleiche Freude erleben, so Gott es will!!!!! Sind doch schon 4 oder 5 Jahre verheiratet – haben fein Geduld haben müssen, obschon sie so lange beisammen waren. Ach Schätzelein! Herzelein! Kannst Du Dich ganz sehr mitfreuen? Bist Du auch gar nicht traurig? Ach Du! Sei es nicht! Du hast doch noch gar nichts versäumt – was sollte das Mannerli sagen. Ach Du! Du!!! Ich weiß doch, daß Du Dich mitfreust! Und weiß, daß Dich Deine Freude ebenso zu mir führen wird, Geliebte! wie mich meine Freude ganz nahe zu Dir führt. Ich liebe Dich! Ich liebe Dich so sehr! Geliebtes Weib!!!!! Wir sind doch eben noch nicht dran – Du! Und wenn ich werd wieder bei Dir sein – müssen wir wieder einmal zum Brünnlein gehen – oh Geliebte, Geliebte – und wollten es doch wieder und wieder – oh Herzelein! Geliebte!!! Ich glaube doch, daß Gott uns Kindlein schenkt – Du!!! Und ich glaube doch, daß unsrer Liebe Glut so groß ist, das sie uns zu Einem vermählt – geliebtes Weib!

Und nun ist er bei mir, den ich erwartete, auf den ich mich freute, Dein lieber Bote. Ein schöner, heller Tag war heute – und ich dehnte meinen Spaziergang nach dem Essen ein wenig länger aus, durchs Ausstellungsgelände, ging dann entlang an einem See, kam in ein Neubauviertel der reichen Bukarester. Ich war in Gedanken ganz daheim, bei meinem Herzlieb zuallermeist und zuallerliebst! Aber hier in diesem Viertel lenkte der Bauwille eines Architekten seine Aufmerksamkeit auf sich. Das hätte ich gern einmal mit Dir sehen wollen: Reiche Villen in einem ganz eigenen Stil, in Einzelheiten von einfallsreicher Mannigfaltigkeit. Hier ist etwas wie ein eigner rumänischer Stil versucht. Du kennst doch die Villen, die der Limbacher Architekt Möckel baute. Anders sind diese hier. Halbsteil die Dächer; das Haus reich gegliedert durch Vorsprünge, Anbauten, Türmchen, oft ist ein Säulengang angedeutet; laubenartige Balkone, die Fenster ziemlich klein, geben dem Haus etwas Steinernes, viele Fenster sind durch kunstschmiedene Gitter verziert, auch sonst am Haus viel Kunstschmiedearbeit am Tor, an Ampeln; die Fenster in mannigfacher Form, auch spitzbogige Zierfenster. Ich muß einmal die typischsten photographieren. Auf meinem Rückwege bin ich zur Dienststelle gegangen, wollte auf Deinen lieben Boten warten und bis dahin mit meinem schreibenden Gedenken beginnen.

Und nun bist Du doch wieder bei mir! Oh Geliebte! Geliebte! Mit all Deiner Liebe! Wie hast Du mich sooo lieb! Du! Du!!! Mein Alles! Mit Dir bin ich doch so glücklich, sooo glücklich, Du!!!

Hast am Adventssonntag noch einmal sooo lieb mein gedacht! Du! Du!! Wie beglückst Du mich damit! Geliebte! Meine [Hilde]!!! Wir müssen einander doch zuliebe leben, müssen einander alles zuliebe tun! Liebe nur kann unser Handeln bestimmen! Oh Herzelein! So müssen wir beide es einander bekennen und leben. Oh Geliebte! Ich lasse Dich nun und nimmermehr! Ich halte Dich sooo fest! Ach Geliebte! Und was fühlte ich glücklicher, als daß Du meine Hand ergreifst – als daß Du Dich sooo ganz fest Dich mir anschließt in Freud und Leid, zu allen Stunden! Oh Herzelein! Ganz ganz lieb will ich Dich immer verstehen – und ganz glücklich sollst Du Dich immer verstanden fühlen. Oh Herzelein! Dir am nächsten will ich immer sein – und meine Liebe wird nicht nachlassen, diesen Platz des Vertrauten Deines Herzens zu behaupten! Oh sag, wie denkst Du denn, daß ich je Dich lassen und nicht festhalten könnte? Du! Du!!! Ich muß Dich lieben – lieb[e]n! – innig, von ganzem Herzen – und treu, so treu – mein Lebenlang [sic] – Dich allein! Dich ganz allein! Du! Du!!!!! !!!!! !!!

Und da ist der liebe lange Montagbote. Sei von Herzen recht bedankt, Geliebte! Hast nun auf meinen Möbelbrief so gewartet, und gerade der blieb aus. Ach, das ist doch weiter kein Fehler gewesen. Es steht nichts drin, was Dich unruhig machen könnte, Herzelein! Hast doch lieb alles bedacht, wie ich mir’s dachte – und ich werd mich schon mitfreuen können. Und lieb, ganz lieb hast Du es gemeint, hast nur an unser Glück gedacht, an unser Nest, an Dein Mannerli, ihm eine rechte Freude zu bereiten – das weiß ich doch – Du! Du!!! Und wie Du mich darin recht verstehst, wenn ich sage, daß mir all diese Dinge am Rande liegen vor dem Glück unsrer Liebe – so verstehe ich doch auch, wenn Du Dich um die Dinge sorgst, die unser Leben und Heim dereinst zieren und schmücken sollen – das sind doch die Dinge, die Dir in Deiner Pflicht täglich begegnen, denen täglich Deine Sorge gilt. Und Du weißt: es liegt mir ganz ferne, sie zu verkleinern – ach Du, Geliebte! Und ich will Dir auch nicht die Freude und Hoffnung nehmen, die in solchem Sorgen und Schaffen liegt – und ich fühle Dir so gut nach Deine Ungeduld, endlich im eignen Heim, ganz für Dein Mannerli schaffen zu können. Aber wenn Du es nun könntest, dann wollte ich Dir doch nicht nachstehen – Du!!!

Und nun ist doch Dein lieber Bote wieder ein Möbelbote. Endlich sind sie nun unter Dach und Fach. Ach, Schätzelein, daß ich mich dafür interessierte und mich darum mit sorgte, mag Dir doch Beweis genug sein, daß ich auch an diesen Dingen nicht vorübersehe. Ach, Du weißt viel mehr noch, wie ich gerade mich mitsorge darum, daß unser Heim einmal so recht unsere Statt [sic] werden soll, Ausdruck meines und Deines Wollens. Fein, daß die Möbel nun gekommen sind. Ach Du! Ich hätte mich doch mit Dir recht gefreut über unser Eigen, wenn es nun auch erst mal ein Dasein im Verborgenen führen muß. Wir können von Glück sprechen, in jeder Beziehung – daß wir noch etwas Gutes erlangten, etwas Echtes, Solides. Ich denke dabei auch an Deine Ausstattung sonst. Mußt mich gleich mal in unsre Möbelniederlage führen, wenn ich wieder bei Dir bin. Eines ärgert mich: daß der B. nun immer noch nicht alles beisammen hat. Sooft wir dort waren, haben wir nach Äschen [sic, siehe Abbildung], nach den Federeinlagen in die Betten gefragt – nach 3 Jahren liefert er, und noch immer hat er nicht alles beisammen – ich würde mich solcher Nachlässigkeit mächtig schämen. Es ist doch nur Nachlässigkeit.

Ja Herzelein! Dieser Einzug lenkt unsre Gedanken doch ins Zukünftige – ach, ins Land unsrer Liebe, Träume und Hoffnungen – Er läßt uns an unser Leben denken – unser gemeinsames Leben. Es bleibt uns nichts anderes, als diese Sorge Gottes sein zu lassen – und wem könnten wir sie getroster anbefehlen? Oh, daß wir täglich recht dankbar seiner Gnade uns erinnern und uns Kraft holen und Zuversicht aus den Geschenken Gottes, die uns in so reichem Maße wurden.

Mein Schätzel hat schon wieder Bahnhofsdienst? Mutter schreibt es. Wie geht denn das zu? Sieh, wo Du bleibst, Schätzelein und laß Dich nicht ausnützen und ausbeuten!

Nun will ich zu Bette gehen. Habe vorhin fein geduscht, um 9 Uhr nach unsrer Zeit. Ganz warm ist mir. Will nun den lieben, lieben Boten noch einmal sehen und dann hinüberträumen. Oh Herzlein! Schätzelein! Ich danke Dir für alle Liebe! Ich lebe von Deiner Liebe! Ich liebe Dich! Ich lebe Dir! Ich bin so ganz Dein! Behüte Dich Gott! Er segne unseren Bund.

Herzelein – Du! Du!!! Ich sehne mich nach Dir! Ich muß heute sooo lieb Dein denken! Oh Du! Du!!! Halt Du mich immer ganz fest – ich lasse Dich nimmer! In einiger Liebe und Treue

Dein [Roland]

 

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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