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[OBF-421211-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 10. Dez.1942

Herzallerliebste mein! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Oh, das Mannerli bekommt es aber diesmal deutlich. Kannst mich beim Schopfe nehmen heute. Schätzelein! Aber mußt es Dir dann auch gefallen lassen, daß ich Dich ganz lieb umfasse und zeige, wie lieb ich Dich habe. Ist doch heute tatsächlich der säumige Mittwochsbote gekommen – und ist sooooooo lieb zu mir gekommen, ach Du!. [sic] Er ist doch noch ganz frisch mit seinem Liebhaben. Oh Herzensschätzelein – doppelt froh machst Du mich damit. Ich hatte doch geglaubt, Du seiest über Deinem Drasch um die Reise nach Kamenz gar nicht mehr dazu gekommen, dem Mannerli zu schreiben; ich hätte es Dir doch auch gar nicht übel genommen – eine kleine Erklärung im folgenden Boten hätte mich doch ganz befriedigt. Nun hast Du doch aber mein gedacht – jeden Tag, hast mein auch über dem Drasch nicht vergessen – ach Du! Du!!! Daß ich es annahm, muß ich Dir abbitten. Der Bote ist aber auch zu lange aus gewesen. Und nun steht doch auch von dem Speck drin. Nun ist ja alles gut – nein, gut ist es erst ganz, wenn Du mich beim Schopfe genommen hast – Herzlieb mein! Mein liebes treues Weib!

Ja. – und noch ein ganz dicker Bote ist zu mir genommen – mit dem ganzen Mietvertrag! – von dieser Sorte kriege ich doch auch fast täglich einen in 'meinem Geschäft' – ich meine, so dick mit einem Mietvertrag – so lieb doch nimmer, Du!

Nun hat das Mannerli wieder mal einen schönen Plan durchkreuzt, den Plan zerdacht mit seinem ewigen Bedenken, hat auch kein bissel Phantasie, keine Freude am Schaffen und Handeln, keinen Mut dazu – sind wohl schon Alterserscheinungen – wirst Du so denken, Herzensschätzelein? Ach nein, Du! So wirst Du nicht denken von mir. Ja, ich habe wieder einmal viel bedacht aus der Ferne und vom Handel und Handeln abgeraten.

Aber Du weißt es, Geliebte!! Dieses Bedenken ist kein lustloses, liebloses Vorgehn, nicht etwa Freude am Quertreiben oder gar Mißgunst. Oh, Du weißt es: Mein Bedenken und Raten wird bestimmt von einem eisernen, zähen Willen, der wiederum genährt wird aus meiner Liebe zu Dir: Dich ganz festzuhalten! Unsre Freiheit, unser Recht zu wahren! Unser Glück, unseren Schatz zu hüten und zu behaupten. – Herzelein, wird einzig bestimmt aus dieser Herzensregung und diesem Willen. Oh Herzelein! Ich weiß um die Zähigkeit meines Willens, wenn sie mir auch nicht immer bewußt ist. Und einen Kurs steuere ich unbeirrt und zielbewußt und unnachgiebig: und zwei Marken sind, die mir die Richtung weisen: Gottes Wille – und unsre Liebe – Du! Du!!! Mein Herzlieb, mein Glück, das ich mir fest anvertraut fühle.

Ob ich denn fürchte um den Verlust unsres Glückes? – Oh Geliebte! Nein – daß wir es verlieren könnten, kann ich nicht mehr fürchten – denn ich halte es fest, solange noch ein Leben in mir ist – und Du hältst es ebenso fest. Aber wir wollen es doch nicht nur nicht verlieren, wir wollen doch auch weiter an ihm schmieden. Unsre Liebe ist wohl ein Gnadengeschenk und ein großes Glück – aber sie wäre es nicht, wenn wir nicht daran schmiedeten, wenn wir es nicht ganz uns zu eigen machten. Und wir wollen nichts versäumen, wollen die Jahre nicht ungenützt lassen. Wir wissen, daß wir erst recht einander leben können, wenn wir für immer umeinander sind, daß wir dann so vielfältig einander alle Liebe erweisen können. Und nur zu einem Teil können wir das jetzt wettmachen – das ist doch unser Kummer manchmal.

Aber wir erkennen es auch froh und dankbar, daß wir doch – glücklicher und reicher als viele, viele neben uns – täglich zueinander kommen können, daß wir miteinander zu leben noch Freiheit genug haben. Und diese Freiheit, Herzensschätzelein, die hae ich am festesten im Auge, die verteidige ich, solange ich kann, das weißt Du! Sie ist das wichtigste, was wir uns bewahren müssen. Und was an neuen Ereignissen an uns herantreten will, ich sehe es zuerst darauf an, ob es uns die Freiheit läßt, das kleine, bescheidene Teil von Freiheit und Eigentum, daß uns noch geblieben ist. Oh Herzelein!

Ein Wille, ein Trotz lebt in mir, diese Freiheit, dieses Eigentum gegen eine Welt zu behaupten, die alles gemein und allgemein machen will, die uns alles nehmen will unter allen möglichen Vorwänden und Mäntelchen, ein Trotz lebt in mir. Und wir haben nichts Kostbareres zu verlieren als dieses kleine bescheidene Teil an Freiheit – Geliebte, das sehe ich ganz klar und gerade – und es wäre kein Verlust schmerzlicher, als wenn wir nicht mehr so lieb aufeinander eingehen könnten, wie wir es jetzt noch können – es wäre kein Verlust schmerzlicher – und er kann jetzt durch keinen Gewinn ausgeglichen werden. So gern, von Herzen gern ich Dir dazu verhülfe, im eigenen Heim zu schaffen – ach Herzelein, was wollte ich Dir zuliebe nicht tun? – aber unsre Freiheit ist noch wichtiger – das gilt es klar zu erkennen. Oh Herzelein! Ich weiß, es ist in diesem meinem Willen Eigennutz – Eigennutz aber ist nunmehr Unsernutz [Wortspiel], seit Du die Meine bist — oh Geliebte, es ist der Wille zu unserem Glück, zu Dir! zu Dir!!! mit Dir zu leben – mit Dir zu leben!

Oh Herzelein! Deine Liebe, unser Glück und diese ernste Zeit hat haben mich zu einem unerbittlichen Steuermann gemacht. Oh Herzelein! Es fehlt mir wohl nicht an Mut. So, wie ich Dich liebe und mich sehne nach dem Leben mit Dir, gehört wohl viel Kraft und Mut dazu, der Tatsache einer langen Trennung, noch ins Auge zu sehen. Oh Herzelein, es gehört viel Kraft dazu vor all dem ringsum nicht die Augen zu verschließen und dennoch zuversichtlich vorauszuschauen. Und das kann ich nur im Gedanken an Dich, im Leben in Deiner Liebe. Und darum ist dieses Zusammenleben in Liebe unser bestes Teil – wird es immer sein – und ist es jetzt aber im besonderen. Das erkennst Du doch mit mir. Oh Herzelein! Ich habe nur noch einen Willen: mit Dir und zu Dir! Gegen Dich kann ich nicht wollen. Ich schaue immerzu aus nach unserem Weg und blicke unverwandt voraus und halte meinen Kurs. Und ich weiß: weil Du mich sooo liebhast, verstehst Du mich darin, in tiefem Verstehen – Du vertraust mir, Du vertraust Dich mir an. Och Geliebte! Des bin ich froh und glücklich bewußt. Daß Du ganz glücklich bist und bleibst – der Schatz unser [sic] Liebe – nur das habe ich im Auge!

Und Du hilfst mir dabei, Du hilfst mir unser Lebensschifflein steuern, hilfst mir unseren Schatz hüten, unsre Freiheit verteidigen – ach, Du willst mich doch nicht weniger festhalten! Oh Geliebte – das Glück, das aus Deinen Augen leuchtet, Deine liebe Hand, die Du dem Steuermann auf die Schulter legst – sie geben mir den rechten Mut, die Kraft zu treuem Ausharren, sie lassen alles große, reiche Glück wachwerden – oh Du! Du!!! Mein Alles!

Meine [Hilde]! Meine liebe [Hilde]!

Herzelein! Zu dem anderen will ich mich morgen äußern.

Schöne Tage sind jetzt bei uns. Klar der Himmel, gar nicht kalt die Luft. Es freut mich, wenn wir so gnädig in den Winter kommen. Der Mondschein stand fein am Abendhimmel heute. Und hell war der Abend, sonderbar hell. Und es trieb mich, noch ein Stück zu gehen und meine Gedanken zu Deinem lieben Boten zu bewegen.

Oh Geliebte! Glücklich u[nd] dankbar erkenne ich, daß ich Dich so von Herzen lieben muß – daß diese Liebe ganz mich beherrscht.

Herzelein, bis dahin schrieb ich gestern am Abend. Ich mag Dir doch abends gar nicht gerne Ade sagen – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Oh Herzensschätzelein – ich mußte Dir gestern sagen, daß ich doch in allem Raten und Bedenken unser Glück im Auge habe – daß ich bei allem Neuen sofort daran denke, ob mir denn dann die Sonne Deiner Liebe noch so strahlen kann – die Sonne Deiner Liebe – oh Geliebte, sie strahlt Dir ja zurück – ich brauche diese Sonne! – wir müssen mit einander leben! Sonst würde es trübe um uns. Oh Herzelein! Vertraue Deinem Steuermann auch fernerhin. Und sag mir immer, wenn Du einen neuen Weg siehst, einen besseren – sag mir all Deine Ahnungen, Deine Ungeduld – ich will sie lieb prüfen, ich will sagen, ob sie zu unserem Kurs passen.

Gott aber ist, der dieses Meer selbst in seiner Gewalt hat, auf dem wir steuern. Ihm müssen wir zu allererst und aller meist vertrauen. Im übrigen aber gehen wir Seit an Seite – oh Geliebte, wie so glücklich weiß und fühl ich Dich an meiner Seite! Mir ganz nahe, ganz nahe!!! Und ich lasse Dich nicht von meiner Seite – aus lauter Liebe! – und ich halte Dich so fest, sooo fest – aus lauter Liebe – und ich dränge mich zu Dir! aus Liebe – aus Liebe – Herzelein!!! Dränge mich zur Sonne Deiner Liebe! Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Mein Weg ist Dein Weg – Mein Wille ist der Wille zu Deinem Glück – die Liebe regiert ihn. Oh segne Gott sie beide, Weg und Willen! Er behüte Dich mir!

Oh Du! Du!!! Ich liebe Dich! Ich küsse Dich herzinnig!

In Deine Liebe so glücklich ergeben

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946