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[OBF-421211-002-02]
Briefkorpus

52.)

Freitagabend, am 11. Dezmber 1942.

Herzensschätzelein! Geliebtes, teures Herz! Mein lieber [Roland]!

Du!! Jetzt bin ich wieder bei Dir, mein Mannerli! ¾ 7 Uhr ist es. Und Du wirst auch schon Dein Abendbrot beendet haben, gelt? Bei uns gab es heute Abend Schokoladensuppe, bestehend aus: 1/2 Milch, ½ Wasser, Mehl u. einem Löffel Kakao, hm das ist was für uns Leckermäuler!! Der Kakao möchte garnie [sic] alle werden. Und dazu noch Kartoffelkäulchen, in Öl gebacken. Oh, nun sind wir aber nudedick [sic] gegessen, Du! Und ich sitze ganz gerade hinterm Papier, wie selten sonst.

Und ich spüre auch schon ein ganz klein wenig, daß es mir ergeht wie dem Mannerli: ein vollgestopftes Bäuchel macht müde! Aber ich will fein standhaft sein! Du!! Ich muß doch noch zu Dir kommen heute! Muß Dir doch sagen, wie lieb ich Dich habe. Wie sooo lieb!!! Ach, etwas anderes will ich ja heute garnicht mehr, Du! Will nun bei Dir sein bei Dir! Und Dich ganz, ganz liebhaben, mein [Roland]. Da sollen doch heute die 3 Außenminister reden im Rundfunk. Ach, ich mag garnichts hören von dem allen heute. Ich weiß vom Frieden sagen sie heute einmal noch nichts. Und wenn doch, ach – dann erfahre ich es auch morgen noch, gelt?

Mein Herzelein! Vorhin bin ich mit dem Bus heimgekommen gegen ½ 5 Uhr, holte bei Oma den Staubsauger und die Punktekarte für Vaters Hosenstoff. Ich bin hinunter gelaufen, das war aber schön. Wieder war Sonnenschein heute, der Himmel strahlte in einem abgeklärten Blau. Aber schon nach 4 Uhr senkt sich die Sonne im [Westen]. Und dann dunkelt es sehr schnell. So kam es auch, daß Mutsch und ich dann aufhören mußten mit reinemachen; denn im Wohnstübel wollen wir nicht erst verdunkeln. So machen wir halt morgen weiter. Wie werden schon auch noch fertig. Und morgen auch, wenn die Schmutzarbeit beendet ist, wird gebadet. Du! Lach nur nicht: mein Kämmerle ist fertig schon, das Bettlein ist wieder mal umgeräumt!! Und jetzt steht es ganz richtig, mein ich! Mit dem Gesicht schau ich nach Südosten, zu Dir!! Das Bettlein steht so, wie es zu Anfang stand, als Du zum ersten Male drin schliefst. Du!! Du!!! Herzelein, wenn ich im Kämmerlein sauber mache, dann steht doch immer die heimliche traute Zeit vor meinem Auge, da wir noch Liebesleute, Brautleute waren. Oh denkst zu noch daran, Herzelein?! Als ich ganz heimlich und leis [sic] ein wenig bei Dir mit ruhte. Oh wie glückselig standen wir da, ganz gebannt, vor dem Tor zur höchsten Seligkeit, zur letzten Traute. Weißt Du noch, Geliebter? Du! Und den Tag vergesse ich nie, es war der Sonnabend vor der Oberfrohner Kirmes im Jahre 1939, ach Schätzelein! Du!! Da haben wir einander doch zum allerersten Male ein wenig ganz liebgehabt!! Du!!! Immer muß ich wieder daran denken, Geliebter! Als zum ersten Male die Wogen des Glückes über uns zusammenschlugen. Und wir sind einander treu geblieben, trotz unsrer großen Liebe! Erst wollten wie eins sein vor Gott und den Lieben all, Du!! Ach, alles, das letzte [und] höchste, im Herzen hatten wir es uns doch längst geschenkt, unser tiefstes Vertrauen. Es war doch schon einst so, wie es nun heute mit dem Kindlein ist, was wir uns wünschen, im Herzen besitzen wie es doch schon unsrer Liebe letztes, höchstes, sichtbarstes Pfand. Du hast es mir geschenkt – ich werde es Dir hüten – mein [Roland], Du!!!

Ach Du! Ich muß Dich so von Herzen liebhaben, Geliebter!!! Ach ja Liebster, wir haben wieder in den Sachen gestöbert heute und geräumt. Haben das, was nun noch in der Wohnung rumsteht von mir und Dir, so versackt, wie es am zweckmäßigsten ist. Ich denke doch, daß wir nun mal für eine Weile fertig mit räumen sind! Ein Regal oder ein Schränkchen könnte ich dringend brauchen für meine Bücher und Schreibsachen. Ich will auch nochmal zum Tischler deshalb. Mal sehen, ob er mir etwas baut. Die Mutsch näht immer nochmal heute abend, sie hat immer was Neues. Der Papa liegt auf dem Sofa. Denke nur, er hat nun gestern von seinem Arzt endgültigen Bescheid bekommen und die Röntgenaufnahmen dazu. Er hat doch ein Magengeschwür. An der äußeren Magenwand. Noch nicht groß sei es, aber es müsse bekämpft werden. Und zwar durch Diätkost. Ja – Diät leben! Kunststück jetzt. Der Arzt hat ihm Milch und Nährmittel verschrieben. Vater hat den Antrag an die Ärztekammer geschickt, wir sind ja gespannt, ob es genehmigt wird. Er soll Suppen essen und Kartoffeln, leichte Speisen. Die Sonderzuteilung ist für 12 Wochen verordnet. Täglich ½ l Milch, wöchentlich 250 g Nährmittel. Das wird aber auf der laufenden Ration zurückgerechnet, weiß nicht, was dafür abgebrochen wird. Das sind freilich Sorgen für uns. Aber wir wollen alles tun, diese Sorgen bald wieder zu vertreiben. Mit Gottes Hilfe wird’s gelingen.

Vernünftigsein heißt es bei Vater. Wenn er nur das Rauchen mal einstellen würde. Der Arzt hätte es ihm nicht verboten meint er, wenn wir's ihm nahelegen. Ich habe mich deshalb schon richtig verzankt mit ihm. Meinetwegen nun, wenn er im Guten nicht hört, dann mag [er] durch Schaden klug werden. Das ist ja gerade, als redet man mit einem Holzpflock.

Schmerzen hat er noch ab und zu, wir wollen nun mal genau beobachten von was die kommen, wollen auf die Ernährung gut aufpassen. Ich denke den fetten Gänsebraten verdaut er schlecht. Gestern und heute gab’s Gänsebrühe und -soße, da hatte er Schmerzen. Er muß nach jeder Mahlzeit Pulver nehmen; kann auch sein, daß es seine Wirkung tut. Der Arzt sagte, operieren tut nicht not, das ginge durch äußere Einwirkung zurück. Wie wollen das Beste hoffen.

Mach Dir keine übertriebenen Sorgen, wie werden alles tun, was in unseren Kräften steht. Nur schade, daß die dumme Geschichte in die Kriegszeit hereinfällt. Man ist dadurch in allen Dingen gehemmt. Wovon mag so ein Geschwür kommen? Ich weiß es nicht. —

Mein liebster [Roland]! Heute kamen, zwei große dicke Boten an von Dir! Dafür meinen herzlichsten Dank! Die Heimatsendung ist ja interessant, was darinnen steht, weiß ich ja nicht einmal alles, als Ortskind! Darum wollte der Blockwalter Deine Anschrift haben! Ich muß sie nochmal in Ruhe lesen, am Sonntag vielleicht.

Auch die Zeitungsbeilage freut mich immer. Glaubst, die Mauserei ist ja ganz groß in Form bei Euch! Nimm Dich nur in acht vor solchen Liebhabern, Mannerli! Die armen ausgesetzten Kinder! Was wird nun aus denen, wenn sie mal groß sind? Müssen sie arbeiten für den Staat, bis sie ihre unverschuldete 'Schuld' beglichen haben? Wer bezahlt das alles, was für die vielen Kinder zum Unterhalt gehört?

Ach, das sind erschreckende Zustände, die man sich nur so erklären kann, daß eben bitterste Not solche Menschen dazu treibt. Die armen Kinderchen! Wie doch ein Weib nicht so viel Muttergefühl aufbringen kann, um ihr Fleisch und Blut zu behalten, trotz Not und Armut. Glaubst, ich brächte das nie fertig, wenn ich schon keinen Ausweg mehr sähe, dann gemeinsam den Tod. Aber solch hilfloses Wesen aussetzen?!

Mein Lebtag hätte ich keine frohe Stunde mehr.

Liebster! Wir können wohl nicht urteilen in solch fremden Verhältnissen; aber mit meinen Empfindungen vereinbart sich solche Tat nie und nimmer.

Du! Dein lieber Sonnabendbrief kündet mir ja nun auch von Deiner Freude, die auch Du hattest über die frohe Kunde unsres Adventkindleins. Ja, es war eine recht große Freude. Ach Du! Wie freue ich mich nun, daß Du in Deiner Freude den Weg zuerst zu mir findest, Geliebter!

Du! Es erging mir ja ebenso, Du!! Uns beide geht doch diese große Freude auch an Du! Ganz besonders uns beiden, die ja ebenso glücklich werden wollen einmal wie Elfriede und Hellmuth! Geliebter! Ach, Du! Das Schicksal hat die beiden, Hellmuth und Elfriede hart angefaßt schon, ich glaube härter als uns. Und nun wird ihnen das Kindlein ein rechtes Gnadengeschenk, ein Lichtblick im Dunkel unsrer Zeit. Und ein Geschenk von Gottes Güte. Wir müssen uns ja alle mitfreuen!

Herzensmannerli! Was wird erst für Freude sein, wenn uns solches widerfährt? Dieselbe Güte, von der wir es erwarten. Oh Du! Ja!! Herzelein! Wir erwarten es doch! Ist kein Zufallskindlein, kein Hinderniß, kein Ärgernis. Es ist uns ja willkommen! Ist ihm schon ein Platz bereitet in unserem Herzen! Ach ja Geliebter! Wieviel größer und dankbarer dann die Freude! Wieviel leuchtender das Wunder. Ach ja! Du!! Ganz lieb wollten wir’s aufnehmen! Nun ist’s also ein Bub! Patenonkel, die Tante hat falsch getippt! Wie wird es denn bei uns mal sein? Wer wird den Ton angeben? Er oder Sie?! Am besten gleich alle beide, Du! Ach, das wollen wir ganz lieb abwarten. Die Freude über ein gesundes Kindlein ist riesengroß, ob es nun Bub oder Mädel sei.

Am Sonnabend ist mein Schätzeli spazieren gegangen; weil’s Wetter so schön war, ein Stückchen weiter. Fein, das freut mich. Und ich lasse mir auch gerne von Deinen Erlebnissen erzählen. Kannst Dir gleich mal solch schöne Villa raussuchen für uns! Große Möbel müssen hineinpassen, zwei lange Liebesleut [sic] und viele Kinderchen!! Bitte beachten! Ach Du! Ich stiefelte doch gleich mal mit Dir so durch die Gegend. Ich würde dann gleich die Brille aufstetzen, daß ich auch das schönste Haus wählen könnt’! Du! als Du heimkehrtest, warteten doch zwei Boten von mir auf Dich. Ich freue mich doch auch immer so sehr, wenn ich von Dir Post empfangen kann. Es klappt jetzt wieder besser mit der Beförderung. Ach Liebster! Wenn Du zu mir kommst, das ist ja das Allerschönste und Allerliebste für mich in der Welt! Wenn das nicht mehr wäre, dann wollte ich garnicht mehr leben. Nein, dann wäre ich tiefunglücklich und todeinsam. Geliebter! Halt mich fest!!! Du! Herzelein! Ich lebe doch von Deiner Liebe, wie Du von der meinen. Du!!! Erhalten müssen wie einander unsre Liebe immerdar!

Ach Herzelein! An irdische Güter wollen wir nicht unser Herz verlieren. Es könnte uns alles verloren gehen, wenn nur unsre Liebe bleibt! Sie ist der Herzschlag, der Rhythmus unsres Lebens. Wir können nicht mehr sein ohne sie.

Du! Ich liebe Dich!!! Ich liebe Dich! Du!!!!! !!!!! !!! Ach Geliebter! Vieltausendmal möchte ich es Dir zujubeln! Du!!!

Ich bin Dein! So ganz Dein! Mein Herzallerliebster Du!

Ach Du! Wie bin ich so von Herzen froh, daß auch ich Dir so ganz Erfüllung bin, mein [Roland]! Daß Du Dich am glücklichsten fühlst an meiner Seite, daß Du nichts dann begehrst. Ach – daß Du auch in der Fremde, fern von mir, die Bande all fühlst voller Glück, die uns zusammenschließen, Du!!! Daß Du nicht unzufrieden bist und hingehst, Dein Vergnügen in Zerstreuung schlimmer Art zu suchen. Oh Geliebter! Es mag für manche dieses Leben eine schwere Prüfung bedeuten. Dein Kamerad geht gerne aus, wenn er auch nicht auf Abwegen gehen mag, aber er ist unzufrieden, wenn er das nicht kann. Und Du sitzt dann ganz allein zuhaus und zauberst Dich heim zu mir. –

Ach Geliebter! Wenn ich mich so recht hineindenke in alles, oh Du! Ich könnte ja weinen, so glücklich bin ich, so ergriffen, weil Du mich so liebst! Ach Du! Wie könnte ich Dir denn all meine Liebe noch zeigen? Ach Du!! Du!!! Ich mag nur von Dir so geliebt sein. Nur von Dir!!! Ich bin ganz die Deine! Bin so ganz die Deine! Ach, ich mag nichts weiter, als daß ich in Deinem Herzen wohnen darf, Geliebter! Du! Das will ich, das ist mein teuerster Wunsch. Und nur Du darfst mich so lieben! Du ganz allein, mein [Roland]! Oh, nur wo so reine Herzensliebe lebt, kann so glückliche Erfüllung sein! Du!!!

Wir sind einander nahe über alle Ferne. Sooo lieb nahe. Mein [Roland]! Ich lasse Dich nicht! Halte auch Du mich fest, ganz fest! Mein Alles, Du!

Gott behüte Dich mein Herzensschatz! In treuer Liebe bleibe ich Deine glückliche [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946