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[OBF-421213-002-01]
Briefkorpus

53.)

Sonntagmorgen, am 13. Dezember 1942.

Geliebter! Mein [Roland]! Herzallerliebstes Schätzelein!

Guten Morgen! Guten Morgen! Ach Du!! Vieltausendlieb küss’ ich Dich!!!!! Herzelein! Ich hab Dich so, sooooo lieb! Das muß ich Dir doch allem voran sagen! Du!! Glaubst mir’s denn auch? Wo Du mich ja garnicht dabei anschauen kannst, wenn ich Dir es sage! Oh Du!!! Du schaust mich schon, gelt Herzelein? Und wenn auch nicht Aug [sic] in Auge, so doch im Herzen! Da steht Dir mein Bild, unverrückbar…. wie im meinen Dein geliebtes Bild steht… oh mein Geliebter! Ich bin sooo glücklich! Und ich hab Dich so lieb, wie nichts auf der Welt! Geliebtes Herze mein!

Schätzeli! Sonnenschein lacht wieder vom Himmel heute, es ist doch so als wollte es Frühling werden. Und dabei steht Weihnachten dicht bevor. Die vorletzte Woche haben wir ja schon angerissen, Du!

Was magst Du denn eben angeben, mein Mannerli? Die Glocken [sic] die eine, die wir noch haben, ruft zum Gottesdienst. Ich bin schon seit 1 1/2 Stunden aus den Federn, habe mit den Eltern Kaffee getrunken, auch schon aufgewaschen und die Betten geschütt[elt]. Jetzt ist’s noch nicht Zeit zum Essenrichten, so komme ich doch flugs zu Dir, mein Herzelein! Ich bin doch gestern nicht dazu gekommen, weil wir so fleißig waren bis abends. Und nun kann ich’s doch nimmer länger erwarten, zu Dir zu kommen! Und ich möchte doch den Boten heute Vormittag noch mit auf den Weg geben, damit keine Lücke entsteht und Du warten mußt, mein Lieb!

Mutsch näht schon wieder, die Fleißige. Papa ist in die Mühle, holt auf die neuen Marken Mehl, wir wollen doch kommende Woche auch Stollen backen.

Er hat heute wieder Schmerzen. Aber das wird wohl die Einwirkung der Medizin sein, denken wir; denn seitdem hat er auch einen prompten Stuhl. Der Arzt wird schon recht tun mit dem, was er ihm gibt. Wir wollen auch gut alle Vorschriften durchführen. Sobald Vater sich aus liegender Stellung aufrichtet und umgeht, da sind die Schmerzen da. Verständlich wohl daher: weil dann der Magen in hängende Lage versetzt wird und somit sicher das Geschwür gegen die Magenwand drückt und Schmerzen verursacht. Es muß nun durchgestanden sein, hilft alles nichts. Wir wollen Vater gern jede Erleichterung schaffen.

Weil es heute so schön draußen ist, wollen wir so gerne mal ein Stück spazieren gehen. Papa möchte aber schlafen, weil er heute Abend Dienst antreten muß. Auch hat Mutter den Wunsch! die [sic] Kindervorstellung zu besuchen im Kino. Eine Märchenvorstellung, Schätzeli! Das möchte sie so gern mal sehen. 1315 [Uhr] beginnt es schon, na – mal sehen, ob wir hingehen. Ich kann mir denken, daß das ganz niedlich sein mag.

Du Herzelein! Wir sind doch tatsächlich fertig geworden gestern mit unserem Programm. Morgens um 6 Uhr aufgestand[en], ½ 700 [Uhr] begonnen und gegen Abend 6 Uhr waren wir fertig und konnten ins Wännlein steigen. Danach waren wir aber so müde, daß wir bald ins Bett gekrochen sind.

Alle Stübel, bis auf die beiden Küchen, wo wir noch Fenster und Möbel und Fußböden gründlich zu reinigen haben, sind wie fix und fertig wo für Weihnachten. Und es sieht wieder mal blitzeblank aus. Wir sagten gestern einmal über das andre: "nun kann unser [Roland] heimkommen, es ist alles zum Empfang gerüßtet [sic]!“ Ach, Du kämest schon, gelt? Bist nur noch nicht an der Reihe, mein Mannerli!

Ach, wir wollen uns ganz lieb gedulden, gelt? Du!!!!! Es ist doch garnicht mehr allzulang hin, wo Du auch wieder mal an der Reihe bist! Du! Ich zähle schon die Tage!

Ach Herzelein! Heute Nacht hatte ich einen seltsamen Traum. Du und ich hatten uns bei der Hand und suchten Königstein. Es ging durch den Wald, durch Felder und Wiesen, wieder durch Wald, viel Felsen und Gestein war zu überwinden; dazu kam noch die Dunkelheit und wir stolperten und suchten und suchten. Und endlich bot sich uns das Bild, wie ich es kenne von damals, als wir, die Eltern und ich von Gohrisch herunterkamen: Königstein im Tale, die Dächer des Städtchens, die Gäßchen, Straßen, das Band des Flusses und die Festung. Überall blinkten schon Lichter und Du wiesest mit der Hand nach einer bestimmten Richtung, worauf wir uns nun zuhielten. Ach, da war ich so froh, als ich endlich das Ziel nun sah. Und ich hab Dich einfach erst mal festgehalten im Laufen und Dich ganz fest an mich gedrückt, Herzelein! Weil ich so froh war! So froh, wie ich es [sic] [jetzt] noch in mir fühle. Und als Du mich küßtest, da bin ich aufgewacht. Geliebter! Es ist so süß – so süß, wenn ich Deinen Kuß spüre.  Ach, Du! Du!!! Das war mein Traum.

Gegen Morgen träumte ich ihn.

Er mag daher in Erscheinung getreten sein, weil ich gestern, als ich nun wieder in den Stuben aufräumte und umräumte, nachdem eine Ladung Sachen von mir hintertransportiert wurden zu unseren Möbeln, daran dachte, wann werden wir wohl mal einziehen und so räumen und schaffen, wie ich es hier tue. Und sicher dachte ich da im Unterbewusstsein an Königstein und suchte im Gedächtnis nach einer Statt [sic], wo wir beide bleiben möchten! Es ist doch garnicht so einfach uns zwei in das Bild hineinzudenken, gelt? Wir lassen uns doch auch nicht so einfach irgendwo hineinstecken! Haben ja auch unsre eigne Vorstellung von alledem. Und haben auch Wünsche! Die zu erfüllen wir nicht bloß ein wenig drauf bedacht sind. Aber wir sind nun auch wieder so beschaffen, daß wir uns vom Leben nicht unterkriegen lassen! Und klappt es auch mal nicht so nach Wunsch, dann rühren und regen wir uns schon, bis wir uns die Athmosphäre [sic] geschaffen haben und die Behaglichkeit, die wir uns erwünschten und ersehnten. Ach Du! Ich bin ja darum überhaupt nicht bang! Wenn ich nur bei Dir bin! Du!!! Wenn wir nur erst beisammen sind! Miteinander leben können! Wie wollen wir uns aber ein behagliches Nestchen einrichten! Du! Und mein Herzelein soll sich doch dann wohlfühlen, so wohl wie in seinem ganzen Leben noch nicht! Ach Du! Du!!! Wie schön soll alles sein um uns her, so schön, daß sich all unsre Liebe und unser Gutsein zueinander doppelt [sich] entfalten können! Geliebter! Wie freu ich mich auf Dich! Und das Leben an Deiner Seite! Ach mein [Roland]! Laß uns schon heute froh an die Zukunft denken, wenn sie auch noch ungewiß vor uns liegt. Wir glauben aneinander. Die Liebe gibt uns alle Kraft zu solchem Glauben. Und wir glauben und vertrauen auf Gott! Er gab uns nicht umsonst einander an die Hand. Geliebter! Ein Körnlein sind wir nur, ein Stäubchen in seiner Hand. Und doch ein Teil im Weltall – ein Glied der großen Kette. Wir erfüllen unser Schicksal. Wir wollen es erfüllen, mit Gottes Hilfe. Und mit unserer unendlichen Liebe im Herzen! Mein [Roland]! Du! Auf Wiedersehen bis nachher! Ich will gleich noch zur Post!

Herzelein! Ich denke Dein voll inniger Liebe! Deine glückliche [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946