Bitte warten...

[OBF-421221-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 21. Dezember 1942

Geliebtes, teures Herz! Meine [Hilde]! Mein Herzlieb, Du!!!

Geliebte mein! Geliebte mein! Im Raum neben der U.v.D.-Stube sitze ich, und denke Dein. Daß ich Dein dabei denken, [durchgestrichener Beistrich] kann, macht mir diesen Dienst doch so angenehm und kurzweilig. Aus dem Radio nebenan tönt ein Kinderchor – wie lieb gehen die Stimmen, so lieb wie Engelsang – oh Herzelein - dann muß innehalten mit allem – vor der Reine und Schönheit und Gläubigkeit solchen Singens – dann wird alle Gläubigkeit in mir selber aufgerufen – oh Geliebte, dann schaue ich Dich an meiner Seite – so still und kf glücklich wie zwei Kinder, wie zwei ganz glücklich Liebende, wie sie wohl ein Maler in eine schöne Landschaft stellt, so schaue ich uns dann – und so still und gewiß und glücklich ruht das Bewußtsein Deiner, unsrer Liebe in mir! So liebe ich Dich! Bin an Deiner Seite – gesucht und gefunden! – gestillt und erfüllt alles Tiefe Sehnen! – Gefunden! Gefunden die Geschwisterseele! Dich! Dich! Meine liebe Seele – ja meine Seele – mein und Dein – eines – oh Du! oh Du! so soll es immer bleiben! so sind wir doch ganz glücklich! wir könnten doch gar nimmer anders! Oh Herzelein! Geliebte! Wie bin ich so glücklich mit Dir! Und Du bist es mit mir – Glückskinder – ja Kinder, Herzelein – Kinder, in unsrer gläubigen reinen Liebe – oh Du! Du!!!

Herzelein! Gleich wird Singstunde sein – muß ich Dich gleich erst mal allein lassen – bald komm ich wieder zu Dir! – ich freu mich doch so! – bei Dir ist doch eitel Freude – oh Herzelein, Du! Ich liebe, liebe Dich!!! Du! Du!!! Ein liebes, liebes Küßchen geb ich Dir!

Und heut abend schlägt doch noch die Geburtstagsstunde - Du! Du!!! Liebes! Liebstes!!! Mein Alles, Du!!!!!

Nun bin ich wieder bei Dir, Liebstes! Bist wieder sooo lieb heute zu mir gekommen, geliebtes Herze!

Ach Du! Ich bin so glücklich, daß Du mich so lieb verstanden hast.

Herzelein! Wenn das Mannerli mal einen Gedanken hat, wenn es irgendwie bewegt wird, dann kommt es so leicht nicht los davon – das hast Du schon kennen gelernt. Dann trägt es sich eine ganze Zeit damit – und alle Gedanken zu einer Frage, die kommen, dann wie ^bei einer Geburt, ein wenig schwer, und haben eine Nachgeburt. Auch das hast Du beim Mannerli schon mehrmals erlebt. Schreibt es heute von unsrer Freiheit, und schreibt morgen oder übermorgen noch einmal davon – Herzallerliebste! Du wirst mich damit recht verstehen – ach Du, das tu ich doch nicht etwa, weil ich Dich für taub oder von etwas schwerem Begriff halte, Geliebte! Oh Herzlieb mein! Ich weiß doch, daß wir einander ganz fein und lieb auch verstehen. Herzelein! Das tut das Mannerli ganz aus seiner Natur heraus.

Schätzelein! Ich verstehe doch auch Deine Anliegen recht. Und ich überlege, wie sich ein Weg finden ließe, daß Du daheim zu Deinem Eigenen kommst. Das ist gar nicht so leicht. Du mußt Rücksicht nehmen auf Vater und Mutter – Du mußt Dich ihnen widmen – und 'mußt' ist gar nicht das rechte Wort dafür. Wo drei immer zusammenleben – und auf einen Raum angewiesen sind, da ist solche Rücksicht ja etwas ganz Selbstverständliches. Da ist es etwas Ungewöhnliches, wenn eines etwas Besonderes fordert. Den Eltern sich zu widmen, den Vater zumal in den wenigen Stunden, die er daheim sein kann, nicht noch einzuengen - das sind ja ganz schlichte Herzensgebote. Und nun bist Du ohnehin nicht immer zuhaus – und wenn Ihr dann doch einmal alle beisammen seid, dann muß eben auch ausgehandelt und ausgeredet werden, was jeden bewegt und mitzuteilen drängt. Und es ist auch nur verständlich, wenn die Eltern ihr Recht, fordern, [sic] wenn sich Besuch einladen – liegt nur doch auch ganz fern, sie in diesem Recht zu verkürzen. Und all diese Probleme wären leicht gelöst, wenn Du ein Stübchen für Dich hättest, wie es im Sommer sein kann.

Andernseits würde auch die liebe Mutsch nicht wollen, daß sie das Hindernis wäre, daß wir täglich zueinanderkommen – und ich denke mir, daß Du es ihr lieb und auch gleichsam scherzend doch beibringst, daß wir einander täglich ein gutes Stündchen bei der Hand halten müssen - ach, die liebe Mutsch hat dafür gewiß Verständnis.

Aber vielleicht kann sie nicht so ganz sich hineindenken, daß es dann ganz stille sein möchte, daß dann alles um uns her gleichsam versinken möchte – ach nein, Herzallerliebstes, nein, das verstehen die Menschen um uns her nicht, so wie sie unsre Briefe nicht verstehen würden, wie sie nicht verstehen würden, daß man einander so tief lieben kann – das verstehen selbst unsre lieben Eltern nicht – sie haben so lieb einander nicht gehabt, wie wir einander liebhaben.

Du Herzensschätzelein! So mußt Du nun allein um Deine Anerkennung ringen. Die lieben Eltern werden sich langsam doch daran gewöhnen müssen, in Dir auch mein liebes Fraule zu sehen, sie werden Dir mehr und mehr auch Deine Mündigkeit, Deinen Eigenwillen zugestehen müssen, sie werden Dich in Deinem Eigenwillen und Eigenleben ernst nehmen müssen. Herzelein! Das ist ein ganz richtiger Lösungsprozess, der ganz innerlich auch sich vollzieht und in äußeren Umstanden sich kundgibt. Und je länger Du die meine bist, je bewußter und erfüllter Du es bist, desto leichter wird es dir fallen, Dein Recht zu erkennen und zu vertreten, desto überzeugender wird es vor den lieben Eltern stehen. Ach, ich brauche mich nicht darum zu sorgen, daß Dir das nicht gelingen wird, oder daß es darüber zu Unstimmigkeiten oder bösen Worten kommt mit den Eltern. Und wie ich schon sagte: mit etwas Humor und Scherz oder mit ruhigem Ernst wird so etwas überzeugender und erfolgreicher vorgebracht als mit Trotzen oder Räsonnieren [sic].

Herzlein! Geliebte! Geliebte!!! Meine [Hilde]! Du! Du!!!

Die Geburtstagsbescherung ist vorüber. Oh Herzelein! Herzelein!!! Du hast mich ja sooo sooooo reich beschenkt und beglückt – Du bist ja sooo lieb zu mir gekommen – bist selber zu mir gekommen! Oh Geliebte! Heut am Abend da will ich ganz ganz zu Dir kommen und Dir Von meiner Freude, von meinem Glück sagen!

Oh Herzelein! Erst war ich doch einmal ganz stumm – und hab hilflos auf meinem Bettlein gegessen und habe mich umgeschaut nach dem lieben Menschen, nach dem [sic] lieben Geschenken, nach der Herzallerliebsten mein, die mich so reich sooo reich beschenkt. Ach Herzelein – wenigstens dem lieben Menschen die Hände drücken, ihm dankbar und liebend ins Auge schauen – etwas tun können, um der Dankbarkeit und Liebe Ausdruck zu geben – ich hab das liebe Bild küssen müssen, und hab es an mich gedrückt – und habe dann nur nach ihm Hinschauen können.

Geliebte! Geliebte! Mein liebes, liebes Weib! Ganz große Freude hast Du mir bereitet – ein ganz, ganz liebes Geschenk hast Du mir gemacht, das liebste wohl bisher. Und es drängte mich wohl, Dir von meinem Glück zu sagen, zum Dank, zum Dank aus vollem, tiefem Herzen! Aber der Tage ist so voll Geschäften erst einmal – heute abend will ich zu Dir kommen! Oh Geliebte! Meine [Hilde]! Meine [Hilde]! Mein? – Mein? – Mein!!! Ganz Mein!!!!!!!!!!!!! Das ist der jubelnde Geburtstagsgruß – oh Geliebte, in Wort und Bild – Du bist mein liebes Weib – meine liebe Frau – Du! Du!!! Das ist doch mein ganzes Glück! Es ist unser Glück, Geliebte!

Behüt Dich Gott! Behüt Dich Gott, mein Liebstes! Ich bin so voll Freude, voll tiefer, inniger Freude – ich liebe, liebe Dich! Oh Du! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!!

Dein glücklicher [Roland]!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946