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[OBF-421229-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 29. Dezember 1942

Herzensschätzelein! Geliebte! Meine liebste [Hilde]!

Eben hat das Mannerli das Schreibzeug mit dem Stopfzeug vertauscht – es war wieder mal Zeit – und mit dem neuen, richtigen, Handwerkszeug macht es auch Spaß. Im Waschraum steht auch schon wieder Wäsche bereit, muß meine Tellertücher wieder mal dem Weißen ähnlicher machen. Ach Du, ich laß mich durch solche Arbeiten nicht verdrießen. Freilich wär's fein, wenn Du mir dabei helfen könntest – nicht, weil es dann schneller ginge, sondern weil ich dann liebe Gesellschaft hätte. Heute wären wir gerade noch einmal fein allein; denn morgen soll Heinrich wiederkommen. Muß ich nun wieder alles für zwei einrichten. Mein lieber Weihnachtstisch muß verschwinden – und mein liebes Herzensschätzlein muß wieder an die Wand – steht doch jetzt mitten im Weihnachtstisch. Weihnachtstisch klingt ein wenig zu großartig beinahe – hast nichts mehr zu naschen drauf als eine Büchse Ölsardinen, und die kriegst mit dem Fingerle allein gar nicht auf. Aber ich denk, meinem Herzelein hat der Platz trotzdem gefallen – und wenn ich allein bin, dann hole ich mir’s doch immer herunter, ganz nahe – das geliebte Bildnis – ach Du! Du!!! Hast mir eine ganz ganz große Freude damit bereitet.

Ob ich auf ein ähnliches Weihnachtsgeschenk schon geraten habe? Freilich, auf das gleiche, und nicht erst von da an, wo mein liebs Fraule in seiner Schenkerfreude [sic] mir hat raten helfen – nein, vom ersten Male an, da davon die Rede war. Du schriebst: Heute will ich zum Friseur – und morgen zum Weihnachtsmann nach Chemnitz, zu dem ich bestellt bin. Da wußte ich schon, was im Gange war – mein Fraule hat doch sonst keine Bestellungen! Hat Dein Mannerli fein scharf aufgepaßt, gelt? Ach Du, das tut es doch immer – folgt Dir auf allen Gängen und Wegen, die Du mir lieb berichtest – ach Du!, folgt Dir in Liebe und Treue auf allen – und ich weiß es: Du verheimlichst mir keinen, Du hast nie einen heimlichen Gang – ach Herzelein, Geliebte! Geliebte!!! Das ist doch der Liebe Kostbarstes, daß wir darin so sicher und geborgen gehen – daß wir einem Menschen ganz uns aufschließen und zur Seite wissen! Ach, ein Paradies ginge verloren – auf ewig – wenn wir dieses Kostbare verlieren würden – magst Du mit mir im Paradiese leben? Du? Du? !!!!! Geliebte!!! Ja, Herzensschätzelein, so lieb und traut gehören wir dann zueinander, daß wir in den liebsten Stunden nicht einmal das Feigenblättlein mehr brauchen – symbolhaft dafür, daß wir einander ganz gehören und vertrauen. Ist’s nicht so? Ach Du! Liebes liebstes Herzelein! Wieviel Glück und Freude gehören uns!

Oh Geliebte! Geliebte!!! Ich sehne mich nach Dir! Nach unserem Leben!!!!

Die Mutsch schrieb seinerzeit, daß die Eltern sich nicht könnten photographieren lassen – ist wohl nur möglich für die Frauen der Soldaten – oder nur möglich in dieser teuren Ausführung. Hast vielleicht gar einen Bezugsschein gebraucht. Wird wohl auch mal die Luft noch auf Scheine verausgabt. Na, da bin ich nicht in Sorge, mein Schätzelein hoch oben im Turmstübchen wird dann schon hamstern, gelt?

Nun geht es in die letzten Tage des Jahres, gleich werden wir aus der warmen Vertrautheit der letzten Tage zwischen den Festen in die Kälte und Ungewißheit des neuen Jahres treten. Ach Herzelein! Ich fühle Dich mir zur Seite – und ich fühle es glücklich, daß ich Dir zur Seite sein muß – oh Geliebte – so will ich mit Dir tapfer und mutig weiterwandern – Gott vertrauend – unser Glück im Herzen tragend. Weißt, ich habe schon oftmals an unseren Hochzeitstag denken müssen.

Mitten im Hagelwetter begann unser gemeinsamer Gang, ein richtiges Unwetter war’s, das da so ungebeten und unvermutet in unseren Festtag hereinbrach. War der Himmel so ungehalten über unseren Bund für das Leben? – Und dann kam bald die liebe Sonne und hat den Tag im schönsten Frieden ausklingen lassen. Und wir waren dem bösen Wetter doch gar nicht ausgesetzt, durften in der Kutsche fahren – weil wir Brautleute waren – Du, meine liebe Braut! – und festlich bewegt von lauter Liebe und Freude waren unsre Herzen trotz des Wetters – oh Herzallerliebste, zutiefst bewegt in vollem Bewußtsein dieses großen Glückes: [siehe Ausschnitt aus dem Brief] ein Paar nun vor Gott und den Menschen, eines nun, eines im Herzen, ewig eins!!!

Ist es nicht ebenso jetzt? Dem großen Ungewitter gar nicht ausgesetzt – und in uns bräutliches tiefstes Glück erster heißer Liebe? – Oh laß uns Gott danken für soviel Güte, ewig danken! Meine liebe [Hilde]! Und laß uns weiterwandern in der Hoffnung und dem Glauben, daß bald die liebe Sonne wieder scheinen wird um uns. In unseren Herzen aber scheint die Sonne unsrer Liebe ohn Unterlaß und läßt sich von dem kurzen bösen Wetter nicht betrüben – bald muß die Sonne wieder scheinen. Oh Geliebte – so wenig die Welt ringsum diese Hoffnung zu bestätigen scheint – das böse Wetter verdunkelt auch den ganzen Himmel – und muß dann doch der Sonne weichen.

Herzensschätzelein, Dein lieber Mittwochbo[te] ist heute zu mir gekommen. Bist müde gewesen. Und müde bin auch ich nun. Will heute mal zeitig ins Bettlein gehen – 9 Uhr ist es erst – und mich vorher noch baden – ganz allein – ist doch jetzt keine Badestunde – magst mit in mein Wännlein steigen? – ob ich Dich mit reinlasse – wo ich in dem Wännlein doch gar nichts verstecken kann? – Ach vor meinem Herzelein hab ich auch nichts zu verstecken, Du!!! Und nach dem Bad? — Da wart ich erst mal, ob nicht mein liebes Weiberl wieder ruft: Kommst mit – und wenn es ruft? – oh Du! Du!! Du!!!

Behüt Dich Gott! Du! Mein Liebstes! Mein Ein und Alles!

Ach Herzensschätzelein: Schaust Du glücklich, wie Du meines Lebens ganze Freude bist, meines Herzens ganzer Sonnenschein? Wie Deine Liebe mich in Hoffnung und Glauben leben läßt? Hier auch in der Ferne? Ich liebe Dich! Ich liebe Dich!

Und halte mich ganz fest an Dich!!!

Jetzt wird es aber eng - wie im Bettlein – gelt zu zweien – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Dein – Mein!!!!! !!!!! !!!

Und viel liebe Küsse – wieviel? – bis Du ganz mein bist!!! Du!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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