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[OBF-421230-001-01]
Briefkorpus

Herzallerliebstes –

Du! ein komischer Anfang gelt? Oben gehört doch das Datum – also: Mittwoch, den 30. Dezember 1942

Herzallerliebstes Schätzelein! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Ein wenig durcheinander ist das Mannerli heut abend – 1) vom Dienst, es kam heut am Nachmittag noch ein Schwung Post – 2) viererlei Post hatte ich heute – von meinem Herzlieb, von K., von Hellmuth Brief und Päckchen – 3.) Heinrich ist wieder da – 4) quasselt nebenan der Rundfunk, ich glaub, es ist Lützow. Das soll nun der arme Kopf auf einmal fressen und bewältigen. Kein Wunder, wenn er sich da mal mit einem Versager rächt.

Herzallerliebste mein! Dein lieber Bote kommt aus den beiden Feiertagen – da fehlt wohl der Bote vom Heiligabend dazwischen. Hast Freude gehabt – das sehe ich doch froh auch aus den Feiertagsboten. Ob denn mein Päckchen noch zurecht gekommen ist zur Bescherung? Heinrich hat es am 19.12. ausgeliefert, ich habe hier die Quittung, da hätte es ankommen können. Sonst gibt es eben eine Nachbescherung.

Euer Feiertagsprogramm – wenn ich mich recht besinne, gleicht es genau dem des Vorjahres – und mein liebes Schätzelein ist im Schlepp der lieben Eltern, es geht nicht anders – ich verstehe das doch. Ich danke Dir doch recht sehr, daß Du mein gedacht hast – danke auch für die Grüße aus Mittelfrohna. Will zum neuen Jahre ein paar Zeilen hinunter richten. Am 2. Feiertag also Chemnitz.

Nur, daß ich es eben erzähle Schätzelein: Am 2. Feiertag ging ich doch spazieren am Nachmittag – und wenn ich so spaziere und meinen Schritt gehe, da spinnt sich doch meist ein Gedankenfaden an, ganz deutlich wird mir dann manches – und an dem Nachmittag fand i[ch] mein Frohsein gar nicht, ich fand Dich nicht recht – erst am Abend wieder. Ich schob es erst darauf, daß ich etwas schlecht ausgeschlafen war. Du – nicht, daß ich denke, Du habest mein nicht gedacht – nein, ich denke, daß Du selber gestört wurdest in Deinem Innern. Herzelein, besinnst Du Dich noch darauf, daß Du mir bei einem Besuch in Chemnitz ein mal sagtest (dem Sinne nach): Nicht so lieb Dich zeigen, der Onkel wird sonst eifersüchtig. Das war so seltsam – und ist es heute noch, wenn ich es bedenke. Die Mahnung ist gut und richtig: man soll den Neid nicht herausfordern. Aber daß sie nötig ist – und im Verwandtenkreise – und daß Du sie sagtest wie aus einer Furcht.

Seitdem gehe ich da nur noch ungern hin. Und Du meidest einen langeren Besuch ja auch dort.

Ach Du – der Onkel hat seine Frau dann auch nicht recht lieb, er ist ihr in seinem Inneren nicht verbunden – trotz der Kinder nun.

Ach Herzensschätzelein! Wie habe ich Dich lieb! Wie habe ich Dich sooo ganz lieb – daß ich auch keine andre begehre – hier in der Fremde nicht – und bei Dir nicht – ach Du! Du!!! Du!!!!! Wie hast Du mich ganz eingenommen und gefangen mit Deiner großen Liebe, daß ich nur Dich nur schaue – nach Dir mich sehnen muß, nur nach Dir!!! Oh Herzelein, Geliebte!!!!! [O]h, Du wohnst ja so lief in meinem Herzen – jetzt schon – immer schon. Und wenn wir erst mal ein paar Buben haben, so Gott will, – ach Du, welche Freuden, welche Aufgaben warten da noch unsrer, die uns so ganz zusammenschließen werden – Vater und Mutter – oh Herzelein, ganz anders noch, viel tiefer, als wir es in Chemnitz erlebten.

Mit dem Strick-Strümpel für’s Mannerli reist mein Schätzelein jetzt umher – mußt mir mal fein langsam zeigen, wie Strümpel gestrickt werden. Weißt, wenn ich ans Strumpfstricken denke, sehe ich doch meist eine ältere Person damit beschäftige. Ist sooo lieb von Dir – Du!!!

Und Liebheimliches willst mit hineinstricken – das muß dann an den Beineln hochkrabbeln zum Herzelein – gut, daß das Mannerli nicht so krabblig ist – wie mein liebs Fraule – gelt? Du!!!

Hellmuth schreibt heute eine liebe Geburtstagskarte – und schickt mir – ein Packel Pfefferkuchen von daheim, das es selber erst gekriegt hat!! Ich glaub, da ist der Urlaub nicht mehr wert gewessen.

Und Kamerad K. schreibt – es ist ein richtiger ,K.' -Brief, ich schicke ihn Dir mal mit – er tut mir leid auch – wenn der Krieg noch lange dauert, dann wird er noch ganz krank. Magen- u. Gallenbeschwerden, Venenentzündung, Papaviwifieber [unklar], ein Leben in Launen und Stimmungen, falsche, unmögliche Hoffnungen nähren und dann desto betrübter sein - oh Herzelein, wie kann eine solche Natur zum Unglück werden – wie wird dieser Krieg auch auf solche Weise seine Opfer fordern, Menschen zur Verzweiflung bringen und dem Irrenhaus ausliefern. Oh, laß uns Gott immer recht um Kraft und Geduld bitten in diesen Schicksalstagen. Und K. ist ein Mensch, der nur schwer zum Glauben findet, allem Erhabenen ein furchtbarer Skeptiker – wir haben uns doch einigemal davon unterhalten. Ich will ihm in Abständen wieder mal schreiben.

Heinrich ist also wieder da. Es sprach davon, wie schwer des Abschied gewesen sei.

Ja, Geliebte! Morgen werden nun von führenden Männern wieder mancherlei Reden gehalten werden – und alle werden die Frage nach dem Ende dieses Krieges umgehen – die Frage, die alle Menschen morgen besonders be wegen wird. Und wer ein gutes Gedächtnis hat, wird sich erinnern, daß man diese Frage nur mit gehobenem Kraft- u. Selbstbewußtsein beantwortete – wann dieser Krieg beendet sein soll, das bestimmen wir. Herzelein – ich kenne dieser [sic] Fragen doch auch: auf der Schulwanderung: Herr Lehrer, wie weit ist es denn noch, wann sind wir denn da? Es liegt das Vertrauen darin, daß der Lehrer es weiß. Ach Schätzelein, wir wollen auch nicht zu den Schwächlingen zählen, die mir immerzu nörgeln und fragen. Ist es aber nicht so, daß man nur mit dem Vertrauen schon manchmal genachfühlt [sic] hat? Sind da nicht mancherlei Umstände, die uns die vertrauensvolle Gefolgschaft schwer machen?

Oh Geliebte! Wer nicht die Schärfe eines Gottglaubens und einer guten, reichen Liebe in sich trägt, der muß verzweifeln oder abstumpfen – oh Geliebte, welch furchtbare, graue Welt solcher Unglücklichen! An das Träumen in den zwölf Nächten habe ich doch gar nicht mehr gedacht – ist auch Unsinn – aber geträumt habe ich der öfteren von Dir – weiß nur früh nicht immer mehr, was. Ach Geliebte! Schöner, als wir es träumen können, ist die Wirklichkeit – heißer und inniger unser Lieben im Wachsein.

Herzensschätzelein – jetzt lege ich erst mal den Halter, [sic] beiseite – morgen früh schreibe ich zu Ende. Jetzt will ich mir erst mal noch einen andern Kunden vornehmen. Gut Nacht - gut Nacht - ich küsse Dich ganz, ganz lieb - Du!!! Du !!!!! Herzelein, Geliebte! Der letzte Tag nun im alten Jahre. Einen schönen guten Vormittag wünsche ich Dir. Herzelein – Du! An diesem letzten Tage, haben wir uns so lieb wie am ersten der Jahres? Ach Du! Ich meine, viel lieber!!! Und schenkt uns Gott das Leben, so wird es übers Jahr ebenso sein! Du! Du!!! Du!!!!! Die Saat guter Liebe trägt so vielfältige Frucht! Oh Du, fühlst Du es auch, wie die Blume unsrer Liebe täglich mehr einwächst in unser Herze und es mit dem Geflecht ihrer Würzelchen ganz einwebt und durchdringt? Oh Herzelein! Schaust Du wie ich so voller Freude den Garten unsrer Liebe? – den wir täglich bestellen – müssen! müssen!!! Alles Leben unsrer Liebe!!! Oh Du mein liebes, liebstes Weib, meine [Hilde]! Wie bin ich sooo glücklich an Deiner Seite! Wie lieb ich Dich!!! Ob ich es weiß, wie sehr Du mich liebhast – ob ich es noch weiß? – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Woran ich dann denke, wenn ich es ganz tief empfinden will? Oh Geliebte! An alle Wege, die wir so lieb, sooo lieb Seite an Seite gingen – da ich Dich führen durfte und Du mir so lieb folgtest – ließest Dich doch von mir entführen – von Deinem [Roland], und gehst nun seither sooo lieb und treu an meiner Seite – und ich an der Deinen!!! Oh Herzelein, all die vielen, verschlungenen Wege, die heimlichen des Herzenswege, die Du mit mir gehst!!! – Oh Geliebte! An meine Heimat denk ich dann – wo Du bist, ist meine Heimat – bei Dir ist sie – Du hältst sie mir – Du bist sie selbst!!!

Oh Herzelein! Geliebte!!! Und an die Stunden letzter Traute, seligsten Einsseins! An Dein liebstes Geschenk an Dein heiligstes Pfand! Daß Du Dich ganz mir schenktest – Du Liebste! Gute! Du Feine!!!, mir Dich schenktest, Dein Leben mir weihtest mit diesem Geschenk!!! Du liebst mich! Du liebst mich Oh Herzelein! Und unendlich – sooo ganz!!!!! !!!!! !!!

Oh Herzelein! Und Deine lieben, treuen Boten – und das Spieglein unsrer Liebe – sie bringen es mir täglich in Erinnerung!! Und wenn Du nicht sooo lieb mich hättest, wie könnte, dann soviel Sonne in mir sein? soviel Liebe zu Dir? – oh Herzelein! Mein Leben weih ich auch Dir! Oh Geliebte! Geliebte!!! Mein Herze will überquellen von Dank und Freude und Glück und Liebe, wenn ich Deine Liebe bedenke – Deine große, unendliche Liebe!!! Ein wogend Meer ist doch unser Lieben nun – vereint die Ströme unsrer Liebe – ein Meer ist zwischen uns für immer nun, Geliebte – die Ströme der Liebe und Herzenskraft können nicht zurückfließen ins Herze – ein Meer ist zwischen uns für immer nun – Geliebte! Geliebte!!! Bedenkst Du es sooo glücklich wie ich? Oh Du! Du!!!!! !!!!! !!! Unsre Ströme der Liebe fließen – und das Meer wird nur größer und tiefer – unerschöpflich – und es wogt über tiefem Grunde – – oh Herzelein! Geliebte! Das Wogen der Liebe – unser Sehnen, unser Verlangen nach Einssein – Geliebte! Geliebte!!! Selig Wogen der Liebe zwischen mir und Dir – mein Weib, Du! mein einziges, geliebtes Weib! – Du Du!!!

Ich trage Dich in meinem Herzen – ich schaue Dich - und bin so voll Sehnsucht nach nach Dir – an Deinem geliebten Herzen zu ruhen – in Deinen Armen, in Deinem Schoß – oh Du! Du!!! Selig Wogen der Liebe zwischen uns!!!

Halte Gott seine Hand über unsrer Liebe! Behüte er Dich auf allen Wegen!

Ich bin immer bei Dir! Du, mein Alles, mein Leben!!!

Ich küsse Dich! Herzinniglich! Ich liebe Dich!!!

Dein [Roland],

Dein glückliches Mannerli.

Heute um 6 Uhr gehe ich zum Gottesdienst. Du! Du!!! Ich gehe immer mit Dir! Und Du bist immer bei mir - bei mir! Du! Du! Du!!!!! !!!!! !!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946