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[OBF-430101-002-01]
Briefkorpus

71.

Neujahrsabend, am 1. Januar 1943.

Geliebter [Roland]! Mein herzallerliebstes Mannerli, mein!

Du! Jetzt komme ich aber gleich erst noch ein Stündchen zu Dir, ehe ich in das neue Jahr hinein schlafe, will doch den ersten Tag im Neuen nicht gleich mit Versäumnis beginnen. Ach Du! Jetzt muß ich nun den neuen Kalender zur Hand nehmen, daran ich zähle und vermerke und abstreiche! Du!!! Wie der alte doch wüst aussieht, voller Hyrokliphen [sic] (oder wie man das griechische Wort scheiben mag?) aber ich habe mich immer schön hereingefunden und beginne auch gleich einen neuen. Oh Herzelein! 109 Tage will ich nun erst mal abstreichen, immer fein der Reihe nach – weißt Du wohl, was dann für ein Tag ist? Weißt Du wohl, wie sehr ich mich schon jetzt auf den 19. April freue, weil eine so liebe, liebe, ganz heimliche Hoffnung noch darauf gesetzt ist! Oh Geliebter! Du! So bewege ich doch heute, am Jahresanfang lauter frohe und zukunftsträchtige Gedanken. Ich kann nicht trübe mehr vorausschauen, es ist wie eine große Ruhe über mich gekommen und in mein Herz eingezogen. Du! Ich denke froh und voller Glauben voraus!

Geliebter!! Ich wünsche, Du bist so erfüllt wie ich von Hoffnung und Glauben[.]

Ach Herzelein! Als ich vorhin mit Mutter heimkam von der Reise, da erfüllte es sich doch, was ich schon den ganzen Tag als heimliche Glücksahnung in mir trug: Du warst bei mir eingekehrt! Und wartetest schon soo lieb auf mich! Ach Geliebter! Hab Dank! Du!! Ich habe Dich doch so voller Seligkeit ans Herz gedrückt in Gedanken, hab Dich eingelassen in mein Herz! Wie mein geliebter Sonnenstrahl! Wie hast Du mich wieder so überreich beschenkt mit Deiner Liebe! Geliebter! Ich fühle mich ganz bedrängt, ganz in die Enge getrieben! Du überschüttest mich mit Liebe und Gutsein! Oh Du!! Halt ein, Geliebter! Nun laß mich zu Worte kommen. Ach mein herziges, liebstes Mannerli! Weißt, es ist so schwer, Dir so recht zu danken, über die Ferne, Dir so recht all meine Herzensseligkeit und Freude zu zeigen. Ach, so übergroße Freude macht mich stumm für eine Weile. Und dann wogt es und drängt es so mit Ungestüm aus dem Innern, daß es eine Weile braucht, um die rechten Worte zu finden, um alldem Ausdruck zu geben. Ach, Du weißt es ja selber auch, Wie [sic] es ist! Und doch so wundersüß und einzigartig ist solches Liebempfinden. Ist nur einmal so, eben nur zwischen mir und Dir. Mein [Roland]! Mein Geliebter! Herzgemahl mein! Sonnenschein Du! Ich liebe Dich, über alles in der Welt! Ich liebe, liebe Dich! Ach Du! Jubeln und singen, jauchzen möchte ich es in die Winde! Mein Herz will sich auftun, weit – weit – Deiner, unendlichen Liebe!

Geliebter! Oh komm, Du!! Komm immer zu mir mit Deiner ganzen großen Liebe! Ich kann sie doch all aufnehmen, all – all! Du weißt es! Du!! Ach, der Strom Deiner Liebe hat ja nur einen Lauf, nur ein Be[unleserlich]! Aus Deinem Herzen in mein Herze ergießt er sich, unaufhörlich! Und es kann nie nimmermehr anders sein. Wie Urgewalten die Natur bestimmen und beherrschen, so bestimmt und beherrscht uns die Urgewalt der Liebe! Oh Du! Und läßt unsere Wesen doch völlig frei, zwingt uns damit nicht in eine Form, die wir nicht mögen. Die Urgewalt der Liebe löst alle Empfindungen und Sehnsüchte, die in unsrer Seele Tiefe schlummern, die drängen nacht [sic] Licht und Erfüllung!

Ach, wie ein Wunderquell, wie ein Zauberborn [sic] erscheint uns der Liebe Urgewalt! Und hat unsre Seelen erlöst! hat den Strom befreit, daß er sich nun mit ganzer Entschiedenheit und Gewalt seinen Weg gebahnt hat.

Mein [Roland]! Ehrfürchtig, stumm vor Glück und Seligkeit stehe ich vor dem Wunder unsrer Liebe in solchen Stunden. Unendliches, namenloses Glücksgefühl durchrieselt mich und strömt in mein Herz – oh Du! Innige Dankbarkeit will sich künden, Herz an Herz mit Dir, gegen Gott, den Allmächtigen, der uns solches Glück schenkte. Mein [Roland]! Empfindest Du es manchmal auch so? Daß wir Glückskinder sind, im Tiefsten berufen von Gott, unser Leben der Erfüllung zuzuführen. Ich muß so glauben. Wunderbar sind die Wege, die wir schon gingen, gnadenreich und liebereich, wie Gott nur sich zeigt den Menschen. 

Wir müssen dieses, unser Leben und Schicksal lieben und froh bejahen! Es ist Gottes Geschenk! Gottes schönstes Geschenk an uns! Laß es uns heiligstes, kostbarstes Vermächtnis sein! Geliebter! Unsere Lebensaufgabe, unsere Lebensarbeit soll es uns sein, uns in Liebe allezeit zu gehören und dem Höchsten die Herzen zu weihen. Dank, innigster Dank gegen Gott soll unser Lebenswandel sein. Nichts Schöneres und Größeres können wir uns zur Aufgabe machen, aber auch nichts Schwereres; denn wir sind schwache Menschen nur.

Wir wissen um die Schwere, aber auch um die Beglückung solcher Lebensaufgabe. Unsre Liebe schenkt uns alle Kraft, mit unseren besten Kräften dieser Aufgabe zu dienen. Ach, nun auf das Große, das Ganze gesehen allezeit! Nicht in Nebensächlichkeiten die Kraft zersplittern, nicht im Kleinen den Mut versinken lassen.

Kämpfen, ringen und glauben wollen wir! Und einander ewig lieben. Und einander ewig lieben. Ach, mein [Roland]!

Das alles bewegt mich so oft. So oft ich ganz eindringlich das Wirken einer höheren Gewalt im Weben unsrer Liebe erkenne.

Und es sind keine leeren Redensarten, keine überheblichen, überspannten Redensarten, die sich mir dann auf die Lippen drängen. Es ist Bekenntnis, Bekenntnis meiner Empfindungen und auch meiner Sehnsucht, Bekenntnis auch meines ganzen Willens.

Und ich kann mir keine schönere und wertvollere Aufgabe denken: als ein gemeinsames Leben in Gott. Gott zur Ehre.

Ach Du kannst mich begreifen allein hierin. Du mein Weggesell! Weil auch Dein Wesen sich in Sehnsucht und auch in tiefster Dankbarkeit dem Höchsten entgegenstreckt!

Wie es kommt? Aus dem Erleben des Gnadengeschenkes unsrer Liebe? Ach, wohl aus dem Ursprung unsres Seins heraus, unser Leben kommt aus Gott und mündet in Gott. Weil wir seine Liebe, seine Allgewalt erkennen. Weil wie so voller Ergriffenheit sind durch das Geschenk seiner Liebe an uns, darum soll unser Leben sein Leben sein. Darum soll unser Dank ein Dank an ihn nur sein. Wem anderes als Gott könnten wir uns anvertrauen in unserem Glück? Wem anderes, als ihm allein wollten wir so bedingungslos dienen?

Oh [sic] ein Leben in Gott, ein Leben im Glauben, es ist ein Leben in vollster Freiheit und Glückseligkeit! Mein [Roland], Du! Ich bin so glücklich mit Dir. Bin es allezeit. Du bist mein Ein und Alles! Mein Glück auf Erden! Meines Strebens Ziel und Ziel aller heißen Liebe und tiefen Sehnsucht! Oh Sonnenschein, mein Geliebter Du! Gott schütze Dich! In Liebe bin ich Dein Weib!

Dein treues, glückliches Weib! Ich küsse Dich herzinnig, mein [Roland]!

Ich bin in unendlicher Liebe Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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