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[OBF-430105-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 5. Januar 1943

Meine liebe [Hilde]! Meine liebste [Hilde]!

Da war nun gleich Dienstschluß – ging der Postbote durch unseren Raum: “Herr Schreibersmaat [sic], es ist nichts für sie [sic] dabei” – ach Du! einen kleinen Stich gibt es da in der Herzgegend, und eine schmerzhafte Enge danach – diesem Augenblick, dem der Tag entgegenharrt – eine Enttäuschung? – Ach Herzelein! Schnell glätten sich die Wogen dann: Du vergißt mich ja nie und nimmer! Du behältst mich ja lieb! Du holst mich ja heim mit Deiner Liebe! Der liebste Empfang, das glücklichste Wiedersehen wird uns dereinst bereitet sein – oh Geliebte! Du mein liebstes, treuestes Weib!!! Oh nein, ich zweifle nicht – aber es ist die Freude doch zu groß auf Deinen lieben Boten, auf der Liebsten Gruß! Und als wir nun beim Abendbrot sitzen, klopft es, und der Postbote bringt – einen Boten von meinem Herzensschätzelein, von meinem Herzensschätzelein! oh Du! Du!!! Du!!!!! „Es war doch einer dabei!” Ja, ja, mein lieber Postbote, mein Herzensweiberl ist pünktlicher als Du denkst – schau nur immer richtig nach – ach Du, er weiß schon, daß ich 100 mal eher seiner Sorgfalt mißtraue als der lieben Sorgfalt meines Herzlieb!

Oh Du! Du! Du!!! Mein Einziges! Mein Liebstes! Wie kannst Du mich sooo froh machen! Wie hast Du mich so lieb, sooo lieb. Sooo lieb, wie ich Dich habe? — vielleicht noch ein wenig lieber? – Du! Du!!! Ich lasse Dir aber nichts [sic] drauf [sic] – ich lauf mit Dir um die Wette – Oh Herzelein! Meine Freude! Meine Freude! Du bringst sie all und immer – strahlende Freude – und ich harre ihrer - oh Du! Du!!! Deine Liebe – mein Glück, mein Leben!!!!! !!!!! !!!

Oh Herzelein! Und nun kommt auch noch soviel besondere Freude zu mir heute: teilst mir Deine Freude über das Weihnachtsgeschenk. Ach, Du liebstes Geschöpf, Du, mein Herzensschätzelein! Reich sind wir nicht an äußeren Gütern – und werden es nie sein – aber reich und glücklich sind wir im Herzen darum, weil wir einander fanden, weil wir einander sooo liebhaben, sooo erfreuen, sooo beglücken können – weil unsre Herzen so zusammenstimmen, weil unsre Seelen sich so glückhaft ergänzen - oh Geliebte! Darin sind wir so überreich – aus Liebe – aus dem Gottesgeschenk der Liebe.

Und daß Du meine Liebe in dem Geschenk erkennst – ach Du! Du!!! Ich habe Dich so lieb, sooo lieb!!! – nichts anderes soll es Dir ja sagen. Ach Herzelein! Daß ich Dir nicht mehr schenken kann! Aber ich freue mich nun mit Dir! Ich freue mich mit Dir! Du Liebes! Herziges!!! Und nun möcht ich Dich doch schauen – meine strahlende [Hilde]! ach Du! möcht Dich schauen! Geliebte! Geliebte!!! Meine Prinzessin? - meine Herzenskönigin – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Magst denn vorlieb nehmen mit meinem Thron, mit meiner Krone? - ach Du! Du!!! Du!!!!!

Meine Einzige und Liebste und Beste und Schönste bist Du – oh Du! Du!!! ich schaue nur Dich – schaue unverwandt nach Dir – bin ganz gebannt – Du! Du!!! Ich liebe Dich! Und bin sooo glücklich in Deiner Liebe! König und Königin im Märchen können es nicht mehr sein!

Ach Du! Ja, schmücken will ich meine Liebe, Dich, mein liebes Weib, schmücken will ich Dich! – aber nicht, daß andrer Neid erweckt werde oder Begehren – um Dich zu erfreuen allein, um Dir meine Liebe und Verehrung zu zeigen – und wenn es die anderen nun doch auch schauen – oh Herzelein!, [sic] mit so lieben Augen und Gefühlen wie wir schauen sie es nimmer – aber sie mögen ahnen, wie wir einander liebhaben und ganz gehören, wie ich mein Herzlieb ganz lieb einhülle – ach Du! Du!!! Du!!!!! Und Du sagst es zu meiner Freude: Für mich willst Du Dich schmücken!

Oh Du! Herzlieb mein! Weißt Du es denn noch, wie ich ganz unverwandt auf Dich schaue? Wie ich mich doch gar nicht müde schauen kann an meinem Herzblümelein? Ach Du! Daß Du mich doch am allertiefsten beglücken kannst? – Du! Du!!! Du!!!!! Ach Du! Wie bin ich doch glücklich, daß ich Dein Sonnenstrahl sein kann – und daß meine Strahlen zu Dir dringen und Dich recht erfüllen können – wie glücklich bin ich darum!!!

Du, Herzelein! Magst Dich auch später von Deinem Mannerli schmücken lassen? Läßt mich mit raten und wählen wie bisher schon?

Oh bitte, ja! Du!!!

Ach, Du gewährst mir die Bitte – Deinem Sonnenstrahl, der sein Herzblümlein [sic] sooo lieb einhüllen möchte – sooooo lieb!!!

Ach Herzelein! Du! Du!!! Soviel Freude, soooviel Freude ist mit Dir in mein Leben getreten! Soooviel Glücklichsein bereitet es, einem Menschenkinde ganz zu gehören – und es ganz zu besitzen!!!

Segne Gott das Glück unsrer Liebe! Oh Du, [Bei den zwei Worten ist die Tinte ausgelaufen] Geliebte! Schaust Du nun, wieviel Freude Du mir nun wieder bereitet hast? Wie es glänzt im Herzen? Wie es darinnen strahlt vom Glanz der Liebe? Schein und Widerschein! Hall und Widerhall! Selig Wogen der Liebe! Herzallerliebste mein! Die Blume unsrer Liebe! Wir wissen, was sie so schön erblühen macht – und dieses Wissen läßt uns wachsein: [sic] Innige, treue Liebe aus gläubigem, einfäigem Herzen. Oh Geliebte, meine [Hilde]! Unsre Zeit ist solchem Blühen gar nicht der rechte Boden, und darum ist es doch auch so wunderselten geworden. Wer ein gläubiges, einfältiges Herze sich bewahren will, darf nicht mit der Menge gehen, denn dort ist Roheit [sic] und Gemeinheit, ist Flachheit, Treulosigkeit und Zynismus und Selbstbetrug – er muß einsam gehen und einen starken Willen haben, dennoch zu glauben, dennoch das Gute zu erstreben.

Es lächeln viele, die Dummen und Kurzsichtigen, wenn davon erzählt wird, wie man früher die Kinder und jungen Menschen behütete und von ihnen ferne hielt, was sie hätte können schwankend machen und verderben – man tat es um den Gewinn und die Erhaltung eines gläubigen, einfältigen Herzens – um den größten Gewinn der Menschen!

Wie hat die Welt der Erwachsenen darüber nur auch in Meinungsverschiedenheiten kommen können! Wie hat sie diesen Gewinn auch nur einen Augenblick aus dem Auge verlieren können! Aber nun ist es so weit, daß auch das beste Elternhaus seine Kinder nicht bewahren kann von der Verderbnis, wenn nicht ein ganz guter Kern in ihnen steckt und genügend fester Eigenwille. Oh Herzelein! Aus liebster Obhut eines guten Elternhauses kamst Du in die Obhut unsrer Liebe — und das Mannerli aus einem Leben in Einsamkeit, in dem ein guter Stern und ein starker Eigensinn und Eigenwille es leiteten, ganz bewußt sich fernzuhalten von allen Gemeinplätzen, von allen billigen Vergnügungen, von allzuvielen Menschen. Oh Herzelein – und wenn heute Menschen sind mit ebensolchem Eigensinn – dann werden sie, vom Zwang der Verhältnisse unterjocht, in die Fremde, in schlechte Gesellschaft, in den Fabriksaal, in den Amüsierbetrieb gezwungen. Und "womit man umgeht, womit man umgehen muß, das hängt einem an." Es ist eine Not – und Du siehst es den jungen Menschen an, den Mädchen zumal, wie ganz wunderselten noch ein gläubiges, einfältiges Herze aus ihnen leuchtet, eine schöne, reine Blüte. Ach – wir möchten jetzt schon in Sorge sein um unsre Kinder – gebe Gott, daß dann bessere Zeiten sind, daß dann die Menschen wieder etwas zur Ruhe gekommen sind, daß die Zügel der Erziehung wieder straffer gehalten werden. Welch unermeßlichen Schaden richtet der Krieg hier an!

Oh ja – Geliebte mein! Eine rechte Obhut ist gute Liebe! Oh Herzelein! Ein so köstlicher Schatz, der alles mit seinem Strahlen in den Schatten stellt, der alles Billige so wertlos scheinen läßt, der alles Falsche und Lügenhafte entlarvt – der so sicher und gewiß und stark macht. Oh Du! Geliebte! Unser einfältiges, gläubiges Herze wollen wir uns bewahren. In der Fremde kann man es nur, und unter eine Gesellschaft gezwungen, indem man sich absondert, indem man bewußt vieles meidet, sich ausschließt, Augen und Ohren verschließt, und wenn es sein muß, dumm, ablehnend und hölzern sein muß. Manche Versuchung kann man nicht anders abwehren, indem man einfach alle Zugbrücken zieht und sein Wesen ganz zuschließt. Was gilt schon das Lächeln der Menge? – es ist schwächlich — es ist herzlos und lieblos, es hat keinen anderen Ursprung als den Instinkt der Masse.

Einfalt des Herzens kommt noch weit vor dem Wert der Klugheit.

Oh Herzensschätzelein! Dein [Roland] hat das erkannt und erfahren – ich gehe meinen Weg, wie ich ihn schon immer ging – wie er mich zu Dir führte, zu Deinem Herzen! zu Deiner Liebe! zu unserem Glück!!! – und wie er uns nun beide führt zu immer größerem Reichtum des Herzens – und Du gehst ihn mit mir, geliebtes Weib, meine [Hilde]! – und wir wissen diesen Weg gesegnet – es ist der Weg zur Erfüllung unsres eigenen Lebens – und der Weg, den ich in meinem Beruf den Menschenkindern weisen will, der Weg, den wir, so Gott will, unseren Kindern weisen wollen und mit ihnen gehen. Oh Herrgott im Himmel! Bleibe Du bei uns auf diesem Wege! Erleuchte unsre Herzen, daß wir nicht irregehen! Bewahre uns gläubige, einfältige Herzen! Amen.

Geliebtes Herz! Nun will ich mich niederlegen! Sooo froh – und dankbar – und voll Liebe zu Dir! erfüllt vom Glück unsrer Liebe! Ich liebe Dich! Und Du gehst mit mir! Du bist mein! Das ist meines Herzens Jubel und Glück! Du! Du!!! Meine liebe, liebste, herzallerliebste [Hilde]!

Ich drücke Dich an mich – sooo lieb! Und küsse Dich! Und bin ganz Dein! Und Du ganz mein? Ja, Ja, Ja! Ja!!! Ganz mein! – mein – mein – Du!!!

Dein glücklicher [Roland]!

Ob ich auch Herzblümelein und Sonnenstrahl erkannte? Ach Du! Du! Du!!!

Und nun ist es doch Nacht – wo bleibt dann der Sonnenstrahl? Bei seinem Herzblümelein! Ganz leise – und heimlich – niemand sieht es mehr – das Herzblümelein schließt sich – und der Sonnenstrahl ist mit eingeschlossen – oh Geliebte! Unser Kämmerlein – unsre Herzenstraute [sic] – Du! Du!!! Laß dich ganz einhüllen in meine Liebe! – Oh Geliebte! Herz an Herz nun! Seligkeit – Mein – Dein! Eines nun!!!

Ich liebe Dich!

Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

von ganzem Herzen!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946