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[OBF-430204-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 4. Februar 1943

Geliebtes, teures Herze mein! Meine liebste [Hilde]! Endlich – nun bin ich ruhig, wenn ich vor meinem Bogen sitze, am Fenster zur Heimat, beim Deingedenken von 5 Uhr an, wenn ich Deinen lieben Boten bei mir habe, habe ich keine Ruhe mehr, als könnte ich den Anschluß verpassen – ach Du! Du!!!

Wie froh bin ich, daß seit 4 Tagen die Post wieder schön regelmäßig geht. Dein lieber Sonnabendbote kam heute! Der vom Freitag vor 8 Tagen treibt sich noch immer irgendwo herum: Ach Du! Wie Geburtstag war es heute! Von drei Seiten Päckchen und Briefe. Oh Herzelein! Wie hängen wir alle lieb zusammen – am liebsten, allerallerliebsten aber doch mit Dir! Mit Dir bin ich doch Eines – Du!!!!!!!!!!!!! Von 3 Seiten: D.s, Kamenz und Oberfrohna. Von D.s einen richtigen Aschkuchen, obenauf mit Guß und lauter Liebesperlen(!) besäht – und von Kamenz feinen Knöppchenkuchen – und von Oberfrohna – ja, was war's denn eigentlich? — ich glaub, was fein Süßes, von meinem süßen Feinslieb – das Filmpäckchen ist auch gekommen. Sei von Herzen bedankt für all die lieben Zeichen.

Ach Herzelein, zuerst habe ich doch aber nach Deinem lieben Boten ausgeschaut – und nach ihm gebangt, er ist doch mein Liebstes, Eigenstes, Du!!! Schätzelein! Fräulein Sch. sieht doch, wie lieb und treu, Du zu mir kommst – es geht sie ja nichts an, aber sie sieht es – und als ich heute den Boten an Dich verpackte für Dich, meinte sie: solchen Mann such ich mir auch einmal, der mir solch langen Brief schreibt.

Ach Herzelein! Geliebte mein! Weißt Du wer das Mannerli so beredt und mitteilsam macht, wer so es aufschließt, wer es so ganz an sich fesselt? Du! Du!!! Geliebtes Herze mein!!! Oh Du! Ich bin ja soo ganz Dein! Niemand vermöchte mich von Dir abzubringen. Ach Du! Geliebte! Ich bin in Deiner Liebe sooo lieb und fest gehalten – und mag doch nur immer darin gefangen bleiben – ich liebe nur einmal in meinem Leben! Für dieses ganze Leben habe ich mich doch in Deinem Herzen eingerichtet – wirst mich darin so lange wohnen lassen? Wirst mir auch nicht kündigen? Du! Du! Wer solange in einem Hause wohnt, trägt auch mancherlei zusammen, da sammelt sich mancherlei an – wirst es dulden von Deinem Mannerli? Ach Du! Du!!! Mein Herze steht doch auch nicht mehr leer. Ist bewohnt – nun – endlich! – warum sich wohl niemand fand, darin zu wohnen? War wohl manchem zu kalt, oder zu wenig einladend. Oder wartete der Besitzer auf einen ganz bestimmten Bewohner? – Ja, jaaa! auf meine [Hilde]! auf mein Herzensschätzelein!!! Ach Du! Du!!! Du hast mein ganzes Herz! Ewig Dein ist es, ganz Dein!!!

Ach Du! Geliebte mein! Ich warte doch nun ganz ungeduldig darauf, wie es sich um Dich entscheidet. So Hals über Kopf geht das nicht. Nun siehst auch Du schon wieder ruhiger und klarer. Aber die Ungewißheit bleibt doch. Und Deine Befürchtung ist, daß man Dich vom Roten Kreuz nicht freilassen wird. Sie ist auch mehr als begründet. Hast Du es denn nicht früher sich schon zuspitzen sehen in diesem Dienst?

Das Arbeitsamt fragt ja wohl von sich aus kaum nach der Zugehörigkeit zum Roten Kreuz – nur umgekehrt könnte das Rote Kreuz anfordern.

Daß ich nun garnichts dabei tun kann, keinerlei Einfluß nehmen, das will mich so ungeduldig machen. Daß Dir gar keine Entscheidung bleiben soll, daß man Dich einfach als eine Nummer irgendwohin setzen darf. Ach Herzelein! Das kannst Du mir gar nicht nachfühlen, wie das im Mannerli alles Aufbegehren wecken kann, allen Trotz herausfordern bei diesem Eingriff in das Recht auf das Liebste, auf die Frau. Nein, das kannst Du nicht verstehen ganz.

Herzelein! Das ist ein Eingriff in unser Eigenleben, in den Bezirk, zu dem wir in Friedenszeiten niemanden sich einmal nahen lassen. Ich kann das nicht leicht nehmen, und Du wärst nicht mein liebes Weib, mein liebster Gefährte, wenn Du mein Sorgen und mein Empfinden nicht verstündest – und Du hättest nicht im Schutze und in der Geborgenheit meiner Liebe gelebt ja, wenn Du nicht auch ein Widerstreben verspürtest, in fremden Gehorsam treten zu müssen, von anderen Männern Dir gebieten zu lassen.

Herzelein! Und wenn Du die Treueste bist – mein Sorgen

[Brief unvollendet]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946