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[OBF-430205-002-01]
Briefkorpus

105.

Freitagabend, am 5. Februar 1943.

Herzallerliebster Du!! Mein geliebter [Roland]! Herzelein!

Du!! Gleich muß ich doch das Neuste ausprobieren, was heute vom lieben Mannerli hier ankam! Papier nämlich! Siehst’ nicht, wie fein gerade ich so schreibe? Du! Bist ein gutes Mannerli, ich freu mich ganz sehr über Schreibepapier! Und wenn Du weiterhin so fein mich versorgst, dann mögen mich getrost meine Buchhändler hier im Stiche lassen, ich hab ja meinen Hoflieferanten!

Ach Du! Heute ist er wieder gekommen, Dein lieber Bote! Hab Dank ! Von Herzen Dank, Du! Hast mich ja sooo lieb!!! Mein Schätzeli! Ach — ich hab Dich ja auch sooo lieb! Du! Ich habe von Dir geträumt, ganz lieb, ganz süß! Oh Du!!!!! Und hab Dich müssen ganz sehr liebhaben, daß ich einmal ganz munter war, heute gegen Morgen. Du! Wer hat mich denn nicht in Ruhe schlafen lassen? Wer war der Störenfried? Ich glaub ich bin dem richtigen schon auf der Spur!

Ach Du! Wie glücklich empfinde ich solche innige Liebe, die ganz deutlich spürbar zwischen uns webt! Herzelein! Geliebter Du!!! Ich hab Dich so lieb! Über alles in der Welt! Sag? Weißt Du es denn noch? Oh, fühlst Du es denn noch, Herzelein?!!! Bist mein Ein und Alles! Bist mein ganzes Glück! Oh – um nichts in der Welt tauschte ich Dich ein!!! Du bist mein einzig's Lieb [sic]! Mein großes Glück! Du!!!!!!!!!!! Und ich lasse Dich nicht!! Um nichts in der Welt! Du!!! Du!!! Mein Sonnenstrahl! Mein Allerliebstes! Ach Geliebter! Meine Liebe ist ohne Grenzen. Sie ist ohne Anfang und ohne Ende, wie unser Ring am Finger. Unser Zeichen innigster Zusammengehörigkeit und letzten Einsseins. Ich bin Dein! Du!!! Ich liebe Dich! Solang ich lebe! Vergiß es nie, Herzlieb! Ach Du!! Und wenn wir ganz grausamen Zeiten entgegengingen, wenn man uns von der Heimat wegführte. Mein Herz bliebe Dein. Ewig! Meine Liebe bliebe nur Dein! Geliebter! Keine Macht der Erde kann mich von Dir reißen. Keine Macht! Mein Herz gehört Dir! Und meine Sehnsucht und all mein Verlangen drängt nur hin zu Dir. Oh Herzgeliebter Du! Was man auch mit uns noch vorhat: ich bleibe Dein! Und bis zuletzt will ich mich wehren gegen den Zugriff, der an unseren ureigensten Bezirk reicht und uns unsere Freiheit nehmen will.

Ach Geliebter! Ich weiß nicht, ob es Dir ebenso ergeht. Seit dem 30. Januar bin ich aus einer inneren Unruhe und einer gewissen Spannung noch nicht herausgekommen! Es lastet auf mir etwas, es, ist wie ein schwerer Druck. Es ist wie das Henkersbeil, das alle Minuten zuschlagen will. Es sind die Umstände, die jetzt hier herrschen bei uns. Kaum hat man die eine Bestimmung verdaut, da kommt schon eine n[eu]e heraus. Jeder Tag bringt neue Aufregungen und macht Kopfzerbrechen. Man wird überhaupt nicht mehr so recht froh. Ich weiß nicht wie [unklar] kommt. Geht Dir's in diesen Tagen auch so, Herzlieb? Es ist, als wären wir in einen Strudel gerissen und würden unentrinnbar nach unten gezogen. Als müßten wir uns mit aller Gewalt oben halten.

So erscheint mir auch meine Lösung mit meiner Beschäftigung haltlos – so wie jede Bestimmung und jedes Gesetz einer Unterständigkeit unterworfen ist.

Heute so – morgen so.

Was wird bloß noch alles werden! Ich beruhige mich nur bei dem Gedanken, daß die Partei mitzureden hat (die allein heute noch gibt) und daß sich der Ortsgruppenleiter für mich einsetzen wird. Verfolgst Du die Zeitungsnachrichten, Herzlein?

Weiß nicht, ob Ihr über alle Dinge, die in Deutschland geschehen, unterrichtet seid. Hast Du, gelesen von den 7000 Verwundeten und Kranken, die man aus Stalingrad herausholten? Die müssen alle gepflegt sein und wollen versorgt werden. [Siehe Briefausschnitt.] Da wird wohl das Rote Kreuz noch verschärfte Maßnahmen ergreifen. Ich möchte wissen, wie weit ich ungeschoren bleibe von alledem.

Was meinst Du Herzelein, was ich tun soll?, wenn es eines Tages heißt, die Kinderschararbeit muß noch kriegswichtigerem zurücktreten.

Ach, ich bin manchmal ganz durcheinander, wenn ich das Ganze verfolge rings umher. Bestimmung, Zwang, Muß, Pflicht und so geht das fort.

Eine Rede nach der andren wird gehalten. Ein Appell nach dem andren wird an uns gerichtet. Heute lesen wir wieder über drei Neuanordnungen. Es handelt sich nun die Stilllegung nicht kriegswichtiger Betriebe. Der Reichswirtschaftsminister hat 3 Anordnungen erlassen, die aus dem Gebiet des Handels, des Handwerks und des Gaststättengewerbes den umfassenden Einsatz von Arbeitskräften für die Aufgaben der Kriegführung ermöglichen sollen. Alle Betriebe, die nicht für die Versorgung der Bevölkerung unbedingt erforderlich sind, werden geschlossen. Eine Ausnahme von diesen Bestimmungen gibt es grundsätzlich überhaupt nicht. Die angeordneten Maßnahmen werden mit großer Beschleunigung durchgeführt, so daß die ganze Aktion bereits am 15. März abgeschlossen sein wird.

Alle Kräfte für den Sieg.

Nun wird es aber hier drinnen so recht erst wie Krieg.

Die Eltern sagen, so sei es im Weltkrieg gleich im ersten Jahre schon gewesen. Alles eingeschränkt bis auf's Letzte. Das Bild ändert sich von Tag zu Tag. Wie wird sich alles weiter entwickeln? Ach mein Mannerli! Wie es auch kommt, das Eine weißt Du: bis zum Letzten trachte ich nur nach dem einen, nach Dir zu erhalten, hier zuhaus [sic], wo Deine Sehnsucht mich sucht, wo Du mich zu finden hoffst immer, wenn nur Deine Gedanken zu mir gehen. Geliebter! Ich will alles tun, um die Stellung zu halten, die ich jetzt innehabe.

Ach möchte es das Schicksal gut mit uns meinen!

Laß uns vertrauen, mein Geliebter! Gott ist bei uns alle Tage, wenn wir seine Nähe auch einmal nicht spüren sollten.

Du!! Aber wie wir, soviel Grund hat zu Dankbarkeit für den verflossenen Ablauf der Zeit, der sollte überhaupt nicht unverzagt drein schauen. Du!!!! Ist es nicht so, mein Mannerli? Und doch gibt es im Leben einmal trübe Stunden, da wir kleingläubig werden und uns haltsuchend am geliebten Gefährten anlehnen.

Ach Du! Mit Dir will mir nicht bange werden! Geliebter!! Mit Dir will ich alles wagen! Es müßte nur so sein, daß man einander in solchen Stunden, da man Beistand braucht, ganz ganz nahe sein dürfte. So ganz die körperliche Nähe des Geliebten spüren, die Geborgenheit, ach soviel Kraft und Sicherheit und Ruhe strömt von Dir auf mich über, wenn Du mich an Deiner Brust birgst.

Geliebter!! Wie sehne ich mich, wieder so von Dir einmal umfangen zu sein! Ach, ich darf garnicht daran denken. Tränen wollen mir hochsteigen, vor Heimweh, vor Sehnsucht nach Dir! Du mein Einziggeliebter! Mein Herzgemahl! Mein Sonnenstrahl!

Ach, ich will nicht weich werden.

Herzelein!!! Ich denke doch schon fleißig daran, daß – so Gott will die größte Spanne der Wartezeit vorrüber [sic] ist.

Und das tröstet mich! Das gibt mir meinen Mut!

Ganz viel Kraft zum neuen Aushalten wollen wir uns wieder beieinander holen! Mein Herzensmannerli! Ach, ich hab Dich doch viel zu lieb, als daß ich mich nur allein mit dem Bewußtsein zufrieden geben könnte: Du bist mein, Du lebst in der Ferne nur für mich. Ach verstehe mich recht, Geliebter! Dieses Bewusstsein ist auch ein Teil meines Liebesglückes und ein nicht geringes! Aber das ganz wirkliche, lebendige Wissen und Empfinden: Du bist mein! Ach – das will doch der Seele immer wieder einmal ganz in Wirklichkeit eingehen. Indem wir eng verbunden zusammen sein dürfen, leibhaftig! Zusammen leben dürfen in engster, innigster Gemeinschaft.

Oh Geliebter! Was wäre ein Hoffen ohne Ziel? Was eine Liebe ohne Erfüllung? Den seligsten Zusammenklang der Herzen und Wesen erleben wir doch im körperlichen Nahesein [sic], nicht im Nahesein [sic] über die Ferne. Es ist wahr: eines kann nicht ohne das andre uns der Erfüllung zuführen.

Wären wir alle Wartezeit, die zwischen dem Wiedersehen liegt nicht immerfest [sic] so lieb vereint, dann wäre uns doch das Wiederholen garnicht das köstlichste der Erlebnisse!

Verstehst Du mich, Geliebter? Siehst Du? Daß ich nicht unverständig bin und rüttle an den Ketten, die nun einmal an uns gelegt sind? Ich bedenke nur alles, um mein Sehnen zu beschwichtigen.

Ach, wer so liebt wie wir, der ersehnt doch nichts heißer und inniger, als endlich zusammen leben! Oh Gott im Himmel! Segne unseren Bund! Schenke uns starke, tapfere Herzen, daß wir frohgemut unseren Weg gehen, von dem wir glauben, daß er uns dem Ziele zuführt!!

Erhalte mir meinen [Roland] gesund und behüte ihn auf allen Wegen! Oh Herrgott! Hab Erbarmen mit uns!

Amen.

Mein geliebtes Herz! Läßt Du mich heute Abend aufhören? Ich bin recht müde; denn es war Putztag heute. Auch hat mich das zu warme Bad müde ge- macht. Herzlein! Ich nähm Dich soooo gerne mit nun ins Bettlein! Oh Du!!! Meine ganze Liebe ist Dein! Ich bin so glüklich, daß ich Dein Weib bin! Herzallerliebster! Auf Wiedersehen! In ewiger Liebe und Treue bleibe

ich ganz Deine [Hilde]! Dein Weib! Dein!!!

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Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946