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[OBF-430215-002-02]
Briefkorpus

Mein Herzelein! Guten Morgen! Einen lieben guten Morgen!! Da bin ich wieder! Nun aber mit blanken Augen!

Und heute früh schaut auch Frau Sonne mal aus ihrem Wolkenbett. Mal sehen, ob sie sich durchsetzen kann gegen die dicken Wolken, die noch immer drohen.

Ich habe einen bösen Traum gehabt. Als Braut ging ich und mein Vater war der Bräutigam. Wir liefen spazieren im Ort und als wir an die Apotheke kommen, sehe ich wie ein Flugzeug zum Absturz kommt. Ein Aufschrei kam über meine Lippen und ich rannte los, im Unterbewußtsein die Pflicht zum helfen fühlend (als Helferin im Roten Kreuz). Viele Menschen waren an der Unfallstelle. Unten beim Gaswerk waren sie abgestürzt, 3 Männer. 2 lagen ganz still und rußgeschwärzt da, ein Sanitäter bemühte sich um sie und er hatte kein Verbandsmaterial. Ich riß meinen Schleier herunter, mein Kleid, gab es hin und half mit verbinden. Dann legte der eine unverletzte seinen Mantel mir um, weil die Leute so gafften und wir fuhren alle in einem Auto fort. Dann wurde eine Feier veranstaltet zum Dank unsres Eingreifens. Omas Saal war gefüllt mit lustigen Menschen. Ich trug wieder ein Brautkleid, ein neues und der Gerettete führte mich. Ich kann ihn mir nicht mehr vorstellen, es war mir ein Unbekannter. Und ich wäre so gerne fort gegangen von dem Ort. Ich fühlte doch, daß ich da garnicht hingehörte. Und ich suchte Dich immer und fand Dich nicht.

Dann stellte sich nach eines Aussprache heraus, daß ich russischen Offzieren das Leben gerettet hätte! Und der Unverletzte wolle mich zum Dank haben. Oh als ich das hörte, ich saß gerade am Tisch und aß Nüsse, so feine ausgemachte wie von Dir, Herzelein da blieb mir vor Schreck und Wut der Bissen im Halse stecken und ich warf dem Offizier alles vor die Füße, was auf dem Tisch stand und floh. Auf die Bühne, wollte hinten durch die Kegelbahn hinaus und fand doch alle Fenster verschlossen. Da versteckte ich mich hinter die Kulissen.

Und alle starrten gebannt auf den Russen, was er nun machen würde.

Ich konnte es durch einen Schlitz beobachten. Und wirklich raste der auf mein Versteck los mit der Pistole in der Hand. Und ich stand zitternd mit angehaltenem Atem in meiner Nische. Er muß einen Zipfel vom Kleid gesehen haben; denn plötzlich zog er mich hervor und hielt mich so fest an Arm, daß ich nicht mehr davon konnte. Er wollte mich erpressen, mit ihm zu gehen. Und ich stemmte mich so wahnsinnig dagegen, daß ich vor Angst und Bedrängnis erwachte.

Oh Herzelein! Ich schwitzte! Es war nur ein böser Traum.

Das hat mich aber aufgeregt!

Du! Wie ich nur darauf komme?

Sicher durch die Nachrichten, daß der Russe immer weiter herein kommt. Und gestern abend war ich mit Mutsch nochmal beim Schlosser K., der soll Oma die neue Haustür anbringen, der machte so schlechte Andeutungen. Daß der Russe jetzt sich rächen würde für den Angriff von unsrer Seite, bei Nacht und Nebel hätte es erfolgt. Manche Russen wären vom Tanz heimgekommen und hätten sich plötzlich Deutschen gegenüber gesehen und seien gefangen worden. Nun wollte der Russe in seiner Wut und seinem Haß sich rächen und bei uns hier alles verwüsten.

Darum wohl mein böser Traum.

Oh Herzelein! Es war ein Traum nur. Ich glaube nie, daß er Wirklichkeit wird! So grausam wird unser Volk doch nicht enden!

Dafür stehe uns Gott!

Ach Geliebter! Wir wollen ganz vertrauensvoll unser Leben und Geschick in Gottes Hände legen. Er wird unser Heil wollen. Das glauben wir.

Herzelein Du! Die liebe Sonne ist wieder gegangen. Noch hat der schlimme Sturm das Regiment. Aber hinter den Wolken strahlt sie in unvermindertem Glanze! Und so ist es ja ein Gleichnis für unsere Liebe! Du!!! Du!! Sie glüht und strahlt und leuchtet und erwärmt Herz uud Gemüt in dieser trüben sorgenvollen Zeit.

Ach mein [Roland]! Daß ich Dich habe! Daß Du mich hast!

Uns beiden will ein Jubel und tiefer Dank darum aus der Seele brechen. Das ist das höchste Geschenk von Gottes Händen, daß er unsere Liebe so wunderbar erblühen ließ in der Zeit der Dunkelheit und Not. Wir haben einen Halt! Einen sicheren Hort! Eine Heimat das Herzens!

Ach Du!! Wir dürfen uns so sehr glücklich preisen, daß wie soo innig lieb vereint zusammen stehen, über die Ferne.

Geliebter!

Das ist alles Gottes Huld.

Oh laß uns dessen immer eingedenk sein und von Herzen dankbar. Geliebter mein! Unser Weg führt, trotz Trennung, doch immer weiter engverschlungen aufwärts, voran!

Oh Geliebter! Wie können garnicht mehr einsam gehen! Du! Wie brauchen einander um leben zu können. Es ist als wären wir einander Seele, Herzschlag, Atem. Oh Du! Sooooviel heiße, tiefe Liebe glüht. Dir entgegen, mein geliebtes Herze! Du sollst sie all in Dein Herz aufnehmen! Oh nimm mich auf, in Deinem lieben Herzen! Ich will nur in Deinem allein wohnen! Du! Ich liebe Dich über alles in der Welt! Geliebter! Du! Mein Sonnenschein! Mein Ein und Alles!

Gott sei allzeit mit Dir!

In Treue, in Liebe bleibe ich immer Dein glückliches Weib! Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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