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[OBF-430218-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 18. Februar 1943

Geliebtes teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Du bist zu mir gekommen! Herzelein! Dein lieber Sonnabendbote ist bei mir! Und nun halt ich mit Dir Feierabend, im warmen Stübel. Heinrich ist heut auch mal daheim – er liegt jetzt auf dem Bette und schnarcht. Kann ich Dir auch schnell mal ein liebes Küßchen geben – er sieht es, nicht – Du!!! Mannerli hat doch heute Dienst gehabt und nun von ½ 5 Uhr ab einen schönen langen Feierabend. Aber ich habe daran gedacht, daß mein Schätzelein noch schaffen muß, bis die Uhr hier 6 Uhr zeigt. Und habe mir auch zu schaffen gemacht – eine Hose gebügelt oben in der Schneiderstube und 4 Paar Stümpel gewaschen. Davon will ich morgen 2 Paar wegbringen und sehen, ob man mir sie gegen neue eintauscht. Es sind die, wo Mutter von der hellgrauen Wolle neue Spitzen angestrickt hat. Diese Wolle taugt nicht viel, sie wird richtig zerscheuert, da kann ich nicht mehr stopfen. Wo Mutter mit der groben griechischen Wolle angestrickt hat, da hält es gut. Ja, und noch über meinem Werke brachte mir der Briefträger Deinen Boten. Erst hab ich noch etwas vom Abendessen geholt, Kartoffelsuppe mit Bockwurst – und dann hab ich das Siegel gebrochen, hinter dem ich die ganze große wundersame Liebe meiner lieben Frau weiß, meiner lieben [Hilde] – immer weiß! Und Deine Liebe kommt täglich zu mir – all meine Freude und Sonne!

Und dann hat sich das Mannerli auch hingestreckt im dämmernden Abend und hat sich anrühren lassen – von Deinem Liebmeinen, Deinem Lieben! Oh Herzelein! Geliebte mein! Ich will doch bald einmal zu Dir kommen! Bei Dir zu sein! Mit Dir zu leben – und ist es auch nur auf kurze Zeit! Einmal wieder bei Dir sein! Du!!! Herzlein! Morgenabend wird das Mannerli einmal ausgehen. Zweierlei Veranstaltungen sind morgen. Verpflichtend die Teilnahme der ganzen Kompanie an einem Vortrag des bekannten Historikers Paul Kohrbach: "Wirtschaftsfragen im Südostraum." Es kamen aber auch 5 Eintrittskarten zur Kompanie zu einem Konzert, veranstaltet vom Roth-Quartett, Dresden, unter Mitwirkung der Kammersängerin Paula Kapper, Stuttgart. Im Programm steht Quartettmusik von Haydn, Schubert. Die Sängerin wird Volkslieder zur Begleitung mit diesem Quartett singen. Ich schicke Dir das Programm mit. Überwältigend ist es nicht, aber ich mag es auch nicht verfallen lassen. Nehm mein Schätzelein mit – ganz lieb und nahe – und wenn ich wieder heim bin, komm ich gleich noch ein Weilchen zu Dir – ja?

Ach Schätzelein! Ich suche die Zerstreuung nicht, ich brauche sie nicht, ich meide sie, wo sie mich stört. Und alle Zerstreuung stört mich, die darauf abzielt, vergessen zu machen, darauf abzielt, sich wohnlich und behaglich einzurichten in diesem Kriege. Ich mag es nicht so gut haben wie daheim – oh Geliebte! so gut kann es auch nie werden – oh Du, nichts kann dem Mannerli die Heimat ersetzen – und wenn das doch möglich wäre, dann fehlte immer noch das Beste, das Wichtigste, das Einzige — — mein Herzensschätzelein! Wo Du bist – da ist doch meine Heimat! Da ist erst Heimat mit ihrem Frieden und ihrer Geborgenheit!!! An Sonntagnachmittag und -abend hätte ich mein Schätzelein also gar nicht daheim angetroffen. Und nicht einmal in der Nacht. Da wär das Mannerli freilich schön erschrocken. Ja, nun springt Ihr gleich alle drei ein – und wenn nur zwei dawären, müßte es auch mit zweien gehen – und vielleicht auch nur mit einem. Möcht wissen, ob im ungekehrten Falle die Hilfsbereitschaft auch so groß wäre. Daß Onkel Fritz seine Abberufung zur Front gewärtigen müsse, schriebst Du mir schon. Deshalb waren doch die Chemnitzer am Sonntag noch einmal gekommen. Herzelein – vielleicht hätte ich Dich auf dieses – kurze, aufregende Wiedersehen nicht telegrafisch herbeigerufen – und ich hab Dich doch gewiß nicht weniger lieb.

Mutter schrieb in einem der letzten Briefe, daß Herr Sch. auch bei der Armee um Stalingrad sei. Der war ja auch bei den Kamenzer Kraftfahrern. Vorigen Sonnabend hast also noch den Schillervortrag besucht – und diesen Sonnabend wirst Du in Chemnitz weilen – war doch auch wieder mal Untersuchung – ja, Herzelein, wenn ich es nun weiß, muß ich es immer verfolgen. Du dürftest es mir – gar nicht schreiben – verschweigen? – ach Du! Geliebte! Das können wir ja nicht! Nichts kann ich Dir verschweigen! Und Du mußt mich an allem teilnehmen lassen, das weiß ich! Letztes Vertrauen ist zwischen uns – und unsere Herzen hier und da wären unruhig, wenn sie nicht sich in diesem Vertrauen wüßten. Ach, ich hätte keine Ruhe, wenn ich ohne Dich ginge, wenn ich einen Weg gehen wollte, den ich Dir verschweigen wollte. Und mein Herze würde es fühlen, wenn es Dich vergeblich suchte, wenn es Dich nicht fände – wir müßten ja einander loslassen, fallen lassen für Stunden – und das können wir doch nimmermehr! Du!!!

Am Montag war also Hochzeit bei K.s, Herzelein! – Wer hat da wohl dirigiert und die Orgel geschlagen? Ist der Herr Pfarrer nun eingezogen?

Ja, Ihr werdet daheim die ganze Heimat noch umkrempeln, daß man sie gar nicht wiederkennt.

Ach Herzelein, Du, Geliebte!! Wenn Du mir nur bleibst in unverbrüchlicher Treue, wenn ich nur Dich wiederfinde, Deine ganze Liebe – dann ist Heimat – dann fehlt nichts – dann bin ich ganz glücklich.

Oh Geliebte! Wir erkennen es beide mit vollem, wachem Bewußtsein! Halten, was wir haben! Festhalten das Bleibende!

Schätzelein! Eben kam einer herein und sagte, daß Goebbels spricht. So habe ich nun da hingehört. Und nun ist es spät geworden. Du wirst auch am Lautsprecher sitzen. Ich habe die Feder wieder ergriffen; die Sache wird mir nun zu - ja, ich weiß nicht, was hier der rechte Ausdruck ist. Herzelein — es hört sich komisch an hier draußen, kannst es mir glauben. Na – Ich will nun heute in mein Bettlein gehen, damit es dunkel wird im Zimmer. Behüt Dich Gott – Herzallerliebste mein! Schlaf gut! Laß Dich nicht beunruhigen. Gott wird mit uns sein. Und ich will mit meiner Liebe immer bei Dir sein! Immer? In treuer, unverbrüchlicher, ganzer Liebe! Dein [Roland]! Oh Herzelein! Du wirst mich wiederhaben in ganzer, treuer Liebe! Dir will ich leben — in Liebe, in ganzes Liebe! Herzelein! Das ist mein Wille, der aus heißer inniger Liebe kommt. Und ich werde Dich wiederfinden – Deine ganze, ungeteilte, ungebrochene Liebe! Gut Nacht! Ich küsse Dich herzinnig! Mein Liebstes! Mein Alles, Du: Dein [Roland]. Herzelein! Was ist das draußen wieder ein schöner Tag heute, wie schon vor 3 und 2 Tagen, richtige Frühlingstage sind. Herzlieb! Ich bin ganz ruhig – bist Du es auch? Hast manches auch bedacht von der Rede?

Wir vertrauen Gott, dem Herrn, und vertrauen ihm alles an. Wir tun unsre Pflicht auf dem Platz, an den uns das Schicksal stellt. Und halten einander fest – und bewahren einander unsre Liebe, treu und ganz, und vergessen es keinen Herzschlag, daß diese Liebe unser Schicksal auch ist – und wo uns noch eine Wahl bleibt - oh Geliebte, mein Liebstes und Einziges – ich kann nicht anders – – als Dich ergreifen – Dir anhängen – – mich zu Deinem Herzen drängen – Dich ganz festhalten – Oh, helfe uns Gott! Steh er uns bei! Er behüte Dich mir, mein Liebstes, mein Alles, mein Leben!!!!! –

Ich bin Dir ganz nahe – und habe Dich lieb - und küsse Dich herzinnig -

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946